
Sehr geehrter Herr Präsident,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
meine Damen und Herren,
seit vier Wochen herrscht Krieg in der Ukraine, seit vier Wochen Krieg mitten in Europa. Der Krieg von Wladimir Putin gegen die Ukraine ist ein Verbrechen. Der Überfall der Russischen Föderation auf die Ukraine zerstört das Land und führt zu einer humanitären Katastrophe. Menschen, die bis vor wenigen Wochen ein normales Leben führen konnten, sind mit Tod und Flucht konfrontiert. Europa erlebt die größte Flüchtlingswelle seit dem zweiten Weltkrieg. Unsere Friedensordnung ist angegriffen. Gewissheiten gelten nicht mehr.
Unter dem Krieg leiden alle von ihm betroffenen Menschen. Das gilt umso mehr für Kinder, Kranke, Menschen mit Behinderung und Frauen. Die Bilder schwer verletzter Wöchnerinnen, die auf Tragen aus den Trümmern einer Geburtsklinik gerettet werden müssen, sind verstörend. Sie zeugen von der ganzen menschenverachtenden Brutalität des Krieges.
Menschen, für die eine Flucht zum Beispiel aus Altersgründen zu beschwerlich ist, antworten auf die Frage, wohin sie wollen mit „in den Himmel“. Jene, denen die Flucht aus der Hölle des Krieges an die Grenzen der Sicherheit Europas gelingt, sollen hier Unterstützung und Zuflucht finden. Das Engagement staatlicher Stellen und zivilgesellschaftlicher Akteure ist herausragend. Ihnen gilt unser Dank und unsere Anerkennung.
Meine Damen und Herren,
wir stehen vor einer historischen Herausforderung. Wir werden sie meistern, wenn wir an einem Strang ziehen. Wir in Europa. Wir in Deutschland. Wir in Nordrhein-Westfalen und vor Ort in den Kommunen.
Mit Wohlwollen habe ich die Worte von Bundesfinanzminister Christian Lindner in der gestrigen Haushaltsdebatte im Bundestag vernommen. Der Bund will Länder und Kommunen finanziell unterstützen, damit wir uns um die Flüchtlinge kümmern können. Gut so.
Das ist Klartext, den wir dringend brauchen, den aber die Kabinettskolleginnen und -kollegen von Christian Lindner zulange vermieden haben.
Ich finde es richtig, dass unser Integrationsminister Dr. Joachim Stamp einen Flüchtlingsgipfel gefordert hat. Ich gehe einen Schritt weiter. Wir brauchen einen strukturierten und nachhaltigen Austausch aller Ebenen: Der Bund, die Länder, die Kommunen. Sie gehören an einen Tisch, um Abstimmungen herzustellen und Antworten zu erarbeiten. Die angedachte Bund-Länder-AG Anfang April ist mir deutlich zu spät.
Und ich unterstütze den Vorschlag von Bundesaußenministerin Annalena Baerbock, eine Luftbrücke zur Evakuierung der Menschen einzurichten und europäische Aufnahme- und Verteilzentren zu errichten.
Meine Damen und Herren,
viele Menschen, die aus der Ukraine zu uns kommen, sprechen Deutsch und haben berufliche Qualifikationen. Es sind in der großen Mehrzahl Frauen. Oft begleitet von ihren Kindern. Sie kommen über die EU-Massenzustrom-Richtlinie zu uns. Für sie gelten besondere Regeln. Sie dürfen sich 90 Tage visumfrei hier bewegen, sie können bleiben und hier arbeiten. Kinder können in die Kita und in die Schule. Was es jetzt aber braucht, ist eine zügige Klärung über die genauen Umstände. Bundesinnenministerin Nancy Faeser muss über eine Rechtsverordnung Klarheit über die EU-Massenzustrom-Richtlinie schaffen.
Wir wollen, dass Kinder schnell wieder Kinder sein können. Spielen. Lachen. Lernen. Und wir wollen, dass Menschen ihre Arbeitskraft einbringen können. Damit das gelingt, brauchen wir eine schnelle Registrierung der Ukrainerinnen und Ukrainer, Klarheit über Qualifikationen und die Zusammenarbeit aller relevanten Akteure.
Erst durch die Registrierung wissen wir wirklich, wer und wie viele Menschen aus der Ukraine zu uns gekommen sind. Erst dann können wir ihnen gezielt Hilfe anbieten. Erst dann gibt es einen konkreten Überblick auf die einzelnen Kommunen, wie viele Ukrainerinnen und Ukrainer dort Obdach gefunden haben.
Der Bund ist gefordert, hier tätig zu werden. Er muss bei der Aufnahme der Flüchtlinge Klarheit schaffen, damit wir zielgerichtet helfen können. Wir haben keine Zeit zu verlieren.
Dass wir mit der einvernehmlichen Änderung des Flüchtlingsaufnahmegesetzes klare finanzielle Bedingungen für unsere Kommunen geschaffen haben, erweist sich jetzt als gute Grundlage. Wir wissen, das wird voraussichtlich bei der größten Fluchtbewegung nach dem Krieg in Europa nicht ausreichen. Wir erkennen die Dimension der Lage. Wir sind uns mit der Landesregierung völlig einig, dass wir die vorhandenen Haushaltsmittel jederzeit in der notwendigen Höhe dem Bedarf entsprechend auffüllen werden. Wir lassen niemanden im Stich.
Die Landesregierung hat eigens einen Kabinettsausschuss eingerichtet, in dem sich die betreffenden Ressorts Familie und Flüchtlinge, Inneres, Wirtschaft, Soziales, Schule, Bau und Landwirtschaft über die Herausforderungen gemeinsam austauschen und Lösungen erarbeiten. Im MKFFI wurde extra der Sonderstab „Flucht Ukraine“ eingerichtet, mit dem die Maßnahmen des Ministeriums landesweit gesteuert und eng mit den Bezirksregierungen abgestimmt werden sollen.
Meine Damen und Herren,
wir erleben in diesem Tagen erneut den Wert von Freiheit und Sicherheit. Wir sehen, wie in der Ukraine unsere Werte einer offenen, freien und demokratischen Gesellschaft verteidigt werden.
Nordrhein-Westfalen steht zu seiner humanitären Verantwortung. Menschen, die vor Krieg, Tod und Vertreibung zu uns flüchten, sind hier bei uns willkommen.
Und auch wenn die Herausforderungen groß sind, werden wir als Gesellschaft – als Europäer, als Deutsche, als Nordrhein-Westfalen – beweisen, dass wir auch hier bestehen. Ich sage es mit den historischen Worten von Bundeskanzlerin Angela Merkel: Wir schaffen das!
Vielen Dank.
Empfehlen Sie uns!