
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr verehrte Damen und Herren,
die Schule spielt bei der politischen Bildung als Bildungsinstitution und im Schulalltag eine wichtige Rolle. Die Kultusministerkonferenz beschreibt in ihrem Beschluss zur Demokratie und Praxis historisch-politischer Bildung als Ziel, „Werthaltungen und Teilhabe zu fördern sowie zur Übernahme von Verantwortung und Engagement in Staat und Gesellschaft zu ermutigen.“
Politische und demokratische Bildung findet jedoch auch außerhalb von Schule statt. Sie beginnt schon in der Familie – im praktischen Erlernen und Erleben menschlichen Zusammenlebens. Menschenwürde, Menschenrechte, Respekt, Toleranz und Regeln des Zusammenlebens haben hier ihren Ursprung in einfacher Form.
Auch wir als Politikerinnen und Politiker haben die Aufgabe, Politik zu vermitteln und Menschen für Politik zu gewinnen. Das tue ich - wie sicher viele hier im Raum – etwa bei Schulbesuchen, wo ich ganz grundsätzlich für Demokratie, Politik und Mitbestim-mung vor Ort werbe. So verstehe ich auch die Programme des Landtags für Schüler-programme oder Führungen durch das Haus der Parlamentsgeschichte.
Ganz aktuell war das Auswahlverfahren unserer neuen CDU-Vorsitzenden ein gelun-gener Beitrag zur politischen Bildung. Junge und ältere Menschen zeigten Interesse und bekamen seltene Einblicke in innerparteiliche Demokratie. Ich bin fest überzeugt, dass das nicht nur der CDU richtig gutgetan hat, sondern auch unserer Demokratie insgesamt.
Die Fraktionen von SPD und Grünen legen heute einen Antrag zum Themenfeld „poli-tische Bildung“ vor, der dieses große Thema leider nur in einem kleinen Teilbereich behandelt und dabei ganz offensichtlich noch in großer Eile und mit der heißen Nadel gestrickt worden ist.
Warum? Nun, SPD und Grüne leiten aus einer Studie, die Daten zum Politikunterricht in Nordrhein-Westfalen gesammelt hat, Thesen und Forderungen ab, die diese Studie selbst gar nicht hergibt: Beispiele:
• Die Autoren untersuchen gar nicht den Teilbereich „Demokratiebildung“, son-dern - einerseits breiter, andererseits weniger tiefgehend - die Themenbereiche Politik, Wirtschaft und Gesellschaft, die unter „politische Bildung“ zusammenge-fasst werden können. Deshalb spreche ich auch weitergehend zum Thema Po-litische Bildung.
• SPD und Grüne kritisieren die Aufwertung des Fachs Wirtschaft, das sie als Konkurrenz zum Fach Politik sehen. Nach dem Verständnis der Studie sind Po-litik und Wirtschaft durchaus Teil der überfachlich angelegten Politischen Bil-dung. Diese Einschätzung teile ich übrigens ausdrücklich.
• Der Antrag erweckt den Eindruck, die Studie bezöge sich auf alle Schulformen. Richtig ist, dass die Studie weder die Hauptschulen, noch die Sekundarschu-len, noch die Berufskollegs noch die Sekundarstufe 2 einbezieht. Auch inso-fern steht der Antrag also auf sehr dünnem Eis.
• Schließlich betrachtet die Studie die Situation im Jahr 2017 – Stichtag ist der 30. Juli. Sofern SPD und Grüne in ihrem Antrag damit die in ihren Augen existie-renden Mängel an Quantität und Qualität der Vermittlung von Demokratiekom-petenz in Nordrhein-Westfalen nachweisen wollen, ist dies dann ein klassi-sches Eigentor, denn die Politik der neuen NRW-Koalition kann schon wegen des Stichtags nicht Gegenstand der Studie gewesen sein.
Für mich steht aber nicht Schadenfreude im Vordergrund. Der Antrag ist eine verpass-te Chance. Wir hatten SPD und Grünen ausdrücklich angeboten, an einem gemein-samen Antrag zu arbeiten. Das wäre ein tolles Zeichen der Gemeinsamkeit für die poli-tische Bildung gewesen. Stattdessen setzen beide Fraktionen auf Parteitaktik und bil-lige Effekthascherei. Schade!
Politische Bildung ist immer wichtig, aber heute mehr denn je. Das Erstarken und ge-genseitige Hochschaukeln von Strömungen an den Rändern des demokratischen Spektrums und über diese hinaus macht uns allen zurecht große Sorge. Hier gilt es Zeichen zu setzen.
Wir tun das als NRW-Koalition. So haben wir in diesem Jahr zum zweiten Mal die Mit-tel für Besuche der Gedenkstätten deutlich erhöht – und zwar sowohl zu Gedenkstät-ten der Verbrechen des Nationalsozialismus als auch zu Gedenkstätten der Verbre-chen des sozialistischen Unrechtsregimes in der DDR. Freiheit, Sicherheit und demo-kratische Strukturen sind eben nicht selbstverständlich. Sie müssen immer wieder er-arbeitet und verteidigt werden - gegen Extremisten von rechts und links.
Wir haben größtes Verständnis dafür, dass alle, die sich professionell mit der politi-schen Bildung beschäftigen - ob als Lehrkräfte an den Schulen, in den verschiedenen Phasen der Lehrerausbildung oder in vielen außerschulischen Organisationen, die sich das Erlernen und Erlebbar-machen der Demokratie zur Aufgabe gemacht haben - für mehr Stunden auf der Stundentafel und für mehr fachlich ausgebildete Lehrkräfte kämpfen. Der Einsatz zeigt, dass diese Menschen für ihren Beruf und das Thema brennen, sich also mit Leidenschaft dafür einsetzen.
Dass dazu auch bei der politischen Bildung grundständig in den Fachwissenschaften und der Fachdidaktik ausgebildete Lehrkräfte gehören, ist unstrittig. Aber wie unzu-länglich es um die Lehrkräftebedarfsplanung unter Rot-Grün – übrigens nicht nur im Fach Politik - bestellt war, brauche ich hier nicht zu wiederholen. Wir sind seit Regie-rungsübernahme permanent damit beschäftigt, den Lehrkräftemangel, den Rot-Grün verursacht hat, zunächst zu gestalten und allmählich zu beseitigen. Zur Wahrheit ge-hört aber auch an dieser Stelle, dass das noch einige Jahre in Anspruch nehmen wird.
Die Qualität politischer Bildung und der Vermittlung von Demokratiekompetenz lässt sich aber nicht einfach aus Stundentafeln und Kernlernplänen und Lehrkräfteversor-gung ablesen. Um nochmals die Studie zu zitieren: Die Autoren betonen ausdrücklich, dass es vertiefender Untersuchungen bedarf, um Aussagen darüber zu treffen, wie viel politische Bildung tatsächlich im Schulalltag stattfindet – Daten zum tatsächlichen Unterricht an den Schulen lagen ihnen nicht vor.
Der in dem Antrag enthaltene Vorwurf, die neue Landesregierung wolle die politische Bildung in den Schulen kürzen, ist jedenfalls falsch. Geht es um aktuelle Lehrinhalte und Stundentafeln – etwa bei der Umstellung von G8 auf „G9 neu“ - , wird die Zahl der Stunden schon allein durch die Umstellung von G8 auf G9 steigen und nicht sinken.
Auch die Kritik an der Stärkung des Fachs Wirtschaft trifft uns nicht und schon gar nicht das Thema. Ganz im Gegenteil: gerade die politische Bildung ließ sich noch nie fächerscharf abgrenzen, sondern eigentlich nur fächerübergreifend oder durch be-sondere Projekte vermitteln und erfahrbar machen. Beispiel: das Thema „Globalisie-rung der Wirtschaft“ hat nicht nur ökonomische, sondern auch soziale und politische Aspekte.
Übrigens hätten SPD und Grüne auch insofern die Studie besser lesen sollen. Dort heißt es: „Mit Blick auf die tatsächliche thematische Gewichtung in den curricularen Vorgaben müsste das Fach ‚Politik/Wirtschaft‘ [am G8] in ‚Wirtschaft/Politik‘ umbe-nannt werden – jedenfalls dann, wenn Schulfachnamen sachgerecht informieren sol-len.“ (S. 12). Wohl gemerkt, die Studie bezog sich auf den Status während ihrer Regie-rungsverantwortung.
Ich komme zum Schluss:
• Politische Bildung findet nicht nur in Schulen statt. Sie muss als Querschnitts-aufgabe gesehen werden. Stundentafeln und Kernlehrpläne sind zweifellos wichtige Aspekte, aber nicht allein aussagekräftig über Qualität und Quantität der politischen Bildung in den Schulen.
• Der Antrag von SPD und Grünen wird der Aufgabe weder in der Breite noch in der Tiefe gerecht. Ich freue mich deshalb auf die weitere Diskussion im Schul-ausschuss. Vielleicht ergibt sich dann die heute verpasste Chance, die Partei-brillen abzulegen und das große Ganze gemeinsam in den Blick zu nehmen.
• Ich zitiere ein letztes Mal die Studie. Sie kommt zu dem Ergebnis, dass Nord-rhein-Westfalen im Bereich der politischen Bildung im oberen Drittel der Bun-desländer zu verorten ist. Lassen Sie uns deshalb gemeinsam daran arbeiten, NRW auch hier wieder zur Nummer 1 zu machen.
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