Entsenderichtlinie reformieren - Beim Aufbau einer sozialeren Europäischen Union helfen

16.11.2017
Oliver Krauß MdL zu TOP 3

Anrede,

in Berlin erleben wir eine SPD, die für Regierungsaufga-ben von Vorneherein nicht mehr zur Verfügung stehen will – die SPD lehnt die Übernahme von Verantwortung schlichtweg ab. Mit dem vorliegenden Antrag, verehrte Kolleginnen und Kollegen der SPD, fordern Sie nun jedoch den Landtag auf, sich mit offenkundigen Inspirationen aus dem Kursbuch der Bundesministerin Andrea Nahles zu befassen.

Zu Ihrem Vorwurf, die NRW-Koalition hätte ein soziales Europa nicht auf der Agenda: Bitte bleiben Sie heute bis zum letzten Punkt der Tagesordnung. Denn nachher steht genau das auf der Tagesordnung: unser Antrag, die grenzüberschreitende Kooperation mit den Niederlanden und mit Belgien zu intensivieren, den europäischen Zusammenhalt zu fördern, die strukturellen Verknüpfungen auszubauen. Da geht es um den gemeinsamen Arbeitsmarkt, um sozialen Ausgleich, um den Abbau von dem, was uns trennt. So steht es übrigens auch im Koalitions-vertrag. Gerade so arbeiten wir an einem sozialen Europa.

Damit machen wir konkret, was der alte Koalitionsvertrag von Rot-Grün nur abstrakt forderte: eine starke Region Nordrhein-Westfalen in – ich zitiere aus 2012 – „einem demokratischen, sozialen, ökologischen, transparenten, handlungsfähigen, nachhaltigen und stabilen Europa“. So haben Sie das damals wirklich zu Papier gebracht: sieben Attribute, die wir aber so unterschreiben können. Meine Damen und Herren, die Überarbeitung der Richtlinie über die Entsendung von Arbeitnehmern ist nach mehr als 20 Jahren die Chance, engagiert auf Fehlentwicklungen zu reagieren. Es gilt,

o das Arbeitnehmerrecht in der Dienstleistungsfreiheit eines lebendigen Binnenmarkts hochwertig zu gewährleisten,
o das Unterlaufen von Standards zu unterbinden – gegen Lohndumping, gegen Sozialdumping,
o endlich Rechtsklarheit zu schaffen, welche Lohnzuschläge mit der Entlohnung verrechnet werden dürfen,
o unmissverständlich die Einhaltung dieser Regeln zu kontrollieren.

Das sind hervorragende Ziele im besonderen Interesse Nordrhein-Westfalens. Der Kompromiss, den der Beschäftigungsausschuss des EU-Parlamentes gefunden hat, und das Votum der Arbeits- und Sozialminister legen die Eckpunkte fest: gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort, Stärkung von Tarifverträgen über den Kommissionsvorschlag hinaus, kein Abschlag von Verpflegung und Unterbringungskosten.

Auf dieser Grundlage ist nun eine gemeinsame Linie zwischen dem Parlament und den Mitgliedsstaaten zu verhandeln. Dafür müssen alle Schutz-Belange auf die Waagschale. Wir haben dabei vorrangig das Mandat für unsere heimischen Beschäftigten, die an die herkömmlichen Sicherungsstandards und an die hiesigen Lebenshaltungskosten dauerhaft gebunden sind. Ebenso wie die Unternehmen. Dafür treten wir ein: Keine Wettbewerbsverzerrung, kein Race to the bottom.

Wir nehmen die Frage mit, wie der Kompromiss zielführend gestrafft werden kann. Darin sind wir dem Grundanliegen des Antrags verbunden. Aber wir gehen nicht mit, wenn blindlings argumentiert wird. Wir gehen nicht mit, wenn der Wettbewerb des Binnenmarkts, von dem wir überragend profitieren, überreguliert wird. Wir gehen nicht mit, wenn unverhältnismäßige Bürokratisierung erzeugt wird und nicht beachtet wird, wie praktikabel die Anwendung überhaupt ist.

• In einer EU-27 sind entsprechend viele Gesellschaften zu beobachten, verschiedene Kulturen, verschiedene Sprachen, verschiedene rechtliche Differenzierungen.
• In der Bundesrepublik gibt es knapp 450 allgemeinverbindliche Tarifverträge, aber 73.000 Verträge, die im Tarifregister eingetragen sind.
• Die Europäische Menschenrechtskonvention und unser Grundgesetz schützen auch die negative Koalitionsfreiheit. Nichttarifgebundene Arbeitgeber lassen sich also nicht ohne Weiteres an „repräsentative“ Tarifverträge binden.

Meine Damen und Herren,

die NRW-SPD hat sich keine großen Verdienste erworben, als es um das Eintreten dafür ging, allgemeinverbindliche Sozialstandards auch global zu realisieren. Es war Ihr Fraktionsvorsitzender, der das Abkommen TTIP als „totes Pferd“ brandmarkte. Für die Umsetzung unserer Standards sind wir aber auf Partner angewiesen: Weder die europäische Familie lässt sich das einfach so verordnen, noch die internationale Gemeinschaft. Die USA aktuell ohnehin nicht, und nicht unsere osteuropäischen Partner, nicht Polen, nicht Ungarn. Und schon gar nicht die Weltstaatengemeinschaft. In dem Sinne wollen wir die Kompromisssuche konzentriert und konstruktiv begleiten. Vielen Dank.

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