Charlotte Quik zu TOP 4 "Stärkung der Jugendämter in Nordrhein-Westfalen – Maßnahmen gegen Überlastung und für besseren Kinderschutz"

30.01.2025

Sehr geehrte Frau Präsidentin / sehr geehrter Herr Präsident,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

„Kinder sind die mit den wenigsten Chancen, sich selbst zu schützen (…).

Ich finde es wichtig, dass es Menschen gibt, die ein Auge auf diese Kinder haben und versuchen zu helfen (…)“,

sagt eine Mitarbeiterin des Jugendamtes Gelsenkirchen am Ende des WDR-Berichtes, der dem vorliegenden Antrag zugrunde liegt.

Wie lange sie diesen Beruf noch gesund unter den aktuellen Bedingungen ausüben könne, wisse sie allerdings nicht – sagt sie weiter.

Die Dokumentation nimmt den Personalmangel im Bereich der Jugendämter in den Fokus und verdeutlicht, dass dieser leider ein bundesweites Problem ist und nicht nur in der NRW besteht.

Der nordrhein-westfälischen Landesregierung ist dieses Problem sehr bewusst: Sie hat mit dem Landeskinderschutzgesetz erste wichtige Schritte eingeleitet, um dieser Problemlage Maßnahmen entgegenzusetzen und die Jugendämter strukturell bei ihrer zentralen Aufgabe des Schutzes von Kindern und Jugendlichen bestmöglich zu unterstützen.

Die Schwächen in Fällen problematischer Kinderschutzverläufe haben zur Entmutigung geführt, diesen Beruf ergreifen oder dauerhaft ausführen zu wollen, so dass dieses Arbeitsfeld unattraktiv geworden ist. Dokumentationen wie die des WDR, die leider sehr einseitig berichten, tragen zur Verschlechterung der öffentlichen Wahrnehmung dieses Berufes zusätzlich bei. Der Fachkräftemangel betrifft alle gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Bereiche - ebenso alle Arbeitsfelder der Kinder- und Jugendhilfe betrifft und ist kein spezifisches Problem.

Der Beruf im ASD muss zukünftig deutlich attraktiver gemacht werden. Dem haben wir uns auch im KoaV verschrieben. Um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken, hat das Land Nordrhein-Westwalen in enger Abstimmung mit allen beteiligten Akteuren eine Fachkräfteoffensive für Sozial- und Erziehungsberufe initiiert.
Ein Zwischenbericht dieser Offensive wurde Mitte 2024 vorgelegt und damit eine umfassende Datenanalyse “Fachkräfte in der Kinder- und Jugendhilfe” speziell auf NRW zugeschnitten.
Darin werden nicht nur der Personalbestand und aktuelle Personallücken analysiert, sondern auch erwartbare Personalzugänge in ausgewählten Arbeitsfeldern der Kinder- und Jugendhilfe. Mit dieser validen Datengrundlagen wird allen Akteuren wichtiges Steuerungswissen bereitgestellt.
Auch durch eine Verzahnung von Praxis und Hochschulen sollen an drei Projektstandorten die Möglichkeit geschaffen werden, zukünftige Absolventen des Studienbereiches Soziale Arbeit durch zielgerichtete Vorbereitung und Begleitung als Personal für den ASD zu gewinnen.

Es ist wichtig, in dieser Debatte nicht alle Jugendämter unter Generalverdacht zu stellen. Viele leisten sehr gute Arbeit.
Und um ein einheitlich hohes Niveau und Qualität in den 186 Jugendämtern in diesem Land sicherzustellen, haben wir das bundesweit stärkste und modernste Kinderschutzgesetz verabschiedet. Es legt hohe Qualitätsstandards verbindlich fest und sieht mit den § 7-8 eine Qualitätsberatung und ein Qualitätsentwicklungsverfahren vor, um das höchstmögliche Maß an Qualität bei der Wahrnehmung der komplexen jugendamtlichen Aufgabe im Rahmen des Schutzauftrags gem. § 8a SGB VIII zu befördern, weiterzuentwickeln und die Arbeit der Jugendämter im Land zu unterstützen.
Dazu befinden wir uns aktuell in einer Pilotphase. Dieser Weg bietet die Möglichkeit, ein Konzept zur Umsetzung mit der Qualitätsentwicklung und -beratung und den damit verbundenen Aufgaben zu entwickeln und gleichzeitig zu erproben, um eine passgenaue Beratung und Qualitätsentwicklung für die heterogene Jugendamtslandschaft in NRW entwickeln sowie etablieren zu können.
Um den Prozess zu beschleunigen, sollen erste Ergebnisse bereits vor Ablauf der Pilotphase ausgewertet und umgesetzt werden.
Ergebnisse zur Strukturqualität verdeutlichen die belastende Personalsituation, ein unzureichendes Angebot und fehlende Kooperationen mit dem Gesundheitsbereich. Der Bedarf ist bereits erkannt.
Wissenschaftliche Partner der Landesregierung bestätigen aber auch, dass im Kinderschutz und in den Jugendämtern in NRW, die im Projekt QUEKpilot ein Qualitätsentwicklungsverfahren durchlaufen haben, vorwiegend qualifiziert gearbeitet wird, obwohl es diese großen Herausforderungen und Hindernisse in diesem Arbeitsfeld gibt.
69 Prozent der Fach- und Leitungskräfte bescheinigten nach Durchführung der ersten Pilotphase, dass dieses Qualitätsentwicklungsverfahren für das Jugendamt eine große Chance darstellte, ihre Arbeit im Minderschutz zu reflektieren. Die Akzeptanz ist auch auf Mitarbeiterseite sehr groß.

Natürlich sprechen wir in dem Zusammenhang auch darüber, wie wir die Arbeit der Jugendämter noch besser machen können, um am Ende das zu erreichen, was wir alle wollen: Den Kinderschutz weiter verbessern. Das ist eine riesige Aufgabe und ein ständiger Prozess, der gut begleitet und evaluiert sein will.
Dazu sind wir bereits kontinuierlich in Gesprächen.

Um der abnehmenden Zahl an freien Plätzen in Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe entgegenzuwirken, muss dringend ein bundesweites Melderegister geschaffen werden. Das MKJFGFI hat dem Bundesfamilienministerium gegenüber bereits mehrfach angeregt, eine Meldeplattform für freie Plätze auf den Weg zu bringen. Ein Melderegister, das nur die in NRW zur Verfügung stehende Plätze erfasst, wäre kontraproduktiv, weil es einzig anderen Bundesländern die Suche und Belegung eines Platzes in NRW erleichtern würde.
Nicht nur hier steht der Bund in der Verantwortung: Er muss auch die notwendige Infrastruktur maßgeblich finanzieren. Die Länder haben bisher vergeblich entsprechende Forderungen an den Bund gerichtet.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP,
wir haben uns gemeinsam(!) am Ende der vergangenen Legislaturperiode versprochen, das Landeskinderschutzgesetz weiterzuentwickeln. Der geplante und sich derzeit im parlamentarischen Verfahren befindliche Kinderschutzbeauftragte ist die erste große Erweiterung dessen. Viele Punkte wie das Qualitätsentwicklungsverfahren müssen erst noch wirken. Die entsprechenden Paragrafen traten schließlich erst Mitte 2023 in Kraft.
Die Resultate zeigen, dass das vorliegende Konzept zur Qualitätsentwicklungsverfahren von den teilnehmenden Jugendämtern akzeptiert wird. Das Verfahren kann damit in angepasster Form als dauerhaft umsetzbar angesehen werden.
Mit dem vorliegenden Antrag jetzt den Eindruck zu erwecken, es würde sich nichts tun und wir würden uns der Probleme nicht annehmen, ist unredlich, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP!
Sie hätten das besser wissen müssen.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit!

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