Dr. Ralf Nolten zu TOP "Acker, Wiesen und Natur erhalten, Lebensgrundlagen schützen – Flächenfraß endlich beenden!"

17.06.2021

[Anrede]

„Flächenfraß“, „Flächenverbrauch“, „Betonflut eindämmen“ –  martialische Ausdrücke helfen uns nicht in der parlamentarischen Debatte. Denn genau genommen geht es um die Inanspruchnahme von Flächen für bestimmte Nutzungen, weniger als die Hälfte der in Anspruch genommen Fläche wird tatsächlich versiegelt,.

Für unsere individuellen Ansprüche: Statt 15 Quadratmeter Wohnfläche pro Person 1960 sind es heute mehr als das Dreifache, bei Neubauten noch mehr. Zum Biken ins Sauerland, Erholungsresorts, Outlet- und Logistik-Center – unser Lifestyle braucht Fläche. Kindergärten, Schulmensen und Altenpflegeheime decken unsere sozialen Bedürfnisse im Zeitalter der Individualisierung.

Die Flächeninanspruchnahme hängt eben nicht nur an der Raumstruktur, den demographischen oder gesamtwirtschaftlichen Entwicklungen, sondern auch an der Planungskultur (Stichwort: urbane Dörflichkeit). Vor allem am Bewußtsein der Menschen vor Ort. Am Dienstag in der Ratssitzung forderten die Grünen deutlich mehr Parkflächen für das neue Altenpflegeheim. Die ursprünglich geplanten zehneinhalb Meter Firsthöhe für ein Papierrollenlager ist ihnen deutlich zu hoch – selbst 7 m sind noch zu viel. Eine GFZ von 0,6  bei der Wohnbebauung – viel zu kompakt. Vor Ort, Herr Rüße, da zählt es!

Interkommunale Gewerbegebiete, Siedlungsflächenzuweisungen nach Eigenbedarf jenseits der ASB’s, kritische Reflektion von neuen Kiesgruben prägen heute die Gespräche von Kommunen und Regionalplanungsbehörden bei der Neuaufstellung von Flächennutzungsplänen. Die Inanspruchnahme von Freiflächen hat sich in den letzten 20 Jahren halbiert. Die Siedlungs- und Verkehrsfläche je Einwohner liegt in NRW mit 439 m² unter den Werten von Baden-Württemberg oder Hessen, ist nur halb so hoch wie in Niedersachsen.
Verschiedene Bundesländer haben  angesichts des 30-ha-Ziels des Bundes ein Mengenziel in ihren Raumordnungsplänen formuliert. Mich überzeugt das monstranzartige Hochhalten von Zielwerten nicht. Sie fordern es.

Das könnte nun der Ansatz sein, Ihren Antrag in Bausch und Bogen abzulehnen.

Das will ich aber nicht tun. Aus zwei Gründen:
1. Es gibt aus Raumordnungs-, Bau- und Umweltrecht für alle Ebenen die Verpflichtung zur Vermeidung von Eingriffen, zum Flächenrecycling und zur Innenverdichtung. Wir müssen nachlegen.
2. Die meisten Ihrer Forderungen decken sich mit dem „Maßnahmenpaket  intelligente Flächennutzung“ der Landesregierung vom September vorigen Jahres.

Von daher wäre eine Verweigerungshaltung unklug. Als Opposition vermeiden Sie geschickt die Nennung der bereits umgesetzten Punkte. Auf die finanzielle Aufstockung beim AAV, auf das Konzept Grüne Infrastruktur wird Frau Ministerin gleich sicher eingehen. Ich möchte die Programme die Landesinitiativen Bau.Land.Leben, Bauland an der Schiene und jüngst Bau.Land.Partner aus dem Hause Scharrenbach erwähnen.

Ökonomische Steuerungsinstrumente wie dieStreichung der Grunderwerbssteuer beim Flächenrecycling, die Grundsteuer C oder einen stärker funktions- und weniger einwohnerbezogener kommunaler Finanzausgleich werden seit über 20 Jahren diskutiert,  v. a. die Flächenzertifikate. Zu viele offene Fragen nach der kommunalen Planungshoheit, der Erstverteilung der Zertifikate, des Zugriffs auf die Zertifikate, zu Spekulationseffekten, nach Verwaltungsaufwand und dem Gleichwertigkeitsziel im ROG. Pilotprojekte – immer gerne.

Sie heben ab auf die bereits beschlossene Untersuchung der Flächenströme und das Brachflächenkataster.
Sie fordern einheitliche, flächenschonenden Kompensationsbewertungsverfahren und die Weiterentwicklung der produktionsintegrierten Kompensationsmaßnahmen, von denen ich weiß, bei wem ich vor 15 Jahren als Kreistagsabgeordneter noch um Akzeptanz werben mußte.

Tja, dann werden Sie ja unserer Änderung des Landesnaturschutzgesetzes in § 31 Absatz 1 Satz 2 ebenso zustimmen (müssen) wie den neuen Absätzen 6 zur maximalen Flächeninanspruchnahme, Absatz 7 zur Entsiegelung, besseren Biotopvernetzung und den PIK‘s.  Das wird der Lackmus-Test Ihrer Glaubwürdigkeit.

Richtig ist Ihr Bemühen, landwirtschaftlichen Flächen einen Wert zusprechen zu wollen gemäß der Grundsätze in § 2 ROG – und hier hoffentlich nicht nur nach Satz 4, sondern auch nach Satz 5.
Ob es Landwirtschafts- oder Bodenschutzgebiete im Sinne von Vorranggebiete sind oder Vorbehaltsgebiete, wie sie die Pläne benachbarter Bundesländer für landwirtschaftliche Gunststandorte kennen?

Ich freue mich auf die Diskussion im Ausschuss.