
Sehr geehrte/r Präsident
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
Frau Düker bevor ich das nachher vergesse, weil es eigentlich nicht hier mein Thema werden sollte. Aber die Polizei ist im Bereich Hambach nicht gegen friedliche Demonstranten vorgegangen, sondern gegen Gewalttäter im Wald oder bei Straftaten wie Sachbeschädigungen und Hausfriedensbruch. Dieser Konflikt ist von gewaltbereiten Aktivisten eskaliert worden und sonst von keinem.
Auch wenn unsere Debatte hier nur im Internet übertragen wird, denke ich, dass sie von vielen gerade in meiner Heimat verfolgt wird.
In meinem Wahlkreis leben die Menschen, die in der Umsiedlung sind, diese planen oder dagegen kämpfen. Und es sind Menschen, die um ihren Arbeitsplatz bangen.
Die Themen Umsiedlung, Tagebau, Strukturwandel bestimmen derzeit einen Großteil meiner politischen Arbeit wie bei vielen andern auch und ich bin in täglichem Kontakt zu den Betroffenen im derzeit festgelegten Abbaugebiet und in den zukünftigen Tagebauranddörfen. Ich bin auf der anderen Seite aber auch in Kontakt mit den Beschäftigten bei RWE und den auch im Kreis Heinsberg ansässigen Zulieferbetrieben. Und es gibt wohl derzeit kein anderes Thema, wo berechtigte Interessen auf beiden Seiten so gegensätzlich gegeneinander stehen.
All diese Menschen erwarten von uns als Politiker, dass wir uns für sie einsetzen und ihre Belange in unsere Diskussion und unsere Entscheidungen einbringen. Und dies ohne populistischen Streit.
Wir Abgeordneten aus dem Kreis Heinsberg haben den Tagebau Garzweiler II immer abgelehnt. Mein Vorgänger, Dr. Gerd Hachen, war Jahrzehnte eingebunden im Kampf gegen diesen Tagebau und Vorsitzender der Vereinten Initiativen gegen Garzweiler II. Dabei war uns CDU Abgeordneten immer bewusst, hierfür auf Landesebene wahrscheinlich keine Mehrheit zu bekommen. Dies war und wurde von uns auch so kommuniziert.
Sowohl die Stadt Erkelenz als auch der Kreis Heinsberg haben ebenfalls immer in großer politischer Einigkeit über Parteigrenzen hinaus Stellung gegen den Tagebau bezogen.
Trotz dieser Gegenwehr haben die im Land jeweils verantwortlichen Akteure in insgesamt drei Leitentscheidungen 1987, 1991 und 2016 den Tagebau in seiner jetzigen Form beschlossen und für die Energieversorgung des Landes als nötig befunden.
Dabei wurde den Betroffenen immer mal wieder von Parteien oder Gruppierungen Hoffnungen und Versprechungen gemacht, die nach kurzer Zeit gebrochen wurden. In den Umsiedlungsdörfern kennt jeder die Ankündigung von Bärbel Höhn aus April 1995, wonach nie eine grüne Umweltministerin weitere Schritte zur Genehmigung von Garzweiler II machen wird und die Grünen Garzweiler auf jeden Fall verhindern werden. Das Ergebnis ist bekannt.
Und auch jetzt wieder fühlen sich die Menschen als Spielball der Politik.
2016 wurde ihnen in der Leitentscheidung durch die rot-grüne Landesregierung noch unmissverständlich festgeschrieben, dass ihre Umsiedlung unbedingt erforderlich sei. Und so haben sich die Menschen dort auf den Weg gemacht, zumindest zum weitaus überwiegenden Teil.
Nun ist mit dem Kompromiss zum vorzeitigen Ausstieg aus der Braunkohlenverstromung wieder große Unsicherheit unter den Betroffenen entstanden, bei einigen auch wieder große Hoffnungen.
Im Umsiedlungsgebiet Keyenberg / Kuckum / Berverath / Ober- und Unterwestrich lebten zu Beginn der Umsiedlung im Dezember 2016 fast 1.600 Menschen auf 584 Anwesen. Bis Februar wurden zwischen dem Bergbautreibenden und den Betroffenen zu 57 % dieser Anwesen Einigungen erzielt, weiter 15 % befinden sich in Gesprächen.
Anfang 2019 wohnten bereits 60 Menschen am neuen Ort, 100 Häuser sind fertig oder in Bau, ca. 100 Bauanträge sind gestellt. Im nächsten Schritt wird die soziale Infrastruktur mit Feuerwehrhaus, Mehrzweckhalle, Friedhof, Festwiese etc erstellt.
Viele haben auch aus unterschiedlichsten Gründen noch nicht mit den Verhandlungen begonnen, wollen dies aber nun zügig tun.
In Keyenberg wird die Bruderschaft in diesem Jahr zum letzten Mal durch den alten Ort ziehen. Das 570 zigste Jubiläum wird so zu einem schmerzlichen Fest. Aber alle Planungen laufen darauf hinaus, am neuen Ort die Gemeinschaft fortzusetzen und mit den anderen Vereinen und Gruppen ein lebendiges Dorfleben am neuen Ort zu gestalten. Dies gilt auch für die anderen Orte.
In einem Artikel der Aachener Zeitung wurde am letzten Freitag über einen Mann berichtet, der sich darüber ärgert, dass immer wieder die wenigen zu Wort kommen, die die Umsiedlung stoppen wollen. Oft würden auch Kohlegegner, die gar nicht aus dem Ort kommen, „im Namen“ der Keyenberger darüber reden. Die große Mehrheit wolle nämlich mittlerweile weg aus Keyenberg, weil der Ort kaum noch Lebensqualität biete. Und der Mann wird mit dem Satz zitiert „Der aktuell so erbitterte Widerstand komme viel zu spät „vor 20 Jahren wäre ich froh gewesen, wenn man so einen Aufstand gemacht hätte“.
In einem Brief wird mir berichtet, dass man angefeindet wird, wenn man kundtut, dass man umsiedeln möchte.
Auf der anderen Seite gibt es Menschen in den Umsiedlungsgebieten, die mit aller Kraft dafür kämpfen, in ihren manchmal schon seit mehreren Generationen im Familienbesitz befindlichen Anwesen wohnen bleiben zu können. Auch hierfür habe ich vollstes Verständnis.
Diese unterschiedlichen Einstellungen zur Umsiedlung zeigt die derzeitige Zerrissenheit in den Dörfern.
Mehr als 90 % der Betroffenen in den jetzigen Umsiedlungsgebieten bekommen derzeit Angst wenn sie Forderung lesen wie im Antrag Bündnis 90 / die Grünen die da lauten
- „Darüber hinaus muss die Landesregierung die Planungen für die Umsiedlungen neu bewerten“ oder
- „die Zukunft von bisher zur Umsiedlung vorgesehenen Dörfern zeitnah zu klären“.
Die Menschen, die sich auf den Weg gemacht haben oder noch machen wollen befürchten, dass sie ihre Lebensplanung wieder aufgrund politischer Entscheidungen ändern müssen.
Die Menschen müssen unabhängig davon, welche Entscheidungen über die Ausdehnung von Garzweiler II und über die Inanspruchnahme der Dörfer getroffen werden, die Garantie haben, ihre getroffene Entscheidung zur Umsiedlung zu den jetzigen Konditionen durchführen zu können.
Wir müssen und werden den bereits begonnenen Dialog mit den Umsiedlern weiterführen. Ich bin dem Ministerpräsidenten sehr dankbar, dass er als erster Ministerpräsident auf Einladung der Betroffenen in die Umsiedlungsorte gekommen ist und über 3 Stunden den Betroffenen zugehört hat und sich die Probleme der Umsiedlung hat zeigen und erklären lassen. Dieser Dialog ist wichtig, auch wenn er Entscheidungen nicht ersetzen kann.
Und Frau Düker, sie haben gerade den Ministerpräsidenten angegriffen, er würde sich nicht um die Umsiedler und um die Tagebauranddörfer kümmern. Er macht das derzeit in einer Form, wie es bislang kein Ministerpräsident gemacht hat.
Ich bin auch dem Wirtschaftsministerium und Herrn Minister Pinkwart dankbar, dass unmittelbar nach der Kommissionsentscheidung der Kontakt mit den vor Ort gewählten Gremien aufgenommen wurde und die erste Dialog-veranstaltung mit den betroffenen Bürgerinnen und Bürger für Mitte März anberaumt ist.
Und auch die gestrige Veranstaltung der Revierkonferenz in Erkelenz mit dem Ministerpräsidenten und dem Wirtschaftsminister zeigt, dass die Landesregierung die dortige besondere Betroffenheit ernst nimmt.
Und Herr Kutschaty, sie haben gerade gesagt, dass Bürgermeister Jansen kein rumgeeiere möchte. Es ist richtig, dass er davor warnt, er weiß aber auch und das äußert er auch – ich höre ihn öfter als sie – das er diesen Eindruck bei der Landesregierung nicht hat und auch er lobt deren Einsatz für die betroffenen Gebiete und das Revier.
Und ich bin dem Ministerpräsident auch dankbar, dass er gerade die Tagebau-randdörfern in seiner Erklärung angesprochen hat. Die derzeitigen Abstandsflächen müssen neu bewertet und vergrößert werden und bereits geplante Straßenprojekte in Teilbereichen neu bedacht werden.
Wie in unserem Antrag und von der Landesregierung gefordert muss die Bundesregierung nun schnell die Ergebnisse der Kommission zum frühzeitigen Kohleausstieg in Regierungshandeln umsetzen.
Und ich bin der Landesregierung auch hier dankbar, dass sie zugesagt hat, nach den Entscheidungen der Bundesregierung schnell Klarheit für alle Betroffenen schaffen zu wollen. Und diese Entscheidungen müssen dann bis zum Ende der Braunkohlenverstromung halten und nicht nur knapp zwei Jahre.
Ich appelliere an alle hier im Hause, sich für diese Leute vor Ort einzusetzen und nicht länger als unbedingt nötig in der Ungewissheit zu lassen. Und vielleicht finden wir dann eine ähnlich umfassende Zustimmung hier im Haus wie in der Kommission. Alle Betroffenen hätten dies verdient.
Und offenbar gelingt das außerhalb des Hauses bereits schon sehr gut. Rainer Priggen, ehemaliger Fraktionsvorsitzender der Grünen hier im Landtag und jetziger Vorsitzender des Landesverbandes der erneuerbaren Energien, hat in einer gerade veröffentlichten Pressemeldung die Regierungserklärung des Ministerpräsidenten begrüßt.
Meine Heimat im links-rheinischen Revier hat jahrzehntelang die Energieversorgung in NRW und im ganzen Bundesgebiet gesichert. Dafür haben die Leute mit dem Verlust der Heimat ein unvorstellbar großes Opfer gebracht. Diese Menschen haben nun ein Recht darauf, dass die Strukturhilfen in dieses Revier und insbesondere in die betroffenen Tagebaugebiete und zu den Kraftwerksstandorten fließen und sie haben das Recht, dass sich nun auch alle im Land und im Bund mit Ihnen solidarisch erklären.
Umsiedler und Arbeiter in der Braunkohle würden sich im Rheinischen Revier jetzt verschaukelt fühlen, wenn nun auch wieder die Verteilung der Mittel in andere Regionen diskutiert würde. Ich hoffe, dass auch die SPD sich wieder besinnt und diese Solidarität mit dem Rheinischen Revier übt.
So wie in meinem Wahlkreis die Stadt Erkelenz hier in großer politischer Einheit gemeinsam mit dem Kreis Heinsberg agiert, und so wie sich auch die Akteure im Rheinischen Revier unterhacken und gemeinsam für das Revier kämpfen, so müssen wir uns hier im Landtag gemeinsam für die betroffenen Menschen einsetzen,
- für diejenigen, die durch den Verlust ihrer Heimat die Energieversorgung unseres Landes gesichert haben
- und für diejenigen, die nun Angst um ihre Arbeitsplätze haben
Vielen Dank und Glück auf
Empfehlen Sie uns!