
Sehr geehrte Damen und Herren
Aus grauer Städte Mauern zogen sie dereinst in die Flussauen und Mittelgebirge unseres Landes. Mit Zelt, mit Campingwagen und in Lauben in dafür eigens ausgewiesene Gebiete, die in den verschiedenen Baunutzungsverordnungen seit 1962 als „Wochenendhausgebiete“ oder „Sondergebiete, die der Erholung dienen“ bezeichnet werden. Als solche gelten Wochenendhaus-, Ferienhaus- oder Campingplatzgebiete.
Die Ansprüche der Bewohner haben sich sicherlich im Zeitablauf geändert. Dem trägt auch § 10 der Baunutzungsverordnung in seinen verschiedenen Änderungen Rechnung. So sind mittlerweile Einrichtungen zur Versorgung zulässig. Es mag dem Antragsteller so erscheinen, dass sich diese Sondergebiete in Bauweise, Erschließung oder Versorgungsanlagen nicht von Wohn- oder Mischgebieten unterscheiden. Allein: sie tun es regelmäßig vom Zweck her. Sie sind nach § 10 Abs. 4 BauNVO bestimmt, einem auf Dauer wechselnden Personenkreis überwiegend zur Erholung zu dienen, so.
Wie ist das Problem entstanden? Da werden Wochenend- und Ferienhäuser in den 70’er Jahren gebaut, von Hans und Lisbeth in den 90’er Jahren gekauft und renoviert, es wird der Umbau der Terrasse zum Wintergarten genehmigt. Hans und Lisbeth werden älter, gehen in Rente, das eigene Haus, die Mietwohnung wird zu groß: man beschließt, sie aufzugeben und dauerhaft das Ferienhaus zu nutzen. Weil eine Wohnadresse benötigt wird, beantragt man den Hauptwohnsitz. Die Kommune folgt dem Begehr – die Motivlage lasse ich offen: zusätzliche Schlüsselzuweisungen und Kaufkraft, Gefälligkeit in Unkenntnis der Rechtslage, Wohnungsknappheit auf dem allgemeinen Wohnungsmarkt. So haben wir in hunderten Sondergebieten zum Zwecke der Erholung zwischen 20 und 30.000 Dauerbewohner allein in NRW.
Gleichwohl: Der einzelne Dauerbewohner ändert die bauordnungsrechtlichen und raumplanerischen Vorgaben nicht. NRW ist ein dicht besiedeltes und stark industrialisiertes Land, weswegen die Belastungen der Umwelt zu einem sehr sparsamen Umgang mit Freiraum führen müssen. Dieser darf nur beansprucht werden, wenn der regionalplanerisch dargestellte Siedlungsbereich für die absehbare Bevölkerungs- und Wirtschaftsentwicklung nicht ausreicht. Diesen Nachweis ist der Antragsteller weder gewillt, noch in der Lage zu führen.
Ja, das aktuelle LEP-Änderungsverfahren eröffnet über ein landesplanerisches Einvernehmen die Möglichkeit, Sondergebiete als Flächen für bauliche Nutzungen im Sinne von § 1 Abs. 1und 2 Baunutzungsverordnung darzustellen und festzusetzen. Etwa, weil Siedlungsentwicklungen der vergangenen Jahrzehnte das Sondergebiet eingegliedert haben. Aber schon der Erlaß vom 17. November 2008 definierte eindeutige Kriterien hierfür:
1. Unmittelbares Angrenzen an einen genehmigten ASB, genehmigte Wohnbauflächen oder Baugebiete
2. Die Darstellung als ASP im Regionalplan mit entsprechendem Flächentausch
3. Die gesicherte Erschließung und ausreichende Infrastruktur
Die vom Antragsteller angeführte Vorlage 17/1831 spricht für alle anderen Fälle von „Fehlentwicklungen hin zu einer Dauerwohnnutzung“, die zu einer funktionalen Änderung der Unterkünfte sowie der Anforderungen an die Infrastruktur führen. Stichwort: Brandschutz, Erschließungsanlagen etc. Wir dürfen hier nicht mit zweierlei Maß messen.
Den „Erlass zur Konkretisierung des LEP NRW –Wohnen, Gewerbe und Industrie“ vom 17. April 2018 zu instrumentalisieren, scheidet schon aufgrund seines Zweckes aus: Er will Arbeitsplätze sichern und schaffen sowie Wohnraum, Zitat “wo er benötigt wird.“ Das ist aber ganz eindeutig im Siedlungsbereich, nicht im Freiraum.
So ist das Verhalten von Hans und Lisbeth im Regelfalle als illegale Nutzung zu werten. Eine Nutzungsänderung des Ferienhauses in eine Dauerwohnstätte ist nach § 63 Bauordnung NRW genehmigungspflichtig, für die ihrerseits eine Baugenehmigung vorliegen müßte. Mit Blick auf den Gleichbehandlungsgrundsatz und den Rechtsfrieden ist dringend davon abzuraten, hiervon für eine Gruppe abzusehen.
Was tun? Zumeist anlassbezogen werden die Bauordnungsbehörden über Ordnungsverfügungen auf die Aufgabe des Dauerwohnens drängen. Dabei wird man Hans und Lisbeth eine Frist zur Stellungnahme einräumen, das Gespräch mit ihnen suchen und bei unverhältnismäßiger Härte - hohem Alter, schlechter Gesundheit - u. U. eine personenbezogene Duldung aussprechen. Mit diesem Fingerspitzengefühl ist zumindest meine Kreisverwaltung unterwegs.
Der Ansatz der AfD ist hingegen falsch. Der fachlichen Diskussion im Ausschuss stellen wir uns sehr gerne.
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