Christina Schulze Föcking zu TOP 1 "Kinderschutzkommission"

15.11.2019

Herr Präsident,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

mit Erlaubnis des Präsidenten möchte ich einige Schlagzeilen aus den vergangenen Jahren zitieren:

2015: „Fußballtrainer gesteht Missbrauch“

2016: „Gewalt und Missbrauch: Kinderärzte schlagen Alarm“
„50-jähriger missbraucht seine Töchter live im Netz“

2017: „Schlimmes Leid“ im Internat.“

2018: „Gruppe junger Männer soll Schülerinnen vergewaltigt haben“

Und dann in 2019:
Die schrecklichen Gräueltaten von Lügde und Bergisch Gladbach…
Für mich ist es unvorstellbar, was diese Kinder erlebt haben.

Ich bekomme eine Gänsehaut, Fassungslosigkeit macht sich breit und ich verspüre auch unglaubliche Wut in mir wenn ich dennoch versuche, das Leid der jungen Opfer nachzuvollziehen.

Anrede,

Seit einigen Jahren wiederholen sich die Meldungen über Kinder, die Opfer sexuellen Missbrauchs geworden sind. 

Sie zeigen, wie akut die Themen Kindesmissbrauch und Kinderschutz immer wieder sind und auch wie betroffen uns diese alle machen.

Ich möchte mich deshalb zunächst bei Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen von FDP, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, herzlich bedanken.

Herzlich bedanken dafür, dass wir diesen Antrag parteiübergreifend gemeinsam auf den Weg bringen.

Die NRW-Koalition und ich  freuen uns,  mit Ihnen dieses Zeichen zu setzen, für alle Kinder in Nordrhein-Westfalen.
Es ist wichtig und angemessen, dass wir bei dieser Thematik parteiübergreifend Strukturen und Maßnahmen auf den Weg bringen, die den Kindern in Nordrhein-Westfalen wirklich helfen können.

Die allermeisten Kinder erfahren Liebe, Zuneigung und Aufmerksamkeit.

Doch bildet das leider nicht die Lebenswirklichkeit von allen Kindern ab.

Es gibt Kinder, die Opfer werden von Vernachlässigung, Gewalt - psychisch wie physisch-, Opfer von Misshandlung oder sexuellem Missbrauch.

Es sind Grausamkeiten, die schon uns Erwachsenen die Adern gefrieren lassen. Aber kleinen Kinderseelen fügen Sie unvorstellbar großes Leid zu – haben schwere, oft lebenslange Folgen.

In den vergangenen Monaten wurden Maßnahmen ergriffen, um die tragischen Ereignisse aufzuarbeiten.

Es wurde ein Parlamentarischer Untersuchungsausschuss „Kindesmissbrauch“ eingerichtet,
die Stabsstelle im Innenministerium und
eine interministerielle Arbeitsgruppe mit dem Titel „Maßnahmen zur Prävention zum Schutz vor und Hilfe bei sexueller Gewalt gegen Kinder und Jugendliche“ gegründet.

Mit diesen eingeleiteten Schritten sollen die nötigen Erkenntnisse aus den Fehlern auf allen Ebenen im Fall Lügde gewonnen werden, damit sie sich nach bestem Ermessen in Zukunft nicht wiederholen.

Ich möchte an dieser Stelle Herrn Minister Reul und auch Minister Stamp ausdrücklich für ihre Arbeit danken.

In jeder Sitzung des Familienausschusses hat eine Berichterstattung zu den Geschehnissen in Lügde stattgefunden.

Wir sind immer sofort informiert worden und haben den aktuellen Sachstand ausgetauscht.

Anrede,

Jeder, der ein Kind in seinem näheren Umfeld hat, weiß, wie schutzbedürftig ein so kleiner und gutgläubiger Mensch ist.

Kinder haben ein unerschöpfliches Grundvertrauen, das ihnen bei Missbrauch zum Verhängnis wird.

Ein Kind möchte man so gut beschützen und behüten wie eben möglich.
In einem sicheren Umfeld. Im Familienkreis. Im Kindergarten. In der Schule. Im Leben.

Wir müssen deshalb dafür sorgen, dass Hinweisen und Verdachtsfällen schnell nachgegangen werden kann.

Im aktuellen Fall sitzen derzeit 9 Männer in U-Haft, 7 davon aus NRW, sie werden verdächtigt Kinder sexuell missbraucht zu haben.

Fast ausschließlich sind die eigenen Kinder der Täter hier die Betroffenen. 

Grausam! Unvorstellbar!

In einem Chat befanden sich allein 1.800 Teilnehmer.
Da wird das gigantische Ausmaß deutlich.

Ich frage mich immer und immer wieder:

• Wie kann man einem Kind so etwas antun?
• Wie ist es jemandem möglich, seinem eigenen Kind so etwas anzutun?
• Wie kann so etwas unentdeckt bleiben?
• Was können wir tun, um künftig Kinder vor solchen abscheulichen Taten zu schützen?

Gerade in der eigenen Familie brauchen Kinder Schutz, Zuwendung und Fürsorge. Sicherheit!

In einem Moment, in dem ihr Vertrauen so entsetzlich missbraucht wird, können wir nur erahnen, wie schutzlos und verlassen sich diese Kinder gefühlt haben müssen.

Aus einer Situation wie dieser kann sich ein Kind nicht selbst befreien.

Besonders als Mutter erschüttert mich dieser Gedanke zutiefst.
Vor diesem Hintergrund glaube ich im Übrigen, dass es zu einer wirkungsvollen Präventionsarbeit, die unsere Kinder wirklich vor sexuellen Übergriffen schützt, gehört, dass potenzielle Täter gar nicht erst zu Tätern werden.

Dass wir denen, die das Krankhafte ihres Verhaltens erkennen und sich selbst und andere vor sich schützen wollen, Angebote und Unterstützung leichter zugänglich machen.

Das Projekt „kein Täter werden“, dass es zum Beispiel an der Uniklinik Düsseldorf gibt, sei hier beispielhaft genannt.

Anrede,

Der Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung für die gesamte Bundesrepublik geht von bis zu einer Million allein von sexuellem Missbrauch betroffenen Kindern und Jugendlichen aus.

Eine Million!

Ich möchte hier in aller Deutlichkeit und mit Nachdruck sagen:

Jeder Fall von Kindesmissbrauch ist ein Fall zu viel.
Jedes Kind, das zum Opfer wird, ist eines zu viel.

In Artikel 6 Absatz 2 der Verfassung des Landes NRW heißt es: „Kinder haben ein Recht auf Entwicklung und Entfaltung ihrer Persönlichkeit, auf gewaltfreie Erziehung und den Schutz vor Gewalt, Vernachlässigung und Ausbeutung;
Staat und Gesellschaft schützen sie vor Gefahren für ihr körperliches, geistiges und seelisches Wohl.
Sie achten und sichern ihre Rechte“.

Diese verfassungsrechtliche Verankerung zeigt einmal mehr, dass in Nordrhein-Westfalen der Schutz von Kindern und Jugendlichen einen hohen Stellenwert hat.

Wir als Landtag haben jetzt die Möglichkeit, diesen Anspruch ganz praktisch mit noch mehr Leben zu erfüllen und  für weitere Verbesserungen im Schutz von Kindern zu sorgen.

Der Deutsche Bundestag hat bereits im Jahr 1988 eine Kommission zur Wahrnehmung der Belange der Kinder eingesetzt.

Dieses Modell wollen wir auf Nordrhein-Westfalen übertragen und einen Unterausschuss „Kinderschutzkommission“ einsetzen, der als feste Institution eingerichtet soll.

Kinder stehen für uns im Mittelpunkt unseres Handelns und wir sind überzeugt, dass alles getan werden muss, um dem Kinderschutz einen herausragend hohen Stellenwert zu geben

– gesellschaftlich, politisch und parlamentarisch.
Der Unterausschuss „Kinderschutzkommission“ wird mit den nötigen Befugnissen ausgestattet sein:

Vergabe von Gutachten, Einholung von wissenschaftlicher Expertise durch Fachleute sowie Durchführung von Anhörungen.

Und was wichtig ist: alles aus der Kommission wird protokolliert und festgehalten.

Es sollen Perspektiven für die Weiterentwicklung des Kinderschutzes aufgezeigt werden.

Ich bin sehr froh, dass wir in der neuen Kommission unseren Blick auf die verschiedenen Bereiche richten und uns damit beschäftigen werden, wie dementsprechende Verstöße gegen Kinderrechte rechtzeitig auffallen oder im besten Fall – mit Blick in die Zukunft - verhindert werden können.

Bei Gefahrensituationen im Umfeld der Kinder sowie mögliche Anzeichen, die das Kind in seinem Schutz oder Recht bedrohen, brauchen wir Lösungen, um diese so früh wie möglich zu erkennen und Straf- oder Gewalttaten zu verhindern.

Hier soll der Unterausschuss ansetzen und klären, wie Verfahren optimiert werden können.
Auch soll der Ausschuss konkrete Vorschläge erarbeiten, zum Schutz der Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen.

Staatliche und kommunale Strukturen müssen ebenso berücksichtigt und überprüft werden.

Ein enger Austausch mit Verbänden, Organisationen und Einrichtungen, die sich für die Rechte und Interessen von Kindern und Jugendlichen einsetzen, ist von besonderer Bedeutung.

Diese enge Zusammenarbeit kann helfen vor allem Verfahren in Theorie und Praxis zu verbessern und eventuelle Systemlücken zu schließen.

Anrede,

wir haben eine wichtige Entscheidung mit der Einrichtung der Kommission für den Kinderschutz und für die Stärkung der Kinderrechte getroffen.

Wir als Erwachsene haben die Möglichkeit zu helfen und dürfen nicht wegsehen, leugnen oder gar ignorieren.

Wir tragen Verantwortung für den Schutz unserer Kinder und wollen dieser gerecht werden.

Ich glaube, wir sind uns alle einig, wenn ich sage:
Kinder verdienen es, geschützt und behütet aufzuwachsen.

Lassen Sie uns den Fokus auf die Stärkung des Kinderschutzes richten und hierfür gemeinsam arbeiten und eintreten.

Der Unterausschuss ermöglicht uns die richtigen Maßnahmen gegen Missbrauch aller Art gemeinsam zu erörtern, aufzuzeigen und auf den Weg zu bringen.

Ich sehe unseren Beratungen positiv entgegen und freue mich auf die Zusammenarbeit zum Wohle unserer Jüngsten!

Herzlichen Dank.