Christina Schulze Föcking zu TOP 11 "Umsetzungsstand der Schlussfolgerungen des Zwischenberichts, Parlamentarischer Untersuchungsausschuss „Kindesmissbrauch“

24.05.2023

Herr Präsident,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

nach wie vor unfassbar!
Unfassbar, dass ein Mann, der alleine in einem Wohnwagen mit einer verdreckten Parzelle hauste, ein Kind bei sich aufnehmen durfte.
Eine Situation und Entscheidung, die auch aus heutiger Sicht niemand von uns verstehen kann.
Wenn man dann noch die Akten kennt, kommen wir zu der bitteren Erkenntnis, dass im Fall Lügde viel falsch gelaufen ist.
Deshalb sind wir den Opfern und allen anderen Betroffenen diese akribische Arbeit im Untersuchungsausschuss schuldig.
Wir arbeiten die Akten durch, Seite für Seite, hören Zeugen an und schauen, wie wir Prozesse verbessern und das Sicherheitsnetz ergänzen können.
Die Arbeit für den Schutz unserer Kinder machen wir hier im Untersuchungsausschuss genau wie in der interministeriellen Arbeitsgruppe
und der Kinderschutzkommission.Aus diesen verschiedenen Bereichen ist unter anderem das Handlungs- und
Maßnahmenkonzept entstanden.
Da sind auch die ersten Erkenntnisse aus dem PUA eingeflossen. Nun nach der Evaluation wird an der Fortschreibung des Konzepts gearbeitet.
Unsere Schlussfolgerungen aus dem Zwischenbericht werden auch hier Berücksichtigung finden.
Etliche Schritte wurden unternommen und genau das zeigt diese umfassende Antwort der Landesregierung.
Ich möchte die Gelegenheit nutzen und den vielen engagierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Häusern für die Arbeit am Thema
und diese ausführliche Antwort danken.
Sie zeigt, dass wir schon viel auf den Weg gebracht haben, allen voran mit dem Kinderschutzgesetz.
Gleichzeitig hat sich auf der Bundesebene noch in der letzten Wahlperiode durch das Kinder- und Jugendstärkungsgesetz, dass wir –auch aus NRW heraus
- eng begleitet haben, einiges bewegt.
Ich nenne hier nur die Länderöffnungsklausel im KKG für den interkollegialen Ärzteaustausch.
Mit dem Kinderschutzgesetz haben wir beispielsweise Netzwerke etabliert,
damit sich die Akteure vor Ort kennen und besser abstimmen.
Das hätte im Fall Lügde geholfen, die vielen Puzzleteile schneller zusammenzusetzen.
Wir haben für verpflichtende Mindeststandards in den Jugendämtern gesorgt.
Dafür, dass es ein verbindliches Qualitätsentwicklungsverfahren gibt, wo geschaut wird, ob diese Mindeststandards eingehalten werden.
Sich immer wieder der eigenen Verantwortung bewusst werden, sensibel auf
Warnsignale reagieren und auf die Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen
eingehen, all das ist wichtig.Deshalb ist es richtig, dass wir beispielsweise die Fachkräfte in den Schulen,
Kitas und den freien Einrichtungen der Jugendhilfe qualifizieren und sensibilisieren.
12,1 Millionen Euro haben wir allein für die große Qualifizierungsoffensive zu Kinderschutzkonzepten zur Verfügung gestellt.
Es gibt außerdem ein Angebot an Fortbildungen, Workshops und neuen
digitalen Formaten, die wir als Land mit weiteren 2,65 Millionen Euro fördern.
Mit einer Änderung des Schulgesetzes haben wir zudem dafür gesorgt, dass
Schulen - neben der Aufklärungsarbeit im Unterricht - zukünftig selbst
Schutzkonzepte gegen Gewalt und sexuellen Missbrauch erarbeiten.
Ein weiteres gutes Beispiel ist die Polizei, hier ist ganz genau hingeschaut
worden, wie die Anhörung von Kindern und Jugendlichen abläuft.
Es ist klar geregelt, welche besonderen Anforderungen erfüllt sein müssen bei
der Vernehmung eines ggf. traumatisierten Kindes.
Das wurde durch Runderlasse aus 2019 und 2022 erreicht.
Die Anhörungen von Kindern werden grundsätzlich in
Kindervernehmungszimmern durchgeführt.
Das Childhood Haus trägt ebenfalls dazu bei, dass wir stetig weiter schauen,
wie wir Vernehmungen besser gestalten können.
Wissen Sie, eine Anhörung ist immer schwierig für ein Kind.
Die Erinnerungen werden wieder wach.
Umso wichtiger, dass wir alles dafür tun einen Rahmen zu schaffen in dem sich
Kinder und Jugendliche sicher fühlen.
Durch Fortbildungen und Spezialisierungen wird darüber hinaus die Kompetenz
der Beamtinnen und Beamten gestärkt.Ich bin Minister Herbert Reul dankbar, dass er ein Hinweistelefon eingerichtet
hat, an das sich Menschen wenden können, die Anhaltspunkte für sexualisierte
Gewalt gegen Kinder haben.
Unter 0800 0431 431 hätte auch die Mitarbeiterin im Arbeitsamt –die den
Haupttäter betreute und entscheidende Hinweise gab –zusätzliche Hilfe bekommen können.
Wir haben uns im Untersuchungsausschuss bei ihr bedankt und zugleich
entschuldigt, denn niemand hat sie damals so ernst genommen. Eine ganz furchtbare Situation.
Die Landesregierung hat unsere Hinweise und Schlussfolgerungen aus den
verschiedenen Ausschüssen aufgegriffen und konsequent daran arbeitet.
Wir haben in den letzten Jahren seit Lügde viel gemeinsam erreicht.
Ganz egal wohin man kommt: Nordrhein-Westfalen wird als Vorreiter im
Kinderschutz in der gesamten Bundesrepublik wahrgenommen.
Es ist gut, dass wir genauso weitermachen.
Wir hier im Landtag müssen und können in den verschiedenen Ausschüssen
unser Bestes geben,
die Rahmenbedingungen und gesetzlichen Grundlagen schaffen, die die vielen
engagierten Kinderschützerinnen und Kinderschützer im Land brauchen.
Sie sind es, denen ich heute einen ganz besonderen Dank aussprechen möchte:
An die Ermittlerinnen und Ermittler,
an Diejenigen, die tagtäglichen furchtbares Bildmaterial und Videos sichten, an
die Mediziner, an die Pädagogen in Kitas oder Schule denen blaue Flecken an
untypischen Stellen auffallen,
den Teams im ASD, die den Familien und speziell den Kindern helfen ---- genau
wie allen, die hinschauen, hinhören und die Kinder ernst nehmen, wie die Frau
im Arbeitsamt.
Ich danke Ihnen.