
Sehr geehrte Herr/Frau Präsiden(tin),
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
ich schwanke noch und kann mich kaum entscheiden. Ist der vorliegende Antrag der AfD-Fraktion ein populistischer Schnellschuss oder eine bewusste Sammlung von Vorurteilen, Widersprüchen und politischen Unterstellungen, mit dem perfiden Ziel zu diffamieren und den Spaltkeil tiefer in unsere Gesellschaft zu treiben?
Die AfD behauptet, sie wolle unsere Schülerinnen und Schüler vor islamistischem Einfluss schützen. Doch was sie stattdessen liefert, ist ein Antrag, der religiöse Praxis mit Extremismus gleichsetzt, der Vertrauen in Lehrkräfte untergräbt, und der nicht einmal im Ansatz den Unterschied zwischen Islam und Islamismus begreift – oder begreifen will.
Denn wer ernsthaft glaubt, man könne Extremismus bekämpfen, indem man Lehrkräfte pauschal unter Verdacht stellt, Fasten im Ramadan problematisiert und Schüler auf Schulhöfen kollektiv unter Verdacht stellt, der hat nicht nur bildungspolitisch den Kompass verloren, sondern spielt auch gesellschaftlich mit dem Feuer.
Was dieser Antrag suggeriert – und das ist brandgefährlich – ist ein direkter Zusammenhang zwischen Religionszugehörigkeit und Radikalisierung. Das ist nicht nur falsch, es ist unsäglich. Und das sage ich gerade auch als überzeugter Christ, der seinen Glauben zu Hause und in der Kirchengemeinde lebt.
Ja, islamistische Radikalisierung ist real. Und ja, sie ist ein Problem – nicht nur auf Pro-Palästinensischen Demonstrationen und Hinterhöfen, sondern auch im schulischen Umfeld. Der Islamismus gehört zusammen mit dem Rechtsextremismus zu den größten Gefahren für unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung!
Aber die Reaktion auf ein reales Problem darf niemals ein pauschalisierender Kulturkampf sein, der auf Angst, Vorurteilen und Misstrauen basiert. Die Antwort einer offenen und demokratischen Gesellschaft muss differenziert, strategisch und zielgerichtet sein – und genau das passiert in Nordrhein-Westfalen bereits heute.
Denn was die AfD in ihrem Antrag verschweigt:
Die Landesregierung handelt längst. Nach dem schrecklichen islamistischen Messerattentat in Solingen wurde mit dem Aktionsplan gegen Desinformation und Extremismus ein starkes, ressortübergreifendes Maßnahmenpaket auf den Weg gebracht, das genau dort ansetzt, wo extremistisches Gedankengut – ob religiös motiviert, rechts- oder linksextrem – seine Verbreitung findet: in digitalen Räumen, in Desinformationskampagnen und über soziale Medien. Der Aktionsplan reagiert konkret auf die veränderte Bedrohungslage und kombiniert Prävention, Bildung und Sicherheitsmaßnahmen.
Wir setzen auf Medienkompetenzförderung, etwa durch den DigitalCheckNRW oder den NewsCheckNRW, der gezielt pädagogisches Personal sensibilisiert. Mit technischen Tools wie KIVI zur Erkennung extremistischer Inhalte in unterschiedlichen Sprachen werden neue Standards gesetzt. Und mit Projekten wie Leons Identität erreichen wir über Gamification junge Menschen auf innovative Weise und sensibilisieren sie für extremistische Anwerbestrategien.
Parallel dazu stärken wir die schulische und außerschulische politische Bildungsarbeit und setzen auf die bewährten Aussteigerprogramme – und zwar für ALLE Formen des Extremismus. Mit „Spurwechsel“ wenden wir uns gezielt an Aussteiger aus dem rechtsextremen Milieu, mit „LEFT“ an Aussteiger aus dem linksextremen Umfeld und mit API bieten wir einen Ausstieg aus dem Islamismus und einen Weg zurück in die demokratische Gesellschaft und zwar in Kooperation mit den Sicherheitsbehörden und in Abstimmung mit Schulen.
Was der vorliegende Antrag der AfD völlig verkennt, ist: Nordrhein-Westfalen begegnet religiösem Extremismus längst mit differenzierten, wirksamen Maßnahmen – im Bildungsbereich, im Netz, in der politischen Bildung, in der Jugendhilfe und in der Sicherheitsarchitektur. Was wir nicht brauchen, ist ihre immer wiederkehrende pauschale Stigmatisierung.
Und auch im Präventionsbereich haben wir mit „Wegweiser – Stark ohne Islamismus“ ein anerkanntes und etabliertes Präventionsprogramm, das in Schulen, Jugendhilfeeinrichtungen und Familien arbeitet und auch niedrigschwellige, anonyme Onlineberatungsangebote für Jugendliche und Angehörige umfasst – und zwar nicht theoretisch, sondern konkret, tagtäglich, landesweit!
Mit der Systemberatung Extremismusprävention (SystEx) versetzen wir alle Schulämter in die Lage, rechtzeitig und wirksam auf Radikalisierungstendenzen zu reagieren – mit geschultem Personal, Fortbildungen und verbindlichen Eskalationsstufen.
Auch gibt es pädagogische Konzepte, die extremistische Onlinepropaganda adressieren – auch und gerade die Social-Media-Radikalisierung durch einschlägige Influencer in den Blick nehmen.
Und was macht die AfD-Fraktion? Sie problematisieren das Fasten, reihen Einzelfälle, Medienberichte und Mutmaßungen aneinander, verzichten auf Zahlen und Evidenz und unterschlagen die längst existierenden Handlungsspielräume der Schulen - von pädagogischen Maßnahmen bis hin zu Ordnungsmaßnahmen – gestützt durch Rechts- und Schulaufsicht. Was Sie machen, ist keine seriöse Politik. Was Sie machen, ist unseriös und verantwortungslos!
Und um es ganz deutlich zu sagen:
Nordrhein-Westfalen schützt seine Schüler.
Nordrhein-Westfalen bekämpft Islamismus – differenziert und rechtsstaatlich. Und Nordrhein-Westfalen steht zu einem Bildungssystem, das alle Kinder stark macht und schützt vor Radikalisierung aus ALLEN extremistischen Ecken und Löchern – und zwar von Linksaußen, Rechtsaußen und aus dem pseudoreligiösen Islamismus. Jeder Extremist ist Mist. An unseren Schulen haben radikale Ideen keinen Platz!
Und wenn Sie, die Herren und die Dame von der AfD, dem Bericht unseres Innenministers gelauscht hätten, dann wüssten Sie nun auch, dass wir ein wachsendes und besorgniserregendes Problem mit Rechtsextremismus haben. Unsere Demokratie braucht klare Kante – gegen jede Form von Extremismus. Aber sie braucht auch Augenmaß und Verantwortungsbewusstsein. All das lässt der AfD-Antrag vermissen.
Sie tragen nichts zur Problemlösung bei, sondern misstrauen, statt aufzuklären, und Sie verkennen die Realität an unseren Schulen.
Deshalb lehnen wir Ihren Antrag entschieden ab – im Namen unserer Schülerinnen und Schüler, im Namen unserer Lehrerinnen und Lehrer und im Namen einer Gesellschaft, die wehrhaft und klar gegenüber denjenigen ist, die ihr schaden wollen, aber offen und demokratisch bleibt und die eint, statt spaltet.
Vielen Dank.
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