Florian Braun zu TOP 3 "Von der Umsetzung der Digitalsteuer über die Ablehnung von Uploadfiltern bis hin zur Digitalisierung der Kommune: Nordrhein-Westfalen muss sich mehr in die Debatte um die Digitalisierung der Europäischen Union einmischen“

20.03.2019

Sehr geehrter Herr Präsident,
liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

uns allen ist bewusst, dass die EU-Urheberrechtsrichtlinie im Fokus einer gesellschaftlichen und politischen Debatte steht.
Es stehen Kritik wie Bedenken im Raum, mit der auch wir uns hier im hohen Hause beschäftigen müssen, um unserer Verantwortung als Volksvertreter gerecht zu werden.
NRW ist Produzentenland, ist Startupland, ist Medienland.
Anlass genug, sich einzumischen.
Als NRW-Koalition tun wir das mit dem vorliegenden Entschließungsantrag. 
Der SPD-Antrag garniert deren Position zum Upload-Filter zwar noch mit ein paar weiteren Forderungen zum digitalen Binnenmarkt.
Morgen folgen weitere Anträge von Grüne und AfD zur EU-Richtlinie.
Die Anträge hätte man gut und gerne zusammenlegten können, denn seien wir ehrlich:
Die aktuelle Debatte dreht sich gänzlich um Urheberrechte.
Was ich jetzt zur Urheberrechtsreform sage, gilt also ebenso für alle anderen vorliegenden Anträge.

Für die NRW-Koalition ist gemeinsam von großer Bedeutung, auch im digitalen Zeitalter eine gesunde Balance zu finden zwischen Meinungs- und Informationsfreiheit auf der einen, und Schutz geistigen Eigentums auf der anderen Seite.
Ich stelle nicht in Frage, dass es eine Reform des Urheberrechts auf europäischer Ebene braucht. Im Gegenteil: Wir brauchen mehr Rechtssicherheit für alle Beteiligten: Urheber, Verwerter, Plattformen und Nutzer.
Klar ist für uns als CDU-Landtagsfraktion auch: Diese Rechtssicherheit soll ohne Upload-Filter gewährleistet werden.

Es ist gut und richtig, dass die europäischen Institutionen in den letzten Jahren um Verbesserungen gerungen haben. Tatsächlich beinhaltet der aktuell zur Debatte stehende Entwurf einige sinnvolle Verbesserungen:
- Stärkung Wissenschaft zur Auswertung größerer Datenmengen ohne Notwendigkeit für Lizenzen (Data und Text Mining)
o Auswertung großer Datensätze durch automatisierte Verfahren, ohne Einholung einer Lizenz zulässig sein (Artikel 3, 3a). Dabei ist vorgesehen, dass maschinenlesbar gekennzeichnet werden muss, wenn Daten nicht dem Text- und  Data Mining unterliegen sollen. Diese Regelung gibt den Rechtsinhabern Sicherheit und ist zugleich ein wichtiger Baustein für die Anwendung und Weiterentwicklung von künstlicher Intelligenz.
- Digitalisierung von Kulturwerken
o Bibliotheken, Museen und sonstigen Einrichtungen des Kulturerbes ist es zum einen erlaubt, zum Erhalt des Kulturerbes Werke in ihren Beständen zu
digitalisieren (Artikel 5). Zum anderen wird es den Einrichtungen des Kulturerbes erlaubt, vergriffene Werke (die also am freien Markt nicht mehr erhältlich sind) wieder verfügbar machen zu können (Artikel 7 ff.). Auf diese Weise können diese Einrichtungen sehr viel leichter ihre Bestände sichtbar machen und einen digitalen Zugang zu Kultur schaffen. Diese verstärkte Sichtbarkeit des europäischen Kulturerbes und seine erleichterte Zugänglichkeit für Nutzer ist ein weiteres wichtiges Anliegen der Reform.
- Sicherung von journalistischen Angeboten
o Eine Verlegerbeteiligung an gesetzlichen Vergütungsansprüchen wird wieder möglich werden (Artikel 12). Damit können deutsche Verlage (wieder) an den Ausschüttungen der Verwertungsgesellschaften beteiligt werden, wenn ihre Werke privat kopiert, durch Bibliotheken verliehen oder in sonst gesetzlich erlaubter Weise genutzt werden. Artikel 12 schafft für diese in Deutschland seit Jahrzehnten bewährte Praxis einen klaren Rechtsrahmen. Die Zusammenarbeit von Autoren mit den Verlagen in gemeinsamen Verwertungsgesellschaften gehört bis dato in Deutschland zu den bewährten kulturpolitischen Konstanten der vielfältigen Literatur- und Verlagslandschaft, die es zu schützen gilt, wenn wir langfristig diese wichtige Facette unseres kulturellen Reichtums bewahren wollen.
- Beteiligung von zig tausend Kreativen an Vergütungen

Niemandem ist verborgen geblieben, dass zwischenzeitlich erhebliche Kritik geäußert wurde und wird, die sich vor allem an Artikel 13 festmacht, in dem die Nutzung geschützter Inhalte durch Online-Dienste geregelt wird.

In Abrede steht, dass die Vorgaben per Upload-Filter eingehalten werden müssen und dadurch negative Auswirkungen, v.a. durch Overblocking, auf die Meinungs- und Informationsfreiheit, auf die digitale Kultur und auf Unternehmen wie Startups drohen.

Diese Kritik nehmen wir ernst.

Auch in unserer Landtagsfraktion haben wir intensiv darüber debattiert. In der CDU Deutschlands haben wir intensiv darüber debattiert.

Als Leitgedanken stehen dabei für uns unerschütterlich fest:
1. Wir verteidigen die Freiheit und Vielfalt von Meinungen, Informationen und Medienangeboten.
2. Diese Freiheit und Vielfalt bedingen eine gerechte Vergütung der Urheber.
3. Nutzerinnen und Nutzer sowie Plattformen brauchen Rechtssicherheit.
4. Für die Durchsetzung von Urheberrechten sehen wir Upload-Filter nicht als geeignetes Mittel an.

Die Debatten der letzten Wochen und insbesondere der letzten Tage haben gezeigt, dass es neben dem vorliegenden Entwurf der EU copyright directive Lösungen gibt, die Upload-Filter verhindern.
So hat die CDU Deutschlands einen Weg aufgezeigt, wie durch Rahmenverträge, pauschale Lizenzsysteme und digitale Fingerprints von Werken genau das gelingen kann.
Ich bin dem CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak sehr dankbar, dass er dieses Modell gemeinsam mit Digital- und Rechtspolitikern der Union und des cnetz erarbeiten konnte und die geäußerten Bedenken aufgegriffen hat.
Das ist gute politische Arbeit!

Das ist unser Verständnis von guter Politik:
Vorschläge unterbreiten, zuhören, Kompromisse finden und ggf. verbessern.
Diesen Pfad aber nun auch zu Ende zu gehen, ist unser Anspruch aus NRW heraus an die handelnden Akteure im Bund und in der EU.

Jetzt kommt sicherlich die Frage auf: Wieso erst jetzt?
Ich stelle sie mir auch. Vielleicht hätten die Debatten schon früher und damit auch sachlicher geführt werden können.
Tatsache ist, dass allerdings aus der agierenden Parteienlandschaft sich bis nun auf die Union, niemand aus der Deckung gewagt hat!

Die Kolleginnen und Kollegen der SPD sollten sich deshalb nicht hinter Katarina Barley verstecken, die sie noch positiv im Antrag erwähnen.
Barley ist die verantwortliche Bundesministerin.
Dann hörte man mal positives, mal was negatives. Nicht Fisch, nicht Fleisch.
Nie hörte man Vorschläge zum Verhindern von Upload-Filtern.
Für eine Person, die die SPD sogar zur Spitzenkandidatin für die Europawahl gemacht hat, eine bemerkenswerte „Leistung“.
Das was sie gemacht ist folgendes:
Sie hat, im Gegensatz zum EP, dem EU-Entwurf bereits zugestimmt.
Sich dann gleichzeitig hinzustellen und zu sagen, das finde sie nicht gut, ist vor allem eins: Scheinheilig.

Und auch Grüne wie AfD machen sich einen viel zu schlanken Fuß. In leider viel zu oft gewohnter Manier sind sie GEGEN etwas. Ablehnen aber ist schon immer die leichtere politische Übung.

Liebe SPD, liebe grüne Kollegen, Premium-Oppositionsarbeit ist dann, wenn man eigene konkrete Vorschläge unterbreitet. Premium-Opposition wäre es, die Interessen des Landes und der Menschen im Blick zu haben. Stattdessen wir der Eindruck des Versuchs parteipolitischer Geländegewinne vermittelt. Das ist nicht Premium, sondern dritte Wahl.

Zumindest: Offenbar ist Frau Barley lernfähig.
Sie will nun den CDU-Vorschlag europaweit durchsetzen.
Und das sage ich ganz ohne Häme: Dabei wünsche ich ihr Erfolg!

Denn auch die europäischen Institutionen sind aufgefordert, die öffentliche Kritik anzunehmen.
Sie sind aufgefordert aufzuzeigen, wie effektiver Urheberrechtsschutz ohne Upload-Filter gelingen kann.
Im Dialog Europas mit den Bürgerinnen und Bürgern ist mehr Transparenz auch in der Abwägung verschiedener Modelle wünschenswert.

Das nun vorgestellte Deutschland-Modell kann eine geeignete Blaupause für ganz Europa werden, um die Richtlinie weiter zu schärfen.
Ich würde das sehr begrüßen.

Unsere Bedenken, aber vor allem auch unsere Erwartungshaltungen haben wir im Entschließungsantrag zusammengetragen.
Wir wollen aus NRW ein Zeichen senden, dass wir effektiven Urheberrechtsschutz durch eine Vereinheitlichung des europäischen Regelwerks für wichtig erachten.
Genauso wichtig ist es, maßvolle, geeignete Instrumente anzuwenden.
Wir erwarten von den europäischen Institutionen eine kritische Analyse und ggf. vom Bundesgesetzgeber eine adäquate Umsetzung, die Upload-Filter ausschließt.

Der vorliegende SPD-Antrag macht es sich hierbei viel zu einfach.
Ich bitte um Zustimmung zum Entschließungsantrag der NRW-Koalition.

Ggf. Antworten:

Wieso Thiemo Wölken-Vorschläge abgelehnt?
- Unterschied: Einzelverträge vs. Pauschallizenzen
- Unterschied: Einzel-MdEP Position (noch dazu dünn vorgetragen) vs. Breite Parteiposition

Was machen MdEPs um europäische Lösung herbeizuführen?
- Die CDU-Vorschläge sind ein wesentlicher Schritt und bieten eine Option für den Fall einer nationalen Umsetzung.
- Gemeinsam ist es unser Auftrag auch in den nächsten Tagen mit den Akteuren der EU zu sprechen, ob das auch EU-weit so funktionieren kann, welche Voraussetzungen es braucht. Stimmen Sie unserem Antrag heute zu, dann setzen wir gemeinsam ein starkes Signal.

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