Sehr geehrte/r Frau / Herr Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
der Grund der heutigen aktuellen Stunde ich die Vorstellung einer Studie zur Entwicklung der Kinder- und Jugenddelinquenz in Nordrhein-Westfalen. Diese wurde im Innenausschuss durch den Innenminister sowie von Frau Dr. Meyer aus dem LKA und Herrn Prof. Dr. Kroneberg von der Universität zu Köln in der letzten Woche vorgestellt. Auch wenn wir uns im Ausschuss darauf verständigt hatten, dass wir uns mit dieser Studie erst eingehend beschäftigen, um sie dann in der nächsten Innenausschusssitzung zu diskutieren, ist es aber auch richtig und wichtig, dass wir uns alle hier im Parlament mit diesen Erkenntnissen beschäftigen. So geben Sie mir die Gelegenheit, einige Ihrer Missverständnisse vorab zu klären, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von FDP und AfD, bevor wir die Ausschusssitzungen mit so einer reinen Aufklärungsarbeit belasten.
Uns sollte allen klar sein: Das Problem der Kinder- und Jugenddelinquenz kann nicht allein mit polizeilichen Mitteln gelöst werden.
Ausgangspunkt dieser umfassenden Studie zum Hell- und Dunkelfeld ist ein Antrag von CDU und Bündnis 90/Die Grünen. Wir sind damit in Nordrhein-Westfalen neben Niedersachen und Brandenburg das einzige Bundesland, welches sich mit einer solchen Studie so eingehen mit Kinder- und Jugenddelinquenz beschäftigt.
Um gezielt Maßnahmen durchführen zu können, ist es wichtig, Zahlen und Fakten im Hell- und Dunkelfeld zu kennen. Die Studie hat zu einen gezeigt, dass sich Entwicklungen in der PKS, also im Hellfeld, auch bei den Befragungen der entsprechenden Altersklassen bestätigt haben, z.B. dass die Gewaltkriminalität ansteigt oder auch die Zahl der weiblichen Tatverdächtigen. Gerade im Bereich der Eigentumskriminalität zeigt sich ein gegenteiliges Bild. Hierfür werden in der Studie auch Erklärungen wie geänderte Kassensysteme und weniger Kontrolle in den Geschäften genannt, also es werden weniger Taten erfasst.
Aus der eigenen kriminalpolizeilichen Erfahrung weiß ich, dass es gerade im Bereich der Kinder- und Jugendkriminalität immer wieder Wellenbewegungen gegeben hat. In der Vorbereitung auf diese Rede ist mir in meinem damaligen Kriminologielehrbuch ein Artikel aus der Welt vom 18. August 1996 in die Hände gefallen mit dem Titel (ich zitiere mit Erlaubnis des Präsidenten) „Jugendkriminalität: in kurzer Zeit eine Explosion der Gewalt“. Darin sprach der damalige Innenminister Kniola von einem besorgniserregenden Trend, dem mit allen gesellschaftlichen Mitteln entgegengewirkt werden müsse. Damals waren im Jahr 1995 29,1 % aller Tatverdächtigen unter 21 Jahre. Ausweislich der PKS belief sich dieser Anteil im Jahr 2024 bei 20,3 %. Leider spürte man damals bei der Polizei keine spürbaren Maßnahmen gegen die Jugendkriminalität.
Dies soll in keinster Weise das aktuelle Problem relativieren, sondern aufzeigen, dass die Kinder- und Jugendkriminalität immer mal wieder im Fokus der Politik stand. Wir dürfen sie aber auch dann nicht aus dem Fokus verlieren, wenn die nackten Zahlen auch wieder nach unten gehen, - nein wir müssen nachhaltige Lösungen finden. Und genau das versuchen wir in Nordrhein-Westfalen. Denn jede Tat, gerade im Bereich der Gewaltkriminalität, ist eine enorme Belastung für das jeweilige Opfer, aber auch ein Problem für die Täterin oder den Täter.
Die Studie hilft, hier gezielter Maßnahmen zu ergreifen. Dies gilt insbesondere für den Präventionsbereich und für alle, die sich über die Polizei hinaus mit Kindern und Jugendlichen beschäftigten. Von solchen Maßnahmen, die statt einer erhöhter Repression am Kern der Sache anpacken, war in den 90ern noch nicht zu denken.
Mein Kollege Gregor Golland hat im Bereich der Polizei das erfolgreiche Konzept „Kurve Kriegen“ angesprochen. Daneben ermöglicht das Intensivtäterkonzept das frühzeitig Erkennen dieser Täter und eine Verhinderung weiterer Eskalation und unterstützt bei der sozialen Integration.
Zu nennen ist hier darüber hinaus das „Haus des Jugendrechts“, in dem Polizei, Jugendhilfe und Jugendgerichtshilfe sowie Staatsanwaltschaft zusammenarbeiten. Dabei kommt es oft gar nicht darauf an, dass diese in einem Haus zusammensitzen, sondern umso mehr auf die Zusammenarbeit zwischen diesen Stellen.
Die Studie hat auch gezeigt, dass von einem zunehmenden Anteil der Kinder und Jugendlichen die Begehung von Straftaten als nicht falsch angesehen werden und die Akzeptanz für Straftaten steigt. Hier setzt das Projekt von Schul- und Innenministerium „miteinander.stark.sicher – gemeinsam für eine gewaltfreie Schule“ an.
Die Studie zeigt aber auch den massiven Anstieg von Straftaten im Bereich der Jahrgangsstufe 7 und damit in einer Altersklasse, die überwiegend nicht im strafmündigen Alter ist. Das Jugendstrafrecht kennt neben einer Haftstrafe, die zurecht hier das letzte Mittel ist, viele gute Maßnahmen, die bereits viele Jugendliche von einer kriminellen Karriere abgebracht haben und neben der Strafe den präventiven Gedanken verfolgen. Wir sollten daher wie auch von meinem Kollegen Gregor Golland angesprochen, offen darüber diskutieren, ob die Altersgrenze der Strafmündigkeit auch im Lichte dieser Studie noch angemessen ist und gerade die präventiven Werkzeuge des Jugendstrafrechts hier sinnvoll sein könnten.
Wir alle wissen, dass dies keine Entscheidung unseres Landtages ist und damit an anderer Stelle entschieden werden muss.
Auch entbindet uns diese nicht von der Pflicht, uns weiter mit diesem Thema intensiv zu beschäftigten, wie bereits angesprochen nicht nur dann, wenn die Zahlen steigen.
Die aktuellen Maßnahmen der Landesregierung zeigen, dass dieses Problem mit verschiedenen Maßnahmen ernsthaft angegangen wird und dass man wie jetzt durch solche Studien diese und neue Maßnahmen faktenbasiert prüft.
Ich wünsche uns noch gute und fruchtbare Beratungen in diesen Plenartagen.

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