Dr. Ralf Nolten zu TOP „Bevor kein Apfel mehr vom Stamm fällt – Streuobstwiesen in Nord-rhein-Westfalen endlich unter wirksamen Schutz stellen“

30.11.2023

Ein Apfel fällt vom Baum – ein SPD-Antrag in die Plenardebatte. Sind sie vom Baum der Erkenntnis?

Der hingehaltene Apfel trägt das süße Gift des einfachen Schutzstatus in sich: statt Erfas-sung der real existierenden Streuobstwiesen resp. -weiden und Stichtagsregelung a la NRW den gesetzlichen Biotopschutz nach Paragraph 30 Bundesnaturschutzgesetz.

Was bringt der NRW-Ansatz des Gebietsschutzes aus rot-grünen Zeiten, der nun – nach-dem über Jahre hinweg ein immenser Erfassungsaufwand betrieben worden  - mal eben beiseite gelegt werden soll?

Er ist ein Check des Erfolgs eines Gebietsschutzes, den NRW seit 40 Jahren durch die flä-chendeckende Landschaftsplanung mit der Ausweisung von Streuobstwiesen als „Ge-schützten Landschaftsbestandteilen“ betrieben hat.

Er bildet ab, welchen Erfolg die Förderprogramme zu ihrem Erhalt gehabt haben. Zunächst in einzelnen Kreisen und durch einzelne Initiativen konzipiert, gibt es seit 1990 in NRW ein entsprechendes Landesprogramm als Teil des Vertragsnaturschutzes und damit verbunden auch eine erste Kartierung der Flächen.

Die schnelle Lösung  - weg vom NRW-Ansatz, hin zur Bundesregelung – lässt das Kern-problem zurück: Wie definiere ich  eine „Streuobstwiese“? Das musste beim Biotopschutz in Hessen der Verwaltungsgerichtshofs klären: über 50 % hochstämmige Bäume, überwie-gend extensiv bewirtschaftet, Abstand der Bäume untereinander mindestens 8 m, regional-typische Sorten und über 1.000 m² zusammenhängende Fläche. Alles klar, Herr Grundei-gentümer?

Da ist der Gebietsschutz präziser: Geschützt ist das, was im Landschaftsplan oder per Ver-ordnung entsprechend erfasst und dargestellt ist.

Das Problem des Gebietsschutzes: über die Jahrzehnte der Laufzeit von Verordnungen und der Landschaftspläne ist mancher Bestand zusammengebrochen. Nachvollziehbar ist die zeitliche Verzögerung bei der Datenerfassung per Fernerkundungsdaten, Luftbildauswer-tungen und händischer APP-Erfassung.

Sie sind bei aktuellen Änderungen von Landschaftsplänen eine gute Grundlage. Sie ermög-lichen das Gespräch mit den Grundeigentümern über ihre Möglichkeiten des Obstwiesen-erhalts.

Der Gebietsschutz ist nicht schwächer – der Landschaftsplan tritt zwar hinter die Festset-zungen der Bauleitplanung zurück. Doch das ist bei den gesetzlich geschützten Biotopen nach Absatz 4 des Paragraphen 30 BNatSchG auch der Fall.

Egal wie ich die Steuobstwiese definiere hinsichtlich der Mindestgröße (500, 1000, 1.500 oder 2.500 Quadratmeter), der Anzahl von Obstbäumen, (mindestens 9 bis maximal 150 pro ha), ob nur Hoch- oder auch Halbstämme zählen: es braucht den Einzelnen, der zum Baumschnitt ansetzt.

Es braucht seinen oder ihren Idealismus, denn die Prämien für die Baumpflege sind reine Anerkennungsprämien, keine Aufwandsentschädigungen oder gar angemessene Entloh-nungen.

Ob ihnen mobile Saftpressen, regionale Vermarktungsinitiativen, Obstbaumwarte oder Baumspenden helfen – es spielt im letzten keine Rolle. Er oder sie schneidet die Bäume, mäht den Unterwuchs aus, pflanzt aus eigenem Antrieb.

Wenn aber jedweder Pflegeaufwand unterbleibt,  kann niemand den Obstwiesenbesitzer zwingen!

Bei einem Kulturbiotop mit gesetzlichem Schutz zu arbeiten, birgt die Gefahr, dass auf unbebauten Grundstücken in der Innenlage niemand mehr pflanzt aus Angst, das Baurecht könnte irgendwann genommen werden. Dafür gibt es vor Ort deutliche Hinweise. So kann der vermeintliche Segen zum  Fluch werden.

Friedrich Wilhelm I. hielt vor 300 Jahren die Landwirte per Dorfordnung an, jährlich ein Dutzend Obstbäume zu pflanzen, unter Androhung von Kerkerhaft bei Baumfrevel. 10 Jahre später kam er zur Erkenntnis: „Was ein Jahr gepflanzt wird, gehet das folgende wie-der aus.“

Staatliches Ordnungsrecht rettete die Obstwiesen noch nie. Nur mein, Ihr Engagement.

Ein Letztes: 60 km² Streuobstwiesen sollen ein – Zitat - “enormer Beitrag zum Erreichen des 30-Prozent-Zieles“ in einem über 34.000 km² großen Bundesland sein? Wer hat denn da gerechnet, Herr Schneider?

Fazit: Nein, vom Baum der Erkenntnis hat die SPD nicht genascht. Wurmstichige Uralt-konzepte und -debatten, zum Weglegen geeignet.

Vielen Dank!