„100 Jahre Frauenwahlrecht in Deutschland - Würdigung der Errungenschaft und zugleich Selbstverpflichtung zur Stärkung der Rechte für Frauen“

17.01.2018
Rede
Simone Wendland MdL zu TOP 4

Herr Präsident,
meine sehr verehrten Damen und Herren,

als das Kabinett Kraft im Sommer seine Arbeit beendete, stellte die SPD die Ministerpräsidentin und die Spitzen von acht Ministerien. Sie stellte aber nur drei Ministerinnen und dafür fünf Minister. Darüber hinaus stellte sie elf Staatssekretäre. Unter diesen befand sich keine einzige Frau.

Heute- ein halbes Jahr später - will die SPD-Landtagsfraktion die Landesregierung auf verbindliche Zielvorgaben für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern in politischen Gremien verpflichten und der öffentliche Dienst des Landes soll dabei mit gutem Beispiel vorangehen.

Was Sie in Ihrer Regierungsverantwortung also selber nicht geschafft haben, verlangen sie nun vollmundig von der Nachfolgeregierung. Insofern fügt sich Ihr Antrag lückenlos in Ihre Anträge zur Finanzierung von Betreuungseinrichtungen für Kinder oder den Ausbau der Infrastruktur in Nordrhein-Westfalen ein.

Als ich Ihren Antrag gelesen habe, hatte ich fast das Gefühl, er sei von Männern geschrieben worden. Denn auch Männer arbeiten ja gerne mit Vergleichen, wenn sie sich profilieren wollen. Das eigentliche Anliegen Ihres Antrags ist es ja offenbar, deutlich zu machen, dass die SPD sozusagen den Alleinvertretungsanspruch bei der Verwirklichung von Frauenrechten hat.

Angela Merkel- unsere bislang einzige Bundeskanzlerin- hat einmal gesagt: „Es ist keine vollkommene Gesellschaft, wenn ganze Bereiche nur von Männern besetzt werden.“ Und dann der Nachsatz: „Oder nur von Frauen.“ Damit hat sie vollkommen Recht und deshalb haben Sie auch mit dem Grundanliegen Ihres Antrags recht.

Wir brauchen in der Tat mehr Frauen in der Politik, in Wirtschaft, Medien und Kultur. Wir brauchen vor allem auch junge Frauen, und vor allem brauchen wir die Mütter. In diesem Punkt pflichten wir Ihnen bei. Doch Ihr Antrag hat den falschen Adressaten. Wie so häufig bei der SPD ist auch dieser Antrag von oben nach unten und damit in die falsche Denkrichtung gedacht.

Natürlich wäre es schön, wenn die Kommunen Rahmenbedingungen schaffen, die es Frauen erleichtern, ein Mandat in einem Gemeinde- oder Stadtrat oder einem Kreistag zu übernehmen.

In meiner Heimatstadt, in Münster hat die Stadtverwaltung vor einigen Wochen eine Umfrage unter den Mandatsträgern den Bedarf für Kinderbetreuung während Gremiensitzungen abgefragt. Das ist sicherlich ein guter Ansatz.

Wir alle kennen die Wirklichkeit und wenn wir ganz ehrlich sind, ist es doch so, dass wir in den Parteien nach wie vor männerdominierte Strukturen und Rahmenbedingungen haben. Parteiveranstaltungen mit einem parallelen Kinderbetreuungsangebot gibt es nur recht selten und ich bin ganz sicher, dass sie auf den wenigsten Checklisten für die Organisation von Parteiveranstaltungen auftauchen.

Ich bin auch ganz sicher, dass die Locations für Parteiveranstaltungen oder Klausurtagungen eher aufgrund des Inhalts der Speisekarte und des Vorhandenseins von Parkplätzen ausgesucht werden, als unter dem Kriterium, ob es ein Spielzimmer oder gar Wickelmöglichkeiten gibt. Und wenn man über die Zeiten nachdenkt, zu denen man Parteiveranstaltungen terminiert, ist es immer noch so, dass man dabei eher den Terminkalender der Fußballnationalmannschaft der Männer im Blick hat als den einer ganz normalen Familie.

Wenn eine Frau ein politisches Mandat anstrebt, muss sie sich nach wie vor auf diese vornehmlich von Männern geschaffenen Rahmenbedingungen einstellen. Denn in allen Parteien gibt es auf irgendeine Art und Weise die sogenannte Ochsentour mit dem Besuch von zig Veranstaltungen, bei denen man sich vorstellen und präsentieren muss. Man könnte es auch etwas zynisch so ausdrücken: Eine Frau, die ein kommunales Mandat erringt, hat zwangsläufig ihr Leben vorher schon so organisiert, dass sie die Unterstützungsmöglichkeiten, die Sie einfordern, schon fast gar nicht mehr braucht.

Und deshalb meine ich, dass Ihr Antrag falsch adressiert ist. Sie sollten ihn an sich selber, an die Verantwortlichen in Ihrer Partei stellen. Denn ich bin ganz sicher: Wenn die Frauen, wenn die Parteien sich frauenfreundlicher aufstellen, kommt alles andere von alleine und muss nicht von oben verordnet werden. Denn das ist das Problem an ihrem Antrag. Sie wollen mal wieder mit verbindlichen Zielvorgaben arbeiten.

Das Verfassungsdebakel mit dem von Ihnen beschlossenen Landesbeamtengesetz war Ihnen offenbar keine Lehre. Wenn eine Frau nur aufgrund der Tatsache, dass sie eine Frau ist, ein Amt oder eine Funktion erhält, bringt dies keinem etwas. Es ist weder im Sinne der Aufgabe, die erfüllt werden muss, noch im Sinne der Frau selbst. Wir brauchen auch vielmehr in den noch männerdominierten Bereichen eine weitere Verbreitung der Erkenntnis, dass Frauen über besondere und spezielle Fähigkeiten, Talente und Kenntnisse verfügen, von denen alle profitieren können. Man kann das an vielen kleinen Dingen festmachen. Ich bin zum Beispiel der festen Überzeugung, dass Gebäude und Wohngebiete ganz anders geplant und konzipiert werden würden, wenn man männlichen Planern mal einen Tag einen Kinderwagen in die Hand drücken würde.

Wir würden uns alle wundern, wo auf einmal Barrieren verschwinden, Aufzüge eingezeichnet und Kinderspielplätze platziert würden. Aber wir Frauen wissen: Bei Männern dauert es manchmal etwas länger bis der Groschen fällt. Und manchmal brauchen Sie dazu auch den Anstoß von uns Frauen. Wie wirkungsvoll der sein kann hat Angela Merkel bei ihrer Neujahrsansprache 2005 gezeigt, als sie darauf hingewiesen hat, dass die deutschen Fußball-Frauen gerade Weltmeister geworden seien und es eigentlich keinen Grund geben sollte, warum Männer nicht das Gleiche leisten könnten. Acht Jahre später haben die Männer dann gleichgezogen. Das sollte uns allen Hoffnung geben. Wir bleiben dabei. Von oben verordnete Zielvorgaben, eine Top-down-Politik – das bringt überhaupt nichts. Die Belege und Beispiele dafür sind zahlreich. Wir müssen bei uns selbst anfangen, in den Parteien, in Vereinen und Verbänden. Wir Frauen in der CDU sind auf einem guten Weg. Der von mir eingangs erwähnte Blick auf das Kabinett Kraft zeigt, dass Sie in der SPD noch viel Arbeit vor sich haben. Sie sollten sie nicht auf uns abwälzen.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.