Heike Wermer zu TOP 5 "Menschenunwürdige Situation an der türkisch-griechischen Grenze und in den griechischen Flüchtlingslagern spitzt sich zu – Landesregierung muss jetzt handeln"

11.03.2020

Sehr geehrter Herr Präsident,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
die humanitäre Lage auf den griechischen Inseln in der Ägäis ist besorgniserregend. Die Unterstützung Griechenlands dort ist nun endgültig unabdingbar, denn die Auffangstationen haben ihre Kapazitätsgrenzen erreicht. Es ist klar: wir müssen Griechenland unterstützen, wir müssen die Lage der Menschen verbessern – es kann so nicht bleiben.
In Anbetracht der derzeitigen Lage in der Türkei und auf den griechischen Inseln in der Ägäis reagiert die Politik. Reagieren CDU, CSU und SPD im Bund und reagieren auch CDU und FDP in Nordrhein-Westfalen.
Meine Damen und Herren,
mit dem Ergebnis des Koalitionsausschusses von CDU, CSU und SPD kann eine europäische Koalition williger Mitgliedsstaaten ins Leben gerufen werden. Neben Deutschland haben hier auch bereits andere EU-Mitglieder ihre Unterstützung zugesagt. 1.000 – 1.500 schutzbedürftige, kranke Kinder und minderjährige Unbegleitete bis zum Alter von 14 Jahren sollen mithilfe dieser Koalition auf EU-Staaten verteilt werden.
Um in Not zu helfen, um Griechenland zu entlasten und um die Verfahren zu ermöglichen. Diese Verfahren bleiben essentiell: Wir müssen wissen, wer in die EU einwandert und wir müssen auch wissen, wer warum nach Deutschland kommt. Das dürfen wir nicht umgehen. Hierfür bedarf es einer europäischen Idee.
Diese wird auch durch den griechischen Ministerpräsidenten Mitsotakis unterstützt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
am 29. Februar hat sich der türkische Präsident Recep Erdoğan entschieden, das Abkommen zwischen der Türkei und der Europäischen Union einseitig zu kündigen und Menschen als Spielball zu instrumentalisieren. Mit einer zynischen Lüge hat er Tausende Menschen an den türkisch-griechischen Grenzfluss Evros gelockt. Mit seiner Ankündigung, dass die Grenze zur EU geöffnet sei, hat er sie in eine Sackgasse getrieben.
Nun harren im türkisch-griechischen Grenzgebiet die Menschen schutzlos weiter aus, obwohl die Grenze zur Europäischen Union verschlossen ist.
Und verschlossen bleibt! Wir als EU werden die Grenzen nicht öffnen. Die EU lässt sich von Präsident Erdoğan nicht erpressen.
Für die NRW-Koalition sind Ordnung und Humanität zwei Seiten einer Medaille.
Für uns als CDU Landtagsfraktion sind jetzt zwei Dinge entscheidend:
Erstens: Wir brauchen jetzt eine schnelle, unkomplizierte und unbürokratische Hilfe für Griechenland.
Zweitens: Wir müssen darauf drängen, eine Lösung mit der Türkei zu finden.
Zu Punkt 1:
Auf der einen Seite muss die Außengrenze der EU in Griechenland gestärkt werden. Das ist das klare Signal, damit das Recht auf Asyl gelten kann.
Unser Flüchtlingsminister Dr. Stamp hat bereits ein starkes Signal nach Berlin gesandt und steht einer Entscheidung für eine „Koalition der Willigen“ bei. Das zeigt ein Einstehen für die Humanität. Daneben gilt: Wir stehen ein für eine gesicherte Außengrenze. Aber diese Ordnung muss durch gemeinsames Handeln beschützt werden.
Deshalb ist es richtig, wenn unser Ministerpräsident Armin Laschet ankündigt, Frontex mit Landespolizisten verstärken zu wollen. Die Grenzen zu sichern, zu stärken und auch am Prinzip geschlossener Grenzen festzuhalten – daran gibt es nichts zu rütteln. Nur so kann das freizügige Europa nach Innen funktionieren. Nur so kann ein europäisches Asylrecht funktionieren.
Auf der anderen Seite müssen wir die Menschen in den Blick nehmen, die bereits in der Europäischen Union sind und unter schwierigen Umständen in den griechischen Auffangstationen leben. Auch hier brauchen wir ein gemeinsames europäisches Handeln.
NRW hat sich in der Vergangenheit immer wieder an humanitären Aufnahmeverfahren beteiligt. Zuletzt im Oktober 2019, als der Aufnahme von bundesweit 50 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge noch im zurückliegenden Jahr entsprochen wurde. Die einzelnen Aufnahmekontingente erfolgten hier nach dem Königsteiner Schlüssel.
Denn anders als es der Antrag der Grünen hier im Landtag aussagt:
Uns ist klar: Wer ein starkes Europa möchte, wer eine Gemeinsame europäische Asylpolitik erreichen möchte, der muss auch innerhalb Europas nach Lösungen ringen.

Eine Lösung kann nur über die Bundesregierung auf europäischer Ebene gefunden werden. Wer ein starkes Europa möchte, wie noch vor einem Jahr hier in diesem Haus beschworen, der darf nicht an anderer Stelle europäische Partner umgehen. Das würde anderen EU-Mitgliedstaaten signalisieren, dass sie keine Verantwortung übernehmen müssen.
Aber: Wir sind froh, und das kann betont werden, dass wir viele Kommunen in NRW haben, die sich bereit erklären, das Land und den Bund zu unterstützen.
Es ist ein menschliches Signal und ein anzuerkennendes Zeichen, dass sich Kommunen im Bündnis „Städte Sicherer Häfen“ dafür aussprechen, über den Königsteiner Schlüssel hinaus und auf eigene Kosten zu unterstützen. Es ist ein Zeichen, das auch für unser Verständnis von NRW als ein weltoffenes Land steht.
Jedoch: Die Entscheidung, ob und wie Schutz in Deutschland gegeben wird, ist eine Entscheidung des Bundes. Eine gute Regelung: Top-Down auf die Länder, dann auf die Kommunen.
Andersherum können Kommunen sich auch nicht verweigern, Schutzbedürftige aufzunehmen.
Kurzum: die Entscheidung muss im Bund getroffen werden. Dort hatten die Grünen ja einen fast gleich lautenden Antrag gestellt, der vergangene Woche im Deutschen Bundestag abgelehnt wurde.
Lassen Sie mich nun den zweiten Punkt erklären, den wir jetzt als entscheidend sehen:
Es ist wichtig, jetzt ein neues nachverhandeltes Abkommen mit der Türkei zu unterstützen. Über 95 % der flüchtenden Syrer – und das sind fast 4 Mio. – haben in der Türkei Schutz gefunden. Mit Mitteln der Europäischen Union wurde eine medizinische Grundversorgung und eine Chance auf Bildung in der Türkei gesichert. Dank des Abkommens können in der Türkei heute über 500.000 Kinder und Jugendliche eine Schule besuchen. 180 neue Schulen konnten gebaut werden. Viele Syrer haben einen Zugang zu Sozial- oder Gesundheitsleistungen.
Meine Damen und Herren,
der Konflikt zwischen der EU und der Türkei zieht diejenigen in Mitleidenschaft, die den Hoffnungen, die Erdogan geschürt hat, gefolgt sind.
Deshalb ist es mehr als wichtig, dass die EU und die Türkei nun zu einer schnellen Lösung kommen, um eine humanitäre Katastrophe an der Grenze zur EU zu verhindern.
Ich fasse also zusammen:
1. Die CDU in NRW bestärkt die Bundesregierung, eine europäische Lösung zu finden. Wir als Europapartei unterstützen keine Alleingänge, die unsere Partner umgehen. Uns ist es wichtig, dass Schutzbedürftige in menschenwürdigen Verhältnissen leben. Um genau dies zu erreichen, dürfen wir die anderen EU-Mitgliedstaaten nicht von ihrer Verantwortung befreien. Genau deshalb ist ein gemeinsamer Gang statt Alleingang wichtig. Wir brauchen viele starke, breite Schultern.
2. Präsident Erdoğan missbraucht Flüchtlinge und Migranten in der Türkei, um seine politischen Ziele und vor allem außenpolitischen Wagnisse durchzusetzen. Hier dürfen wir uns, auch nicht in Nordrhein-Westfalen, unter Druck setzen lassen. Die EU ist die starke Stimme, die jetzt handeln wird.
Die CDU-Fraktion wird dem vorliegenden Antrag der Grünen und dem Entschließungsantrag der SPD aus diesen Gründen nicht zustimmen. Ich möchte eindringlich für unseren Entschließungsantrag werben.
Vielen Dank.

Themen

Autoren