Charlotte Quik TOP 4 „Therapieplätze für Kinder mit sexueller Gewalterfahrung flächendeckend ausbauen und Wartezeiten verkürzen“

20.12.2022

Sehr geehrte Frau Präsidentin / sehr geehrter Herr Präsident,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

sexualisierter Missbrauch findet überall, zu jeder Zeit, in allen gesellschaftlichen Schichten statt.
Die WHO geht davon aus, dass 9 Prozent aller Kinder und Jugendlichen in Europa von sexuellem Missbrauch mit und ohne Körperkontakt betroffen sind. Das sind allein in Deutschland über 1 Million Kinder und Jugendliche.
Laut Statistik sitzen in jeder Schulklasse 1 bis 2 Betroffene. Zusätzlich hat das Internet die Interaktionsmöglichkeiten für Taten vergrößert und das Problem zusätzlich verschärft.
Wir alle kennen mindestens einen Menschen, der von Missbrauch betroffen ist, auch wenn wir es nicht immer von ihm wissen. Viele Taten werden nicht gesehen und Betroffene bei der Bewältigung ihres Missbrauchs immer noch zu oft allein gelassen.
Eine heute erwachsene Frau, die als Kind sexuell missbraucht wurde und sich seit langem mit einem Verein für Prävention von sexuellem Missbrauch an Kindern und Jugendlichen einsetzt, sagt: “Noch immer gibt es das Gefühl, welches ich als Kind vornehmlich erfahren habe: Es interessiert niemanden.“

Es kann und darf nicht sein, dass Betroffene erneut zum Opfer gemacht werden, weil sie alleine gelassen werden und niemand hilft! Diese Spirale des Schweigens müssen wir mit aller Konsequenz bekämpfen und daran arbeiten wir täglich.

Es ist deshalb ein wesentlicher Schritt in die entscheidende Richtung gewesen, dass sexueller Missbrauch an Kindern und Jugendlichen als Verbrechen eingestuft wurde. Diese Einstufung hat Folgen weit über einen längeren Strafrahmen hinaus. Verfahren können damit nicht mehr wegen Geringfügigkeit eingestellt und Verdächtige leichter in Untersuchungshaft genommen werden.

Keine Strafe und keine finanzielle Entschädigung kann den Schaden einer zerstörten Seele jemals wieder gutmachen. Die Opfer werden ein Leben lang von diesen schrecklichen Erlebnissen begleitet. Hier setzt eine Psychotherapie an, die helfen kann, das Erlebte und dessen Folgen zu verarbeiten.
Es fehlen aber zahlreiche Therapieplätze und Psychotherapeuten. Wir  sind uns dieser komplexen und anspruchsvollen Problemstellung sehr bewusst.

Ihr Antrag benennt richtigerweise Probleme, die wir angehen müssen. Glücklicherweise haben wir fast alle in Ihrem Antrag genannten Punkte bereits aufgegriffen und gehen diese an!

Die NRW-Landesregierung will das gute Angebot der Kinderschutzambulanzen verstetigen und dort, wo noch keine entsprechenden Angebote etabliert werden konnten, Strukturen aufbauen.

Auch wir haben das Problem der langen Wartezeiten auf einen Therapieplatz erkannt und wollen zusätzliche Therapieplätze für die Betroffenen schaffen.

Darüber hinaus wollen wir eine Professur für Kinderschutz und Kinderrechte einrichten, um den Kinderschutz in Theorie und Praxis zu stärken.

Ihr Antrag fordert die Vernetzung von Gesundheitsamt, Jugendamt sowie den Kinderschutzambulanzen und regional niedergelassenen Therapeuten zu fördern.

Mit dem im Frühjahr verabschiedeten Landeskinderschutzgesetz haben wir alle gemeinsam bereits einen tragfähigen Sockel für einen starken Kinderschutz in Nordrhein-Westfalen geschaffen! Dieses Gesetz wird auch zukünftig Signalwirkung haben und Impulse geben, um Kinder und Jugendliche besser vor Gewalt und Missbrauch zu schützen.
Dieses Gesetz schreibt bereits die Zusammenführung sämtlicher Beteiligter über ein Netzwerk rechtlich fest, weil es wichtig ist, alle Erkenntnisse interdisziplinär zusammenzuführen.

Um im Ernstfall effektiv helfen zu können, brauchen die Mitarbeitenden in der Kinder- und Jugendhilfe klare Verfahrensstandards, die wir ihnen mit diesem Gesetz an die Hand gegeben haben. Wichtig sind hier die Schutzkonzepte, die Einrichtungen erarbeiten und die sicherstellen werden, dass das Thema präsent ist.

Als Teilnehmer für diese Netzwerke werden u.a. explizit Jugendämter und Gesundheitsämter genannt. Weitere Einrichtungen und Berufsgruppen können nach Maßgabe der örtlichen Gegebenheiten ebenfalls vertreten sein. Es wird im Rahmen der Evaluierung des Landeskinderschutzgesetzes zu überlegen sein, ob die genannte Liste ggf. erweitert werden kann.

Aber auch dazu haben wir uns bereits gemeinsam verabredet!

Auch haben wir damit die Kinder- und Jugendhilfe gestärkt, indem wir einen beispiellosen Prozess der Qualitätsentwicklung und -sicherung auf den Weg gebracht haben. Das Landeskinderschutzgesetz ist ein Fundament und daran werden wir kontinuierlich weiterarbeiten. Gern gemeinsam - denn die Weiterentwicklung im Kinderschutz darf nie aufhören! 

Streckenweise verwundert Ihr Antrag auch: So fordern Sie eine Reform der psychotherapeutischen Bedarfsplanung auf Bundesebene. Die FDP ist im Bund an der Regierung - da könnte sie selber den Anstoß geben! Die CDU wird sich gern konstruktiv einbringen.

Insofern gilt Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen, unser Dank, dass Sie uns mit Ihrem Antrag noch einmal die Möglichkeit gegeben haben, auf die vielen Punkte einzugehen, die wir uns als Zukunftskoalition in dieser Legislatur vorgenommen haben.

Ich freue mich auf die weitere konstruktive Debatte dieses Antrags im Ausschuss.

Herzlichen Dank!

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