Andrea Stullich zu "Gesetz zur Vermeidung von Gendersprache in den Angeboten des Westdeutschen Rundfunks (Gendersprache-Vermeidungsgesetz WDR)“

03.11.2022

Sehr geehrter Herr Präsident,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
regelmäßig löst das Thema „Gendersprache“ heftige Diskussionen aus, die auf mich den Eindruck machen, es gebe dabei nur noch schwarz oder weiß, richtig oder falsch.
Debatten, die so plump polarisieren, nutzt die AfD gern für ihre Zwecke –   in diesem Fall, um sich als moralische Instanz darzustellen und um weiter Misstrauen gegen den verhassten öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu verbreiten. Diesen Spin kennen wir ja schon aus anderen Zusammenhängen.
Diesmal geht die AfD noch einen Schritt weiter:
Sie wollen den WDR anweisen, wie dort geschrieben und gesprochen werden soll. Sie wollen also die Verwendung von Sprache in einem öffentlich-rechtlichen Sender regeln – noch dazu in einem Gesetz.
Das ist vollkommen übertrieben und unverhältnismäßig.
Zudem greift Ihr Gesetzentwurf in die Programm-Autonomie des WDR ein.
Wie es der WDR mit der Gendersprache hält, das gehört in den Rundfunkrat und nicht ins Parlament. Denn aus gutem Grund darf die Politik Journalistinnen und Journalisten nicht vorschreiben, wie und worüber sie zu reden haben.
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
wer wie die AfD Wortungetüme wie „Gendersprache-Vermeidungsgesetz WDR“ erfindet, hat selbst ein Problem mit unserer Sprache.
Aber viel schlimmer ist:
Sie bezeichnen in Ihrem Entwurf Linguistinnen gehässig als – Zitat – „radikalfeministische Akademiker im Kostüm der Wissenschaft“,
Sie sprechen polemisch von – Zitat – „der Gendersprache innewohnende linksradikale Weltanschauung“,
Sie unterstellen, damit sollten Menschen – Zitat – „ideologisch umerzogen werden“.
Und gleichzeitig werfen Sie dem WDR – Zitat – „Propagandasprache“ vor. -
Herr Tritschler, Sie sollten ganz dringend vor der eigenen Haustür kehren.
Ihr Gesetzentwurf entlarvt Ihr höchst problematisches Verständnis von Demokratie und Meinungsfreiheit.
Sie wollen Medien und Medienschaffende staatlich kontrollieren und deren Angebote zensieren. Ihre spalterischen und anti-demokratischen Absichten sind offensichtlich.
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
was ist unsere Antwort darauf? Selbstverständlich, dass wir uns weiterhin mit aller Kraft für eine vielfältige und vor allem starke, unabhängige und freie Medienlandschaft einsetzen.
Dabei ist der Grundsatz der Staatsferne die Leitlinie für sämtliche Maßnahmen und Initiativen unserer Koalition und der Landesregierung im Bereich Medienpolitik.
Wir denken auch nicht in ständiger Gängelung, nicht in Verboten,      nicht in Überregulierung.
Und vor allem tun wir eines nicht: Wir schreiben Medien nicht vor,   wie und worüber sie zu berichten haben und in welcher Sprache.
Meine Damen und Herren,
obwohl ich persönlich kein Fan der Gender-Sprache bin – und ich glaube, dass ich als Sprachwissenschaftlerin sehr gute Gründe für meine Haltung habe – lehne ich die übergriffigen Forderungen der AfD rundherum ab und würde mich freuen, wenn wir die Diskussion generell  sachlich und weniger aufgeregt führen könnten.
Wenn jemand gendern möchte, akzeptiere ich das. Wir alle müssen uns bemühen, Sprachklischees und diskriminierende Sprache zu vermeiden. Ob Gendersprache die Wirklichkeit am Ende tatsächlich sensibler, treffender und präziser abbilden kann, als unsere herkömmliche Sprache – da habe ich meine Zweifel.
Aber Gendersprache wird unser Land nicht zugrunde richten. Die Sprache der AfD und vor allem die Demokratie-Verachtung, die die AfD auch mit diesem Gesetzentwurf wieder zur Schau trägt, macht mir da deutlich mehr Sorgen.
Klar ist: Unsere Sprache muss in erster Linie respektvoll sein.
Und da, Herr Tritschler, haben Sie und Ihresgleichen einen ganz erheblichen Nachholbedarf.
Vielen Dank.

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