
Sehr geehrter Herr Präsident,
(sehr geehrte Frau Präsidentin),
liebe Kolleginnen und Kollegen,
seit über 20 Jahren bin ich Ratsmitglied meiner Heimatstadt Rahden, einer 16.000 Einwohner-Kommune ganz oben in NRW im Kreis Minden-Lübbecke. Die schwerste Entscheidung, die ich in diesen 20 Jahren treffen musste, war, der Schließung unserer Hauptschule und der wirklich erfolgreichen Realschule zustimmen zu müssen. Was war geschehen? Die Hauptschule hatte so wenige Schüler, dass keine Zweizügigkeit mehr gewährleistet war. Und wir als die verantwortlichen Politikerinnen und Politiker mussten entscheiden, ob die Schülerinnen und Schüler aus Rahden zukünftig noch eine Hauptschule in ihrer Stadt vorfinden sollten. Wir sahen es als unsere Verantwortung an, allen Schülerinnen und Schülern einen wohnortnahen, für sie geeigneten Bildungsgang zu ermöglichen.
Für die Möglichkeit, die nun durch die 17. Änderung des Schulrechtsänderungsgesetzes geschaffen wird, wären wir alle dankbar gewesen, denn sie hätte in meiner Heimatstadt weiterhin ein dreigliedriges Schulsystem ermöglicht. Leider musste bei uns die Entscheidung getroffen werden, lange bevor die CDU wieder Verantwortung in unserem Land übernommen hat. Und uns blieb nur, beide Schulen zu schließen und eine Sekundarschule neu zu gründen.
Die Verstetigung der Hauptschulbildungsgänge ab Klasse 7 und die Möglichkeit eines genehmigten Hauptschulbildungsgangs ab Klasse 5 an Realschulen wird also, gerade im ländlichen Raum, eine wohnortnahe Beschulung aller Schülerinnen und Schüler möglich machen.
Diese Änderungen werden Kindern in NRW, die keine Hauptschule in zumutbarer Entfernung erreichen können, eine passende individuelle Schullaufbahn ermöglichen – und das nicht als Übergangsregelung wie bislang, sondern fest verankert im Schulgesetz. Das schafft Klarheit und Verlässlichkeit für Schulen und Schulträger, für Eltern, aber vor allem für die Schülerinnen und Schüler – und um die sollte es uns allen in erster Linie gehen.
Jetzt zeigen weder SPD noch FDP den Mut, durch einen Änderungsantrag eigene Akzente im Gesetzentwurf zu platzieren. Es gibt stattdessen Entschließungsanträge! Das lässt vermuten, dass Ihnen selbst im „Dunkel der Nacht“ wohl kein Licht aufgegangen ist, wie Sie Ihre Ideen rechtssicher umsetzen könnten.
Gespickt von Vermutungen und Unterstellungen gegen die Ministerin finden sich darin Behauptungen wie: Es gebe keinerlei strukturelle Verbesserungen für die Realschulen!
Dieser Behauptung stehen allerdings im aktuellen Haushalt 80 weitere Lehrerstellen für insgesamt 32 Realschulen entgegen. Aktuell haben 18 Realschulen einen Hauptschulgang ab Klasse 7 errichtet, von denen vier auslaufen. So können auf Grundlage der im Haushalt verankerten 80 Stellen bis zu 18 weitere Realschulen einen Hauptschulbildungsgang ab Klasse 7 einrichten und mit entsprechenden Stellen ausgestattet werden.
Und liebe Kolleginnen und Kollegen der Sozialdemokratie: Hätte die von Ihnen geführte Vor-Vor-Landesregierung mit den Sekundarschulen nicht das Prinzip der „Einheitsschule“ verfolgt und stattdessen starke Haupt- und Realschulen gefördert, dann müssten wir heute nicht über diese Änderungen reden. Schülerinnen und Schüler, unsere Kinder, sind nun einmal unterschiedlich. Den sozialistischen Einheitsmenschen gibt es nicht.
Wir stellen das dreigliedrige Schulsystem und unsere Hauptschulen nicht infrage – ganz im Gegenteil. Wir wollen aber den Schülerinnen und Schülern einen weiten Schulweg ersparen. Mit der vorliegenden Gesetzesänderung werden wir der Vielfalt unserer Kinder gerecht.
Und zum Verhalten der FDP, die diese Möglichkeit ja mit uns in der vergangenen Legislaturperiode erstmals geschaffen hat, fällt mir, auch bei Lichte betrachtet, eh nichts mehr ein.
Für uns ist diese Entscheidung des Ministeriums die angemessene Reaktion auf demografische Entwicklungen: Die gesetzliche Anpassung ist die angemessene, pragmatische Reaktion auf die Realität in den Kommunen, eben ohne ganze Schulformen auflösen zu müssen.
Bevor ich noch auf einige weitere Punkte eingehe, noch ein Wort zu Dyskalkulie und Lese-Rechtschreib-Schwäche, wozu uns ja nun ein gemeinsamer Entschließungsantrag von SPD und FDP vorliegt. Dieser ist ebenfalls gespickt mit falschen Behauptungen und Unterstellungen gegen Frau Ministerin.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, Sie sind alle bei der Anhörung dabei gewesen und Sie wissen doch aus vielen Diskussionen im Ausschuss, dass das Ministerium mit Hochdruck an einer rechtssicheren Lösung arbeitet. Tun Sie also nicht so, als würde sich hier nichts bewegen.
Weitere Punkte wie die Verlängerung des islamischen Religionsunterrichts, der ansonsten in diesem Sommer ohne Alternative ausgelaufen wäre, oder auch die Fortführung der aus dem Schulversuch PRIMUS hervorgegangenen Schulen (§ 132b) begrüßen wir ausdrücklich.
Ein Gedanke zum Schluss: Um einmal die Ehrlichkeit von SPD und FDP hier im Landtag zu verdeutlichen:
Beide Parteien behaupten in ihren Pressemitteilungen, die Landesregierung habe die 2. Lesung auf einen späten Abendtermin gelegt und die Ministerin verstecke sich „im Schatten der Nacht“. Was gaukeln Sie den Bürgerinnen und Bürgern in NRW eigentlich vor? Die Tagesordnung für Plenarsitzungen wird in NRW weder von der Landesregierung noch von den Ministerien verabschiedet, sondern vom Ältestenrat unter Beteiligung von SPD und FDP. Aus welchen Gründen auch immer belügen Sie hier bewusst die Öffentlichkeit, obwohl Sie selbst es durch Ihre Abstimmung in der Hand hatten. Sie sollten sich dafür schämen!
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