Philosophie verleiht Flügel

28.02.2018
Rede
Frank Rock MdL zu TOP 12

Sehr geehrter Herr Präsident,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

das Thema Philosophieunterricht in der Grundschule beschäftigt das Parlament ja nun schon eine ganze Weile und war u.a. auch Bestandteil eines Antrages in der letzten Legislaturperiode. Wobei hier nicht der Begriff der Philosophie, sondern „nicht konfessioneller Werteunterricht“ benutzt wurde. In Deutschland wird in 10 von 16 Bundesländer der Begriff „Ethik“ benutzt, in 5 Philosophie in unterschiedlichen Formen und in Niedersachsen wird das Unterrichtsfach „Werte und Normen“ genannt. Dieser Unterricht ist in einigen Bundesländern als verpflichteter Ersatz zum konfessionellen Religionsunterricht etabliert worden. Andere haben eigene landesrechtliche Regelungen getroffen. Man könnte sich hier auch von der KMK eine einheitliche Begrifflichkeit oder Standards wünschen, denn es gibt insgesamt 8 verschiedene Namensgebungen in Deutschland für eigentlich dieselbe Sache. Der Grund für die Einrichtung des Ersatzfaches war die fortschreibende Säkularisierung und die immer heterogenere Bekenntnissituation in unseren Schulen. Dieser Intention hat sich auch die NRW-Koalition im Rahmen der Beratung ihres Koalitionsvertrags nicht entzogen. Sehr geehrte Damen und Herren, die Position der NRW-Koalition ist dabei klar: Im Koalitionsvertrag ist festgehalten, dass wir „Ethikunterricht an Grundschulen ermöglichen“ werden. Ja, wir werden in dieser Legislaturperiode ein Ersatzfach für diejenigen Kinder einführen, die nicht am konfessionellen Religionsunterricht teilnehmen. Aber nein, dieses Fach wird nicht so aussehen, wie es von den Grünen gefordert wird und es wird nicht den Stellenwert des Fachs Religion berühren. Ich möchte kurz die Chance wahrnehmen, zurück ins Jahr 2014 zu schauen. Dort stand ein Antrag der FDP zur Diskussion mit dem Wunsch auf ein Konzept für einen nicht konfessionellen Werteunterricht. Hier zitiere ich mit der Erlaubnis des Präsidenten aus dem Plenumsprotokoll vom 2. Juli 2014 – d.h. vor gut 3 ½ Jahren die Kollegin Beer – wenn Frau Beer von „Wir“ spricht –meint sie die damalige Landesregierung, Zitat: „Wir wollen auf diese veränderte Gesellschaftslage, wie Sie sie richtig beschrieben haben, reagieren. Das bedeutet aber nicht, weil sie etwas entdeckt haben, was Sie auch gut finden zusagen: Jetzt muss das hopplahopp umgesetzt werden. Dazu brauchen wir einen Diskurs.“ Ja, Frau Beer „hopplahopp“ geht das nicht und leider haben Sie die Idee eines Philosophieunterrichtes in der Grundschule 3 ½ Jahre nicht mehr verfolgt. Und jetzt nach Regierungswechsel lesen sie unseren Koalitionsvertrag und möchten jetzt „hopplahopp“ die neue Ministerin bzw. die regierungstragenden Fraktionen unter Druck setzen. Ihre jetzige Initiative beruht doch darauf, dass Sie das Thema in Ihrer eigenen Regierungszeit nicht auf der Agenda hatten – wie so vieles. Ich zitiere mit Erlaubnis des Präsidenten die ehemalige Bildungsministerin Sylvia Löhrmann aus derselben Sitzung: „Die Umsetzung des Faches Philosophie für die Grundschule ist im Koalitionsvertrag für diese Legislaturperiode nicht enthalten und stellenmäßig auch nicht abgesichert. Das ist stellenneutral nicht zu machen. Wir haben heute Morgen darüber gesprochen, wie wir sozusagen die Dinge, die wir uns vorgenommen haben, umsetzen wollen und dass wir nicht mal eben sagen können – auch wenn es wünschenswert ist – Ach, da fällt uns noch dieses und jenes ein.“ Liebe Kolleginnen der SPD und der Grünen, mal eben geht eben nicht – ja, wir werden das Versäumnis aufarbeiten. Die Annahme, die welche man dem Antrag der Grünen in Teilen entnehmen kann, dass die Einführung eines neuen Fachs simpel und von heute auf morgen durchzuführen ist, widerlegen ihre eigenen Einschätzungen vom Jahr 2014. Und nicht zuletzt auch der Expertenanhörung konnte man entnehmen, dass die Einführung eines breiten Diskurses bedarf. Es benötigt eine intensive Prüfung, ob wir einen komplett eigenständigen Studiengang vorhalten müssen, um den komplexen Anforderungen des Philosophierens mit Kindern gerecht werden zu können. Denn darin waren sich auch alle Sachverständigen einig: Wir brauchen ein gut ausgearbeitetes Konzept, damit der Werteunterricht an Grundschulen flächendeckend erfolgreich sein kann. Selbstverständlich benötigen wir durch ein neues Fach auch mehr Lehrkräfte und geben uns nicht damit zufrieden, dass hier fachfremd unterrichtet wird. Dies ist in den weiterführenden Schulen leider zu oft der Fall. Hier gilt auch die Qualität des Unterrichtes im Auge zu behalten. Der große Mangel bei der Lehrerversorgung hilft auch hier nicht. Die Zusammenhänge muss ich Ihnen hoffentlich nicht erklären und eine Verantwortung des Mangels hat diese Landesregierung beim besten Willen nicht. Wir stellen fest, dass es der Sache nicht dienlich wäre, das Fach einfach so zwischendurch einzuführen. Und bei allem Respekt vor der Relevanz der Auseinandersetzung von Kindern mit den großen Fragen des Lebens: Raum für diese Auseinandersetzung und Ansätze hierfür finden sich bereits heute in einigen anderen Fächern, beispielsweise im Deutschunterricht oder Sachunterricht. Ich zitiere mit Erlaubnis des Präsidenten den Lehrplan Sachunterricht für die Grundschule: „Durch sachunterrichtliche Fragestellungen und die Erarbeitung in Zusammenhängen fördert der Unterricht bei den Schülerinnen und Schülern – die Achtung vor der Würde des Menschen und den verantwortlichen Umgang mit der natürlichen und gestalteten Lebenswelt und ihrer Ressourcen.“ Hier finden sich schon erste Ansätze, die hier auch allen Schülerinnen und Schüler zu Gute kommen. Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir als neu gewählte NRW-Koalition haben uns insbesondere in der Bildungspolitik vorgenommen, gründlich statt vorschnell zu arbeiten. Damit heben wir uns deutlich von der Politik der Vorgängerregierung ab. Es ist nicht sinnvoll, aktuell neben den Großprojekten G8/G9, Inklusion, OGS und Integration, die auch im Land kontrovers diskutiert werden, mit der sofortigen Einführung eines Faches Ethik bzw. Philosophie in der Grundschule eine weitere Baustelle aufzumachen. Nach persönlichen Gesprächen mit vielen Kolleginnen und Kollegen bestätigten diese mir, dass sie andere Herausforderungen deutlich dringender sehen, als die Einführung eines neuen Ersatzfaches. Ich habe keine Grundschulkollegin –Kollegen gefunden, die die zeitnahe Einführung priorisieren würde. Die Rahmenbedingungen der im Koalitionsvertrag vereinbarten Einführung eines Fachs Ethik werden wir im Rahmen des Masterplans Grundschule prüfen und sorgfältig ausarbeiten. Den Antrag der Grünen lehnen wir wie auch schon im Ausschuss daher ab. Vielen Dank!