Andrea Stullich zu TOP 2 „Digitale Souveränität sichern – das Internet befreien, Medienvielfalt schützen!“

05.06.2025

Sehr geehrter Herr Präsident,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

seit den 2010er Jahren wird der Begriff „Digitale Souveränität“ benutzt. In autoritär geführten Staaten bedeutet er meist eine Form staatlicher  Informationskontrolle und soll Abschottung rechtfertigen.
In demokratischen Staaten ist digitale Souveränität eng verbunden mit Werten wie Datenschutz, Rechtsstaatlichkeit, offenen Standards und Wettbewerb. Es geht darum, im digitalen Raum unabhängig und selbstbestimmt handeln zu können und dabei die Kontrolle über Daten, Technologien und Infrastrukturen zu behalten.
Der vorliegende Antrag skizziert zutreffend, wie die großen Tech-Konzerne den öffentlichen Diskurs verzerren – durch intransparente Algorithmen, ihre monopol-ähnliche Marktmacht und den Versuch politischer Einflussnahme.
Aber in der Folge geht in Ihrem Antrag doch einiges an der Realität vorbei: Sie schreiben – Zitat:
„NRW darf (…) nicht nur zuschauen – es hat die Verantwortung und die Möglichkeit, eine führende Rolle für die digitale Souveränität einzunehmen.“ Sie fordern, NRW müsse „Vorreiter“ werden.
Warum stellen Sie sich so ahnungslos? Sie wissen doch so gut wie ich:
Unser Land geht längst voran – als Heimat zentraler Medien-Akteure,   als Forschungsstandort und als Innovationstreiber vor allem für das Thema KI.
NRW ist Vorbild im Länderkreis und Vorreiter in Europa!
Nur ein paar Beispiele:
Mit dem Aktionsplan gegen Desinformation, den Medienminister Liminski im Februar veröffentlicht hat, wird ein systematischer Ansatz verfolgt, um Desinformation zu bekämpfen, Medienkompetenz zu stärken und die Widerstandskraft unserer Gesellschaft gegen Demokratiefeinde zu erhöhen.
Darin werden einige der Maßnahmen, die Sie in Ihrem Antrag fordern, bereits konkret benannt:
Beispielsweise wird der DigitalcheckNRW weiter ausgebaut – das ist die Plattform, auf der man seine persönlichen digitalen Fähigkeiten testen und verbessern kann.
Das Online-Fortbildungsangebot für Lehrkräfte, der NewscheckNRW, wird um ein neues Modul zu TikTok erweitert. Außerdem werden Praxistrainings zu Themen wie Islamismus-Prävention, Desinformation und Demokratiestärkung angeboten.
Der Medienhaushalt ist um zusätzliche Mittel aufgestockt worden, mit denen Spiele-Entwickler sogenannte Serious Games entwickeln können. Sie helfen mit, der Radikalisierung von Jugendlichen vorzubeugen.
Ein wesentlicher Bestandteil des Aktionsplans ist auch die effektivere Rechtsdurchsetzung, unter anderem mit Hilfe des KI-gestützten Systems KIVI, das die Landesmedienanstalt NRW so erfolgreich entwickelt hat.
Es identifiziert rechtswidrige Inhalte im Netz und wird aktuell in englisch und arabisch trainiert, um noch wirksamer zu werden.
Mittlerweise ist KIVI – made in NRW – deutschlandweit im Einsatz und wird auch in unseren Nachbarländern nachgefragt, um gegen Verstöße gegen die Menschenwürde, gegen Gewaltdarstellungen und gegen jugendgefährdende Inhalte vorzugehen.
Leider unterbinden Facebook und Instagram aktiv den Einsatz von KIVI durch die LfM und schieben dafür datenschutzrechtliche Bedenken vor. Deshalb müssen diese Plattformen weiterhin manuell beaufsichtigt werden. In Ihrem Antrag weisen Sie zurecht auf dieses Problem hin.
Natürlich muss es für die Aufsichtsbehörden auf EU-Ebene in Zukunft möglich sein, Internetangebote mit KI-Anwendungen nach strafbaren Inhalten zu durchsuchen, auch ohne die Zustimmung der Anbieter.
Bei der Vorstellung des Aktionsplans hat Minister Liminski deshalb deutlich gemacht, dass die internationalen Plattformen konsequent in die Pflicht genommen werden müssen. Wer in Europa Geschäfte machen will, muss sich an europäisches Recht halten. Auch die großen US-Tech-Konzerne.
Den zentralen Rahmen dafür setzt EU-weit seit zwei Jahren unter anderem der Digital Services Act, DSA. Auf Initiative von Nordrhein-Westfalen hat die Europaministerkonferenz der Länder bereits im vergangenen November der EU-Kommission den gemeinsamen Beschluss übermittelt, den DSA weiterzuentwickeln.
Er soll um ein Verbot manipulativer Verbreitungstechniken ergänzt werden. Dazu zählen gekaufte Reichweite und gefälschte Accounts, aber vor allem auch Algorithmen, die bewusst entwickelt worden sind, um diskriminierende oder demokratieschädliche Inhalte zu verbreiten.
Ja, europaweite rechtssichere Maßnahmen sind langwierig und kompliziert.
Umso wichtiger ist es, dass die Expertise aus NRW in Brüssel eine zentrale Rolle spielt – über Minister Liminski und im Gremium der europäischen Medienaufsichten, der ERGA, über LfM-Direktor Tobias Schmid.
Gerade erst hat die EU-Kommission Verfahren gegen vier reichweitenstarke Porno-Plattformen wegen systematischer Verstöße gegen den DSA eingeleitet. Wegbereiter war auch hier Nordrhein-Westfalen. Das ist eine Bestätigung dafür, wie Regulierung auf unterschiedlichen Ebenen erfolgreich zusammenspielen kann.
Deshalb begrüßen wir es auch, dass die neue Bundesregierung eine Digitalabgabe für große Tech-Konzerne plant. Diese Abgabe soll den Wettbewerb beleben und die Medienvielfalt fördern – sie soll also genau das tun, was Sie in Ihrem Antrag fordern.
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
digitale Souveränität ist Voraussetzung für Meinungsfreiheit, Demokratie und Medienvielfalt. Die Herausforderungen im digitalen Raum sind komplex, wenn wir die Regeln nicht den großen Tech-Konzernen überlassen, sondern selbst demokratisch gestalten wollen. Das erfordert koordinierte Maßnahmen auf Landes-, Bundes- und EU-Ebene.
Dafür setzt Nordrhein-Westfalen Maßstäbe und gestaltet wesentlich mit, wie faire Regulierung in Europa konkret umgesetzt wird – mit klaren Regeln für Algorithmen, Transparenzpflichten und härtere Eingriffe bei rechtswidrigen Inhalten.
Nordrhein-Westfalen handelt – klar, konsequent und europäisch.
Leider bleibt der Antrag der SPD weit hinter aktuellen Entwicklungen zurück, die aus Nordrhein-Westfalen heraus angestoßen wurden.
Aber eine wichtige Feststellung aus Ihrem Antrag möchte ich doch noch unterstreichen, weil ich mich freue, dass diese Erkenntnis auch bei Ihnen angekommen ist – Zitat:
„Nordrhein-Westfalen ist Medienstandort Nummer Eins in Deutschland.“
So ist es und so bleibt es.
Vielen Dank.

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