Oliver Krauß zu TOP 8 "Get Brexit done"

23.01.2020

Anrede

heute vor genau einem Jahr haben wir uns in einer Aktuellen Stunde mit der damaligen Ablehnung des Austrittsabkommen im britischen Unterhaus befasst. Seinerzeit hat der Redner der AfD an seiner Gesinnung keinen Zweifel gelassen. Die Gemeinschaft sei nach der gesamten Gründungsidee zutiefst antidemokratisch und wird mit einer Sekte verglichen. Gegeißelt wurden „Zentralisierungsbestrebungen“, prophezeit wurden eine „ungezügelte Migration“ und die „ständige Nettozahler-Rolle“.

Der heutige Antrag schließt nahtlos an diese Legende an. Prämisse und Aktion werden verdreht: alles dafür zu tun, die „Auswirkungen des Brexits auf die [.] Wirtschaft zu minimieren“, sich „für eine großzügige und faire Ausgestaltung“ künftiger Beziehungen einzusetzen – mit treuherzigem Votum für „unverbrüchliche Freundschaft“.
Wo wollen die Autoren aber hin, wenn ihren Forderungen schon abgeholfen ist: Eines vorweg:
Demokratische Voten im Vereinigten Königreich haben wir nicht nur in diesem Haus stets respektiert. Es muss aber erlaubt sein, die Entscheidung der Briten zu bedauern und für falsch zu halten.
Der Sieg der Konservativen bei den Unterhaus-Wahlen ist getragen von dem Wunsch der Briten, endlich die Hängepartie beim BREXIT durch klare Mehrheitsverhältnisse zu beenden. Die Antragsteller wollen jedoch konstruieren,  dass die unterlegene Labour-Partei entschieden für ein Verbleiben in der EU eingetreten sei und die Unterhaus-Wahlen daher eine Abstimmung zwischen BREXIT und REMAIN gewesen wäre.
Der BREXIT ändert doch nichts an unserer Freundschaft mit dem Vereinigten Königreich, die tagtäglich in Tausenden von Kontakten gelebt wird. So teilen wir zur Stunde den Alltag mit rund 25.000 britischen Staatsangehörigen.

Von Beginn an hat sich NRW auf die denkbaren Szenarien vorbereitet
• an der Seite von EU und Bundesregierung;
• im Einvernehmen mit den Beschlüssen im Bundesrat;
• mit einem geeintem Eintreten für ein so enges künftiges Verhältnis zu Großbritannien, wie es unter den Bedingungen des Austritts möglich ist,
• mit dem Brexit-Übergangsgesetz;
• im Zusammenkommen mit unseren Unternehmen, mit den Kammern, mit den Gewerkschaften, den Sozialpartnern und Mitmenschen;
• mit der Aktivierung von NRW.Invest;
• in zahlreichen persönlichen Kontakten.

Die Landesregierung hat im Wirtschaftsausschuss am 3. April 2019 die Realität differenziert dargestellt – anders als der Antrag Glauben machen will. Das Vereinigte Königreich war im Jahr 2015 unser „viertwichtigste[r] Handelspartner“ – im Jahr 2018 lag es „nur noch [auf] Rang 8“. Zeitgleich rutschte Großbritannien im bundesweiten Ranking von Platz drei auf Platz sieben.

Gesellschaft, Wirtschaft und Politik sind zusammengerückt, um Lösungen zu finden, über die Straße von Dover hinweg.
Das alles wollen die Antragsteller ausblenden.
Was bleibt, ist die nackte Forderung: „höhere Beiträge des größten Nettozahlers Deutschland an die EU strikt“ abzuwenden. Wieder einmal wird der Mythos vom „Zahlmeister Europas“ gespielt.
Doch Deutschland ist Netto-Profiteur: Jeder Euro für die Kohäsionspolitik kommt zu einem großen Teil aus der Nachbarschaft zurück – als Auftrag für unsere Unternehmen und Ingenieure, die im Baugewerbe verdienen, bei den Investitionsgütern oder im Fahrzeugbau.
Die Antragsteller lassen die Interessen unserer Landwirte und Verbraucher außen vor. Wir stehen für die robuste Finanzstärke der Gemeinsamen Agrarpolitik, in erster und zweiter Säule.
Und in die Legende der Antragsteller passt dann auch nicht, dass die Bundesrepublik Haupt-Gewinner der Gemeinschaftswährung ist und dass der Binnenmarkt der größte Treiber unseres Wohlstandes ist. 

Die Autoren scheinen kein Interesse an der Wirklichkeit und an Fakten zu haben.
Stattdessen wird vorgetäuscht, man setze sich für den deutschen Steuerzahler ein.
Die politischen Herausforderungen verpflichten jedoch zu mehr Europa, bei den Klimaveränderungen, in der Sicherheits- und Verteidigungspolitik, bei der inneren Sicherheit, in der Energieversorgung oder bei der Regulierung der Märkte.
Der Überweisung an den Fachausschuss stimmen wir dennoch zu. Dort können wir noch einmal deutlich machen, dass die Partnerschaft mit dem Vereinigten Königreich bleiben wird – auch nach dem Brexit.

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