
Sehr geehrter Herr Präsident,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
am aktuellen Beispiel, wie im NDR mit einer Journalistin umgegangen wurde, kritisiert der Antrag der AfD die Reformbemühungen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Auch im Reformstaatsvertrag, der gerade in den Landtagen diskutiert wird, würden Fragen von Meinungsvielfalt und redaktioneller Unabhängigkeit nur unzureichend adressiert, heißt es.
Unbestritten werden auch im öffentlich-rechtlichen Rundfunk Fehler gemacht. Vielfach wurden in den letzten Wochen Vorwürfe geäußert, der NDR hätte im Umgang mit der Journalistin und dem Magazin „Klar!“ missliebige Perspektiven ausgrenzen wollen, und der öffentlich-rechtliche Rundfunk habe insgesamt politische Schlagseite.
Das sollte in den Anstalten aufhorchen lassen, denn wenn solche Vorwürfe begründet sind, können sie das Vertrauen dauerhaft zerstören.
Die Rechtslage ist eindeutig. Der Medienstaatsvertrag verpflichtet alle öffentlich-rechtlichen Sender zu Objektivität, Unparteilichkeit und Vielfalt. Sie müssen in ihren Angeboten unterschiedliche Themen und Meinungen möglichst breit und differenziert darstellen.
Das WDR-Gesetz schreibt genau dasselbe noch einmal fest. Das ist alles geltendes Recht – dafür braucht es Ihren Antrag nicht.
Zumal im Reformstaatsvertrag weitere Instrumente für mehr Transparenz, Evaluation und Beteiligung ergänzt werden, wie Leistungsanalysen, mehr Dialog und ein unabhängiger Medienrat.
Wer diese Reformen schon in Frage stellt, bevor sie überhaupt in Kraft sind, hat nicht Meinungsvielfalt im Sinn, sondern sucht eine politische Bühne für die eigene Erzählung.
Sie verweisen im Antrag zudem auf die Studie der Uni Mainz, die angeblich belegt, dass bestimmte Positionen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk signifikant unterrepräsentiert seien.
Also, ich finde in der Studie Sätze wie diesen – Zitat:
„Die öffentlich-rechtlichen Formate lassen (…) einfache Bürger und die aktuellen Oppositionsparteien im Verhältnis häufiger zu Wort kommen als die Vergleichsmedien und berichten in dieser Hinsicht folglich etwas vielfältiger.“ Zitat Ende. Dass die Studie eine systematische Vernachläs-sigung bestimmter Perspektiven belegt, kann ich nicht erkennen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
der öffentlich-rechtliche Rundfunk steht vor der Aufgabe, seine gesellschaftliche Rolle glaubwürdig und effizient zu erfüllen, damit sein Wert für die Beitragszahler erkennbar bleibt.
Entscheidend ist, dass Qualität und journalistische Standards im Mittelpunkt stehen und unterschiedliche Meinungen differenziert abgebildet werden.
Begründete Zweifel an der journalistischen Binnenpluralität der Redaktionen müssen ausgeräumt, Fehlentwicklungen selbstverständlich aufgearbeitet und abgestellt werden.
Im medialen Diskurs darf keine Ausgrenzung stattfinden. Erlauben Sie mir als gelernter Journalistin dazu eine persönliche Anmerkung:
Indem auch Perspektiven dargestellt werden, die man als Journalist selbst nicht teilt, macht man sich nicht mit ihnen gemein.
Möglichst alle unterschiedlichen Sichtweisen zu einem Thema zu erklären, heißt auch nicht, es allen recht machen zu wollen.
Deshalb liegt für mich in der Idee des constructive journalism eine große Chance. Dort gibt es den Begriff der „Allparteilichkeit“: Journalisten sollen mit ehrlichem Erkenntnis-Interesse auf alle Menschen zugehen:
„Zuhören, was ist!“ – vielleicht ist das der erste Weg, um das Empfinden mancher Menschen, abgehängt zu sein oder mit ihrem Anliegen nicht gehört zu werden, zu entkräften.
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
die AfD zieht ausgerechnet den wunderbaren Humoristen Loriot als Kronzeugen für ihre Fundamentalkritik am öffentlich-rechtlichen Rundfunk heran.
Loriot war bekanntlich selbst ein „Sohn“ von ARD und ZDF. Seine legendären Sketche, Filme und Figuren verdanken ihre Beliebtheit den Freiräumen und der kreativen Förderung im öffentlich-rechtlichen System.
Loriot musste nie laut sein. Seine Figuren waren überzeichnet, aber nie entmenschlicht oder in gemeiner Absicht bloßstellend. Seine Gesellschaftskritik war nie vulgär oder verletzend, sondern höflich und präzise. Er hat Menschen nie gedemütigt, Provokation war für ihn kein Selbstzweck.
Was Loriot auszeichnete, ist genau das, was der AfD komplett abgeht.
Er würde sich vermutlich kaum geschmeichelt fühlen, wenn er wüsste, wie seine differenzierte medienkritische Haltung heute benutzt wird, um Forderungen der AfD zu bestätigen.
Loriot würde sich wohl leise seufzend abwenden – und mit trockenem Humor feststellen: „Früher war mehr Lametta.“ – Vielen Dank.
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