André Kuper MdL, stellv. Fraktionsvorsitzender der CDU-Landtagsfraktion
Wider besseren Wissens hält die Landesregierung weiterhin an unrealistisch niedrigen Flüchtlingszahlen fest. Die Dynamik der Zuweisungen bleibt weiterhin völlig unberücksichtigt – Ab-sichtserklärungen des Landes geben den Städten und Gemeinden aber keine Planungssicherheit. Folgen: offensichtlich ungerechte Verteilung der Flüchtlingsmittel durch die „veraltete“ Systematik des Flüchtlingsaufnahmegesetzes aufgrund der Anrechnung von Flüchtlingen in Landeseinrichtungen und massive interkommunale Verwerfungen. Das Land wälzt das finanzielle Risiko der Flüchtlingsaufnahme auf Kommunen ab: Vor allem für finanzschwache Kommunen stellen die Flüchtlingskosten ein existenzielles Problem dar. Parteiübergreifender Protest der Bürgermeister gegen extrem ungerechte und unzureichende Kostenerstattung kommunaler Flüchtlingskosten. Städte und Gemeinden können sich nach 2015 ein weiteres „Übergangsjahr“ nicht leisten – akuter Handlungsbedarf und sofortige Kurskorrektur notwendig.
Nur eine „nachgelagerte Spitzabrechnung“ der kommunalen Flüchtlingskos-ten mit einer Vorauszahlung auf Basis aktueller Zahlen gewährleistet, dass Städte und Gemeinden nicht auf den Kosten der Unterbringung und Versor-gung sitzen bleiben. I. Auszahlung im 1. Quartal 2016 noch mit „alter“ Pauschale Ende Februar verschickten die Bezirksregierungen die Bescheide über die Zuwei-sung der Flüchtlingspauschale für das 1.Quartal 2016. Diese beruhen aber noch nicht auf der Pauschale von 10.000 Euro, der Basis der Vereinbarung der Kommunen mit dem Land, sondern sehen für das erste Quartal vor, dass weiterhin gemäß „altem“ Flüchtlingsaufnahmegesetz 2016 eine Pauschale für 180.000 Flüchtlinge á 7.578 Euro gezahlt wird. Die Auszahlung auf Basis des alten Gesetzes verschärft die Situation für die Kom-munen, die die erhöhten Aufwendungen mit Kassenkrediten vorfinanzieren müs-sen. Dabei liegt die Vereinbarung über die Erhöhung der Pauschale auf 10.000 Euro bereits seit dem 16.12.2015 vor – das Gesetz aber wurde von der Landesregierung erst am 2. März eingebracht.
Zudem nutzt die Landesregierung auch nicht die rechtlichen Möglichkeiten aus, bereits jetzt die erhöhten Pauschalen auszuzahlen: Wenn die Haushaltsermächti-gung – durch den Haushalt 2016 – gegeben ist, kann in Verbindung mit einem Ka-binettsbeschluss über das geänderte Gesetz eine vorläufige erhöhte Zahlung erfolgen. Landesregierung agiert zu spät – Flüchtlingsaufnahmegesetz hätte schon verabschiedet sein können erhöhte Zahlung hätte unter Vorbehalt gewährt werden können Land verschärft so unnötig die finanzielle Situation vor Ort II. Weiter bestehende ungerechte Verteilung von Flüchtlingen Eine Auflistung der Bezirksregierung Arnsberg (Nov. 2015) offenbarte, dass sich die tatsächliche Zuweisung von Asylbewerbern an Kommunen nicht an den gesetzli-chen Quoten orientierte. So wurden z.B. der Stadt Duisburg nur rund 60% der ge-setzlich vorgesehenen Anzahl an Flüchtlingen zugewiesen. 22 Kommunen hatten ihren gesetzlichen Zuweisungsschlüssel um mehr als 5 Prozent nicht erfüllt! Dies entspricht einem Anteil von insgesamt 24.778 Asylbewerbern, mit einer finanziellen Auswirkung von 250 Mio. Euro.
Seitdem ist keine neue Verteilstatistik mehr veröffentlich worden. Der Innenminister erklärte allerdings, dass sechs Kommunen ihr Soll noch immer nicht erfüllt haben: Köln, Düsseldorf, Duisburg. Essen, Dortmund, Krefeld Aber: Seitdem Zuweisungen nur noch an Kommunen erfolgen, die ihr Soll nicht erfüllt haben, wurden lediglich 12.000 Asylbewerber den Kommunen zugewiesen, obwohl eine Differenz von 25.000 Flüchtlingen bestand. Landesregierung muss volle Transparenz für die Kommunen schaffen, ob das gesetzliche Soll bei der Flüchtlingsaufnahme erfüllt ist oder nicht seit einem Monat unbeantworteter Fragenkatalog des Innenministeriums Innenministerium muss sicherstellen, dass der gesetzliche Schlüssel zu 100 Prozent von allen Kommunen erfüllt wird Einhaltung des Gesetzes ist erste Voraussetzung für interkommunale Ge-rechtigkeit III. FlüAG-Gesetzentwurf auf Basis völlig veralteter Zahlen – dringende Anpassung notwendig Im FlüAG wird weiterhin mit der Prognose von 181.134 Flüchtlingen gerechnet, obwohl – laut Verteilerstatistik der Bezirksregierung Arnsberg – bereits 215.000 Flücht-linge in den Kommunen in Nordrhein-Westfalen leben.
Die Landesregierung sieht eine Anpassung der Zahlen vor, aber erst mit Kassenwirksamkeit im Dezember 2016. Die Menschen sind aber jetzt vor Ort zu versorgen und unterzubringen und verursachen Kosten für die Kommunen. Eine Anpassung im jetzigen Nachtrags-haushalt wäre notwendig und auch möglich. Der 10-Prozent-Anrechnungserlass von Minister Jäger bietet den Kommunen nur eine Scheinlösung. Den Worten des Ministers sind bislang noch keine Taten ge-folgt. Die Zusage ist auch nicht mit Finanzmitteln im später eingebrachten Nach-tragshaushalt 2016 hinterlegt. Zudem bleibt – angesichts der Flüchtlingszahlen – ein 10-Prozent-Aufschlag weit hinter dem zurück, was tatsächlich notwendig wäre. Daneben sieht der Gesetzentwurf zur Änderung des Flüchtlingsaufnahmegesetzes zwar die erstmalige, von der CDU-Fraktion bereits lange geforderte Einbeziehung sog. geduldeter Flüchtlinge vor.
Allerdings wird hier nicht einmal eine aktuelle Zahl verwendet, sondern die Anzahl der „Geduldeten“ zum Stand 31.12.2014 – mithin 13.620 Personen. Das Land wird in Bezug auf diese Zahl der Geduldeten keine Aktualisierung oder Anpassung im FlüAG vornehmen. Gesetzentwurf FlüAG - § 4 Absatz 4 : „(4) Für das Jahr 2016 stellt das Land den Kommunen für den Personenkreis … auf Grundlage der Asylbewerberleistungsstatistik zum Stichtag 31. Dezember 2014 Fi-nanzmittel in Höhe von 136,2 Millionen Euro zur Verfügung.“ Nach Angaben des Ausländerzentralregisters lebten zum 31.12.2015 aber bereits 43.050 Menschen mit einer Duldung in Nordrhein-Westfalen.
Das sind 29.230 Personen mehr – mit einer finanziellen Auswirkung von 294.300.000 Euro! Erhöhung der Flüchtlingspauschale um 350 Mio. Euro muss noch im jetzi-gen Gesetzgebungsverfahren erfolgen– für die 35.000 Flüchtlinge, die nicht erst im Dezember hier sind, sondern bereits heute! Landesregierung muss Aktualisierung der Anzahl der Geduldeten vorneh-men und darf hier nicht bewusst hinter der Realität zurückbleiben Dynamik in den Flüchtlingszahlen darf nicht ausschließlich zu Lasten der Kommunen gehen aktuell positive Steuerprognosen geben den Spielraum hierfür IV. Extreme Ungerechtigkeit durch Anrechnung von Landesunterkünften Durch das Versäumnis, eine ausreichende Anzahl von eigenen Landesunterkünften zu schaffen, musste die Landesregierung entsprechende Plätze bei den Kom-munen einfordern (zum Teil per Ordnungsverfügung im Wege der Amtshilfe). Bei der Organisation dieser Flüchtlingsaufnahmeplätze war es folgerichtig, für die Kommunen, die auf ihrem Gemeindegebiet bereits eine Unterkunft für das Land betreiben, eine Kompensation zu schaffen.
Das geschah durch die Anrechnung der Kapazitäten auf die Anzahl der in die Kommune zuzuweisenden Flüchtlinge. Außerdem werden die Kosten der Unterkunft vollständig durch das Land gezahlt, wodurch sich die Kommune eigene Kosten spart. Für Flüchtlinge in EAEs, ZUEs und Notunterkünften werden zudem keine KITA- oder Schulplätze benötigt. Auch erhalten Städte und Gemeinden zusätzlich mögliche Schlüsselzuweisungen für Flüchtlinge als Einwohner. Aktuell aber werden bei der Zuweisung Kapazitäten von 86.000 Landesplätzen (Stand 31.12.2015) zu Lasten der anderen Kommunen ohne Landeseinrichtungen berücksichtigt. Diese Anrechnung wurde im vergangenen Jahr verstärkt und soll nun durch die Anrechnung von Registrierungsstraßen noch weiter ausgebaut wer-den.
Dies hat nicht nur Auswirkungen auf die Anzahl der zugewiesenen Flüchtlin-ge, sondern auch unmittelbar eine finanzielle Komponente für alle Kommunen: Die Flüchtlingspauschale des Landes für Unterbringung und Sozialleistungen für Flüchtlinge beträgt – theoretisch – 10.000 Euro pro Jahr und Flüchtling. Aber dieses Geld wird eben nicht pro tatsächlich aufgenommenem Flüchtling bezahlt, sondern unabhängig davon pauschal nach der Einwohnerzahl. • Das FlüAG verteilt die Pauschalen nicht nach Flüchtlingen, sondern nach ei-nem gesetzlichen Schlüssel (90 Prozent nach Einwohnern, 10 Prozent nach Fläche). • Die Folge ist, dass auch Kommunen, denen gar keine Flüchtlinge mehr kom-munal zugewiesen werden, Pauschalen für Flüchtlinge erhalten, weil eine Lan-deseinrichtung vor Ort besteht. Dies obwohl der Kommune keine direkten Kos-ten dafür entstehen. • Besonders die Kommunen, in denen das Land große Einrichtungen für die Erstaufnahme von Flüchtlingen unterhält, profitieren von der derzeitigen Praxis. Neben der vollen Übernahme der Kosten für Landesunterkünfte werden die Menschen in der Erstaufnahme auf die Flüchtlings-Quoten angerechnet und sorgen letztlich dafür, dass Kommunen mit Landeseinrichtungen finanziell enorm von diesem System profitieren. Die Städte selbst müssen dann nur noch eine geringere Anzahl an Flüchtlingen mit Wohnungen, Sozialleistungen und ärztlicher Versorgung betreuen.
Trotzdem bleibt es beim ursprünglich errechneten Landeszuschuss. In Folge kommt es quasi zu einem Vorwegabzug für die Landesunterkünfte und einer massiven interkommunalen Verwerfung (86.000 x. 10.000 €, rd. 860 Mio.) Finanzielle Folgen der Anrechnung: Das FlüAG sieht Zahlungen für 181.134 Asylbewerber vor (x 10.000 Euro). Verteilt wird die Summe aber durch die Anrechnung der Landesunterkünfte auf rund 260.000 Flüchtlinge – pauschal auf die Kommunen anhand des ge-setzlichen Zuweisungsschlüssels. Da letztlich nicht nur für kommunale zugewiesene, sondern zusätzlich auch für Flüchtlinge in Landeseinrichtungen gezahlt wird, müsste das FLüAG ei-gentlich um die Summe der angerechneten Landesplätze (x 10.000 Euro) aufgestockt werden, um weiterhin eine reale Flüchtlingspauschale von 10.000 Euro zu erreichen. Letztlich würde selbst eine Anpassung an die aktuellen Flüchtlingszahlen – bei der Beibehaltung der Systematik des FlüAG – die Pauschalerstattung je Flüchtling bei nur noch 7.300 Euro liegen. Die Systematik der Anrechnung von Landesunterkünften und das Festhal-ten an der Pauschalerstattung ohne Bezug zu den realen Flüchtlingszahlen sorgt für extreme Verwerfungen. Einige Kommunen erhalten rd. 100.000 Eu-ro für kommunal zugewiesene Flüchtlinge, während andere Kommunen zum Teil nicht einmal 6.000 Euro erhalten.
System des FlüAGs führt zu extremen Ungerechtigkeiten – maximale Ver-werfungen durch Anrechnungspraxis Fehler liegt beim Land und der landesrechtlichen Ausgestaltung der Erstat-tung kommunaler Flüchtlingskosten dieser Ungerechtigkeit setzt der Innenminister die Krone auf, wenn er sagt, dass diese Bevorzugung „auch ein Stück weit gewollt ist“ eigentlicher Sinn der Flüchtlingspauschale, für kommunal zu versorgende Flüchtlinge einen finanziellen Ausgleich zu schaffen, wird konterkariert V. Empörung der Kommunen landesweit und parteiübergreifend • Schreiben der Fraktionsvorsitzenden der SPD-Ruhr an die Ministerpräsidentin und den Innenminister vom 1. März 2016: „Unter den aktuellen Voraussetzungen drohen erhebliche Deckungslücken in den kommunalen Haushalten und damit verbundene Einschnitte in die Daseinsvor-sorge, die die Bürgerinnen und Bürger direkt belasten würden.“ Schreiben des Aktionsbündnis „Für die Würde unserer Städte“ an die Minister-präsidentin: „Die…berücksichtigte Anzahl an Flüchtlingen …entspricht nachweislich nicht der Realität“ o „Nach wie vor deckt eine Jahrespauschale von 10.000 Euro nur einen Teil der Kosten“. Bürgermeister der Stadt Emsdetten (Stadt Emsdetten prüft Klage): „Integration kostet Geld, und da darf das Land die Kommunen nicht im Regen stehen lassen.“ Schreiben der Bürgermeister und Kämmerer des Rhein-Sieg-Kreises an den Innenminister:
„Diese Systematik führt zu Verwerfungen und offensichtlichen Ungerechtigkeiten bei der Verteilung der Mittel“ VI. CDU fordert sofortige Kurskorrektur für eine gerechte Flüchtlingskosten-erstattung (Drucksache 16/11228) Aufgrund der mangelnden Auskömmlichkeit der Flüchtlingspauschale durch die Abkopplung der Pauschalerstattung von der tatsächlichen Zuweisung von Flücht-lingen muss bereits in diesem Jahr eine Abkehr vom bisherigen Pauschalsystem nach dem FlüAG vorgenommen werden: Übernahme aller notwendigen kommunalen Flüchtlingskosten System der Flüchtlingspauschale durch eine nachlaufende Spitzabrechnung ersetzen besondere Belastungen aus dem Betrieb einer Einrichtung des Landes ist durch eine gesonderte Pauschale auszugleichen
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