„Englischunterricht in der Primarstufe abschaffen – Deutsch und Mathematik dafür stärken!“

12.10.2017
Martin Sträßer MdL zu Top 3

Sehr geehrter Herr Präsident,
verehrte Kolleginnen und Kollegen,
sehr geehrte Damen und Herren,

als ich in der vergangenen Woche den Antrag der AfD-Fraktion zu lesen bekam, musste ich unwillkürlich an den Englischunterricht in meiner Schulzeit zurückdenken. Ende der 1960er Jahre war noch kein Gedanke daran, schon in der Grundschule mit Englischunterricht zu beginnen. Im Gegenteil: Mitte der 1970er Jahre gehörte ich dank der gerade eingeführten reformierten Oberstufe zu den ersten, die das Fach Englisch vor dem Abitur abwählen konnten. Wenig später war der Film „Star Wars“ der erste Kinofilm, den ich in der Originalfassung ohne deutsche Untertitel gesehen habe. Ich bedauerte damals zum ersten Mal, dass ich mit meinen bescheidenen Schulenglischkenntnissen die Jedi-Ritter nur begrenzt verstehen konnte.

Sie mögen verstehen, warum ich den AfD-Antrag deshalb doch für einen ziemlich rückwärtsgewandten Antrag gehalten habe. Die bis heute fortgeschrittene Globalisierung des Arbeitsmarktes und der europäische Integrationsprozess machen das Erlernen einer Fremdsprache im Schulunterricht nicht nur wünschenswert, sondern absolut erforderlich. Und schließlich gilt auch der Spruch: „Language is also the key to understanding another culture“. (Sprache ist auch der Schlüssel zum Verständnis einer anderen Kultur). Vielleicht hätte ich diesen Satz etwas akzentfreier ausgesprochen, hätte ich Englisch in der Grundschule gehabt.

Ein Generationensprung: Als ich in der vergangenen Woche beim Frühstück mit der Familie mein Wurstbrot aß, saßen meine drei - mehr oder weniger erwachsenen -Kinder mit am Tisch, die alle schon Englischunterricht in der Grundschule hatten. Alle drei sprechen heute ein deutlich besseres Englisch als ihr Vater. Ist das vielleicht schon ein weiterer Hinweis dafür, dass Englisch in der Grundschule funktioniert?

Übrigens: Bei der Frage an meine Kinder, was sie vom Englischunterricht in der Grundschule halten, gab es durchaus differenzierte Antworten. Es habe unheimlich Spaß gemacht hat, eine fremde Sprache auszuprobieren. Und man habe auch ganz schnell etwas gelernt – z.B. das Alphabet, die Zahlen und erste kleine Lieder. Aber ob das beim späteren Englischunterricht in der weiterführenden Schule wirklich weitergeholfen hat, darüber gingen die Meinungen auseinander.

Meine Frau, selbst Grundschullehrerin, und meine Tochter, Lehramtsstudentin für die Primarstufe, erinnerten dann noch daran, dass inzwischen wohl viele hundert Grundschullehrkräfte Englisch als Schwerpunktfach studiert haben und landesweit unterrichten. Weitere befinden sich noch im Studium und stehen bald vor dem Abschluss. Will man denen jetzt sagen, das Ganze war ein Irrtum? Wir brauchen euch nicht mehr? Kurzum: Der AfD-Antrag, einfach den Englischunterricht in der Grundschule abzuschaffen, greift zu kurz. Umgekehrt wäre es aber auch zu einfach zu sagen, dass der Englischunterricht in der Grundschule in der jetzigen Form und Ausgestaltung unantastbar ist. Wer Englischunterricht in der Grundschule für absolut unverzichtbar hält, um später erfolgreich Fremdsprachen zu erlernen, lebt auch im Wolkenkuckucksheim. Denn auch in Zeiten ohne Englischunterricht in der Grundschule hat es -außer mir- viele gegeben, die später exzellent Englisch und andere Fremdsprachen gelernt haben.

Zurück zum AfD-Antrag: Er baut auch noch einen Gegensatz zwischen Englischunterricht einerseits und Lesen Schreiben, Rechnen andererseits auf, der nicht existiert. Keiner hier im Saal wird bestreiten, dass das Vermitteln von Lesen, Schreiben und Rechnen zu den Kernaufgaben der Grundschule gehört. Und die NRW-Koalition will diese deshalb auch stärken. Der Englischunterricht ist aber sicher nicht verantwortlich für wirkliche oder vermeintliche Defizite bei der Vermittlung von Schreiben, Lesen und Rechnen.

Ich komme zum Schluss: Wie eben beschrieben, kann es schon bei einer familieninternen Diskussion am morgendlichen Frühstückstisch zu einer differenzierteren Befassung mit dem Thema Englisch in der Grundschule kommen als in der immer kleiner werdenden AfD-Fraktion. Die aus dem Antrag sprechende Einseitigkeit und Voreingenommenheit ist deshalb das, was mir und meiner Fraktion gar nicht gefällt. So einfach darf man es sich mit wichtigen Bildungsfragen nicht machen! Es geht hier um die Bildung unserer Kinder. Da sind populistische Vereinfachungen einfach fehl am Platz!

Trotzdem gibt uns der Antrag die Chance, dass wir uns im Fachausschuss intensiver mit der Bedeutung des Englischunterrichts in der Grundschule zu befassen. Deshalb stimmen wir einer Überwei-sung in die zuständigen Fachausschüsse gerne zu.

Meine Damen und Herren, ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit!