Tatsächliche Bedarfslage der Eltern in NRW ermitteln, um passgenaue Betreuungsmodelle in der frühkindlichen Bildung zu entwickeln

29.11.2017
Raphael Tigges MdL zu TOP 3

Sehr geehrter Herr Präsident!/Frau Präsidentin
Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Die SPD legt uns heute hier einen Antrag zur Beschlussfassung vor, über den man sich eigentlich nur wundern kann. Ich weiß nicht wie Sie, liebe Kollegen von der SPD, Oppositionsarbeit verstehen, aber anstatt mit uns aktiv an Lösungsansätzen zu arbeiten, schreiben Sie den Koalitionsvertrag der NRW-Koalition ab und fordern das, was schon längst angegangen wird.

Es kann doch nur ein schlechter Scherz sein, wenn gerade Sie uns mit diesem Antrag auffordern, zeitnah - ich wiederhole „zeitnah“ - ein Gesetz für die frühkindliche Bildung vorzulegen. Das haben Sie in den letzten sieben Jahren Ihrer Regierungs-zeit nicht geschafft. Nicht mal ein Eckpunktepapier, wie so ein Gesetz aussehen könnte, war im Ministerium zu finden, als Minister Stamp es übernommen hat.

Jetzt wollen Sie am besten schon gestern „eine exakte Kenntnis über die tatsächlichen Bedarfe der Eltern“ und „passgenaue, finanzierbare Lösungen“ erarbeitet und erhoben wissen.

Eine verlässliche und verantwortungsbewusste Politik sieht anders aus!

Sie werden im Ausschuss sicherlich mitbekommen haben, dass der Minister in seiner Zielsetzung für diese Legislaturperiode die Neuauflage des Kibiz-Gesetzes zu einem zentralen Thema gemacht hat.

Haben Sie auch vergessen, dass die NRW-Koalition als eine der ersten Amtshandlungen ein Gesetz zur Trägerrettung diesem Haus vorgelegt hat und nun eine halbe Milliarde Euro für die nächsten zwei Jahre den Einrichtungen mehr zur Verfügung stehen?

Haben Sie nicht die durchweg positiven Rückmeldungen und das Aufatmen der Träger vernommen?

Wir wollen eine dauerhaft auskömmliche Finanzierung der Einrichtungen und wir wollen in einem weiteren Schritt die Qualität der Kinderbetreuung in Personal, Ausstattung und Flexibilität verbessern.

Uns geht es aber dabei um Gründlichkeit vor Schnelligkeit!

Anstatt planlos in einem Schnellschuss landesweit Daten zu erheben, sollten wir zunächst mal schauen, welche Daten und Erkenntnisse bereits vorhanden sind.

Viele Kommunen vor Ort erheben bereits die Betreuungsbedarfe - auch für die Randzeiten –. Und auch die Träger können die Nachfragesituation bereits heute gut einschätzen.

Mir wird aus Ihrem Antrag auch nicht klar, ob sie dann jedes Jahr von hier aus die Daten erheben möchten, da sich ja nun mal Betreuungsbedarfe ständig verändern können.

Was wir aber brauchen, ist ein dauerhaft belastbares Gesetz!

Für uns spielt daher auch die Überlegung eine Rolle, ob die Kindertagespflege nicht aufgewertet und mehr gefördert wer-den müsste, um spezielle Betreuungsbedarfe abdecken zu können.

Noch kurz zu Ihren Theorien in der Beschreibung der Ausgangslage: Sie behaupten, dass sich zukünftig die Frage der 25- und 35-Std.-Betreuungsoption nicht mehr stellen wird. Die Realität sah doch oft so aus, dass Eltern von den 25- und 35-Std. wegberaten wurden, damit über die 45-Std. Buchungsoption mehr Handlungsspielräume generiert wurden. Auch hatten Eltern doch bislang die Sorge, keinen Kita-Platz mehr zu bekommen, wenn sie nicht sehr früh die 45-Std. Option buchen. Mit echter Wahlfreiheit hatte das unter Ihrer Regierungsverantwortung nichts zu tun.

Dass nun von Ihnen an dieser Stelle reininterpretiert wird, dass diese Stundenzahlen für Eltern keine Option mehr sind, zeigt, wie weit Sie sich da von der Basis entfernt haben.

Eltern in prekären Lebenslagen oder mit geringem Einkommen können im Übrigen auch 45-Std. Kontingente buchen, denn in den meisten Kommunen, die ich kenne, gibt es soziale Beitragsstaffeln und Eltern haben bis zu bestimmten Einkommenshöhen gar keine Beiträge mehr zu zahlen.

Und es wäre auch mal schön, wenn Sie die Bemühungen der Wirtschaft anerkennen würden, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu fördern. Kein Unternehmen kann es sich in Zeiten des Fachkräftemangels erlauben nicht familienfreundlich zu sein und das Thema als Standortfaktor und Entscheidungsgrund für Arbeitnehmer zu ignorieren. In der gebotenen Gründlichkeit, ohne die Aufgeregtheit dieses Antrages, werden wir nun die gesetzlichen Grundlagen für eine gute frühkindliche Bildung erarbeiten und freuen uns, wenn Sie dabei konstruktiv unterstützen.

Vielen Dank.