Bianca Winkelmann zu TOP 5 "Ernährungswirtschaft in NRW"

27.05.2020

ANREDE

Begeben wir uns doch einmal gemeinsam gedanklich in einen Supermarkt Ihrer Wahl. Im Kühlregal finden wir verschiedene Fleischwaren. Vielleicht weist das rote Preis-Schild auf das Angebot der Woche hin: 500 Gramm Schweinefilet für 2,99 Euro.

Wer kann es dem Verbraucher verdenken, wenn er bei einem solchen Preis sofort zugreift, um seinen Lieben Zuhause für günstiges Geld eine Mahlzeit zuzubereiten? Auch darüber müssen wir sprechen, wenn es um die Lebensmittelproduktion im gesamten Kontext geht.

Als CDU-Fraktion befürworten wir ausdrücklich, dass wir uns heute hier im hohen Haus mit diesem Thema beschäftigen – wohlwissend, dass über die wichtigsten gesetzlichen Änderungen zum Arbeitsschutz nicht wir hier im Landtag entscheiden, sondern der Bundestag.

Aber wir sollten auch in diese Diskussion eben alle Perspektiven mit einbeziehen und uns fragen, wo die Ursachen liegen könnten?

Zur Wahrheit gehören nämlich verschiedene Aspekte dazu.

In der Fleischwirtschaft sind – wie auch in anderen Bereichen der Ernährungswirtschaft - , etwa bei der Ernte, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aus anderen Ländern leider inzwischen nicht mehr verzichtbar. Diese Entwicklung ist durchaus kritisch zu sehen.

Zudem sind durch immer höhere Auflagen in den letzten Jahren viele kleinere Schlachtereien zur Einstellung ihrer Betriebe gezwungen worden.

Ich denke, fast jeder von uns hier kennt bei sich zu Hause mindestens eine Fleischerei, die ihr Ladenlokal mit Waren aus eigener Produktion geschlossen hat.

Auch, sollten wir das Thema Saisonarbeitskräfte nicht mit den Problemen der Mitarbeiter in der Schlachtbranche vermengen.

Zur ganzen Wahrheit gehört auch dazu, dass wir das Thema Tierschutz in dieser Debatte nicht aus den Augen verlieren dürfen.

Ich will hier noch einmal daran erinnern, dass wir zur Verbesserung und Weiterentwicklung des Tierschutzes im Februar 2019 eine Rechtsgrundlage für die Videoüberwachung in Schlachthöfen gefordert haben.

Diese Orte sind mit Blick auf den Tierschutz besonders sensible Bereiche.

Außerdem will niemand unnötig weite Wege für Nutztiere auf ihrem letzten Weg und wenn wir diese langen Transporte verhindern wollen, dann brauchen wir weiterhin unsere Schlachthöfe vor Ort.

Und damit sind wir bei einem weiteren wichtigen Punkt in dieser Diskussion angekommen.

Denn, zur ganzen Wahrheit gehört auch dazu, dass die gesamte systemrelevante Kette der Ernährungswirtschaft bei den Landwirten beginnt und an der Ladentheke endet.

Fast 1000  Betriebe waren in NRW im Jahr 2017 allein der Ernährungswirtschaft zuzuordnen.

Und, dass die  gesamte Ernährungsbrache in NRW einen hohen Stellenwert hat, geht auch aus der 288 Seiten langen Antwort auf die große Anfrage hervor.

Und deshalb betone ich es nochmal:
Diesen gesamten, systemrelevanten Bereich, von der Landwirtschaft, über die Bäckereien, Molkereien, Schlachtereien bis zur Futtermittelindustrie, über den Bereich Getränke und Brauereien bis hin zum Lebensmitteleinzelhandel müssen wir in dieser Debatte als Ganzes betrachten.

Wer über NRW spricht und nur an Industrie denkt, der täuscht sich.

Auch die Agrar- und Ernährungswirtschaft gehören dazu.

Die große Vielfalt und die hohe Innovation wird allein alljährlich auf der Grünen Woche oder auch bei der Verleihung des Landesehrenpreises NRW durch unsere Ministerin deutlich.

Die Ernährungswirtschaft ist nicht nur ein wichtiger Wirtschaftsfaktor und Arbeitgeber für  160.000 Menschen in Nordrhein-Westfalen – nein, sie ist die Branche die dafür sorgt, dass wir tagtäglich mit guten und gesunden Lebensmitteln versorgt werden.

Der hohe Stellenwert voller Regale und immer verfügbarer Lebensmittel ist uns in den
vergangenen Wochen in dieser Krise bewusst vor Augen geführt worden.

Niemals nach dem 2. Weltkrieg, nicht in der Ölkrise der 1970er Jahre und auch nicht in der Wirtschaftskrise im vergangenen  Jahrzehnt gab es leere Regale.

Und wir alle hier sind als politische Vertreterinnen und Vertreter dafür verantwortlich, dass es niemals dazu kommt und es immer genügend Lebensmittel gibt.

Daher lassen sie uns diese Diskussion einerseits mit der gebotenen Konsequenz und andererseits mit der notwendigen Ehrlichkeit und Sachlichkeit führen. Es steht hier viel auf dem Spiel.