Jochen Ritter zur aktuellen Stunde "Diesel-Urteile: Was unternimmt die Lansesregierung, um Fahrverbote in NRW noch zu verhindern?"

14.11.2018

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen
und Kollegen, sehr geehrte Damen und Herren,


kann man so machen, muss man nicht so machen, es sei denn, es geht nicht anders. Das war - vereinfacht gesagt – die Botschaft des BVerwG Ende Februar dieses Jahres zu der Frage,
inwieweit Fahrverbote in Luftreinhalteplänen prinzipiell Gegenstand sein können. Die beiden Urteile betr. Düsseldorf und Stuttgart machten den Weg dafür frei, lieferten allerdings keine „card blanche“ für Fahrverbote, wie tags drauf von unverständiger oder interessierter Seite der Eindruck erweckt wurde in einer Angelegenheit, die eher mehr Differenzierung als Skandalisierung nötig hätte.
Vielmehr sind danach dahingehende Regelungen von nicht unerheblichen Voraussetzungen ab-hängig, und zwar flächendeckende - zonale, so sagt man wohl neuerdings -  wie vom Verwal-tungsgericht für Köln vorgesehen mehr noch als streckenbezogene wie für Bonn angedacht. Auf der einen Seite verbietet das Übermaßver-bot, um es mal so auszudrücken, dem Richter-spruch zufolge, derartig weitreichende Verkehrs-verbote ohne Berücksichtigung der damit für die Betroffenen verbundenen wirtschaftlichen Folgen auszusprechen.
Auf der anderen Seite dürfen die Grenzwerte nicht erst irgendwann nach 2020 eingehalten werden. Dahingehende Maßnahmen müssen vorher wirken.
Die überragende Bedeutung der körperlichen Unversehrtheit drängt Zweifel am Zustande-kommen der Grenzwerte und der Messergebnis-se, wie sie durchaus aufkommen können, wenn man beispielsweise gestern die Aachener Nach-richten dazu gelesen hat, in den Hintergrund.
In diesem Spannungsfeld und unter diesen rechtsstaatlichen Anforderungen verläuft ein schmaler Grat, der von den für die Luftreinhal-tung zuständigen Behörden alles andere als ein-fach einfach zu beschreiten ist.
Die Bundeskanzlerin will ihn insofern dankens-werterweise verbreitern und hat dazu angeregt, im Bundes-Immissionsschutzgesetz eine Klarstel-lung zur Verh.mäßigkeit von Maßnahmen im Fall von Grenzwertüberschreitungen vorzunehmen. Die Initiative hat Frau Ministerin Heinen-Esser für NRW genauso begrüßt wie die Bemühungen z. B. von Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer, die Autohersteller zu Hardware-
Nachrüstungen auf deren Kosten zu bewegen.

Dazu hat sie im September-Plenum gleich drei gute Gründe angeführt:
- schnelle Erfolge für die Gesundheit - am Klevischen Ring in Köln brächte das bis zu 8 µg, dann wäre Köln fast schon ein Fall für das ggf. wie vor geänderte BImSchG;

- Vermeidung faktischer Enteignung der Verbraucher und nicht zuletzt…
- um den Diesel mit seinen unbestreitbaren Vorzügen - höhere Effizienz, weniger Fein-staub - in dieser Phase nicht über Gebühr
zu desavouieren; denn er hat, davon bin ich überzeugt, allen Unkenrufen zum Trotz mit Harnstoffeinspritzung - sauber und sparsam wie er dann ist - ein gute Zukunft.
Die Nachrüstung geht technisch scheinbar doch nicht nur in wenigen Fällen, rechtlich durchzu-setzen ist sie allerdings – auch wenn Vertreter von Bündnis90/Die Grünen es zuweilen hier im
Plenum und gerne auch in Talkshows suggerieren – wenn überhaupt nur ausnahmsweise per Ge-setz, auch hier greift der Rechtsstaat, diesmal mit seinem Rückwirkungsverbot, ob es einem in dem Zusammenhang gefällt oder nicht.
Und auch unterhalb der Ebene des Landes ist die Regierung teilweise darauf angewiesen, dass die Adressaten ihrer Maßnahmen mitspielen, etwa
die Kommunalpolitik, beispielweise wenn es um Ortsumgehungen wie in Düren geht.
Dort ziehen Vertreter derselben Parteien, deren Fraktionen hier dicke Luft in Städten beklagen, eben nicht immer mit, wenn der Verkehr um das Zentrum herum geführt und damit dort die Be-lastung an Schadstoffen verringert werden soll. Bis auf Weiteres fahren wir - nicht unbelehrbar, wir nehmen ja aus den Urteilen immer auch
Erkenntnisse mit, aber konsequent - fort auf dem von vielfältigen Ansätzen geprägten Weg, den Frau Ministerin eben skizziert hat und den wir
im März-Plenum tituliert haben mit:
- Luftqualität verbessern,
- Fahrverbote vermeiden,
- Maßnahmen für nachhaltige Mobilitätswende ergreifen.
Dass er in Sachen Luftqualität der richtige Weg ist, hat uns nicht zuletzt mein Vorredner Arndt Klocke in seiner Plenarrede am 19. September
attestiert, ich zitiere mit Erlaubnis des Präsidenten:
„Wir werden die Erfolge – und ich bin sicher, dass sie bei der Frage der Luftreinhaltung eintre-ten werden – im Bereich der ÖPNV-Nachrüstung, der Umstellung der Busantriebe auf Elektro, Wasserstoff oder Hybrid etc. erst in den nächs-ten Jahren spüren (Zitat Ende).“
In punkto Fahrverbote halte ich es nicht für aus-geschlossen, dass zumindest pauschale, sprich
flächendeckende oder zonale Einschränkungen vermieden werden können, nämlich
wenn es der Bezirksregierung Köln gelingt,
den vorliegenden frühen Entwurf der Fort-
schreibung des Luftreinhalteplans bis zu einer
etwaigen Berufungsverhandlung so mit Angaben über neuerliche Entwicklungen und plausiblen Prognosen zu ergänzen, dass sein zukunfts-
gerichteter Gehalt in der zweiten Instanz stärker gewürdigt wird als in der ersten, die sich dem Vernehmen nach - warum, dazu muss man die schriftl. Begründung abwarten - mehr auf die Vergangenheit kapriziert hat als die nächsten Jahre in den Blick zu nehmen. Und in Sachen nachhaltige Mobilitätswende bin ich nicht zuletzt unter Bezug auf unseren diesbezüglichen sozusagen interdisziplinären Antrag von April dieses Jahres „Innovative Antriebe fördern und technologieoffenen Fortschritt ermöglichen“, nach wie vor davon überzeugt, dass es im Land der Ingenieure möglich ist, Ver-kehr sauber ohne Fahrverbote zu organisieren;
denn sie haben mit Nachhaltigkeit definitiv nichts zu tun. Auch deshalb lehnen wir sie wei-terhin ab.

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