Sehr geehrter Herr Präsident,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
„Der Umgang ist das, was mich wirklich geärgert hat.“
Diese Worte eines Betroffenen zeigen uns: Es ist nicht nur die Tat, die verletzt, sondern auch unser Umgang damit. Mein Apell heute ist: Lasst uns gemeinsam dafür sorgen, dass jede Geschichte gehört wird!
Die Unabhängige Kommission hat mit "Geschichten, die zählen" vielen Betroffenen die Möglichkeit gegeben, das Erlebte zu schildern, um daraus zu lernen.
Viele Betroffene berichten: dass was nach der Tat kam, sie sprachlos zurückgelassen hat. Dabei ist das Sprechen-können und das Gehört-werden unglaublich wichtig. Es ist die erste Grundlage für Vertrauen und Anerkennung des Leids.
Wir als Gesellschaft haben die Pflicht, ein Umfeld zu schaffen, in dem Menschen, die diese Hölle des Missbrauchs durchlebt haben, ihre Geschichten erzählen können und ernst genommen werden. Und wir müssen transparent machen, was darauffolgt.
Das Ziel muss es sein, nicht nur zuzuhören, sondern auch die notwendige Konsequenz zu ziehen: indem wir aufklären, anerkennen und uns dafür einsetzen, dass dank der mutigen Schilderungen Strukturen, die Missbrauch begünstigen, verändert werden.
Es geht also nicht nur um den Blick zurück. Vielmehr geht es darum, die Frage "Wie konnte das passieren?" zu beantworten und aus diesen Antworten für die Zukunft zu lernen.
Die Aufarbeitung von sexualisierter Gewalt gegen Kinder und Jugendliche ist höchst unterschiedlich. Es gibt kaum einheitliche Standards, und die Abläufe sind dadurch oft undurchsichtig.
Viele Institutionen, in denen sich Machtgefälle begünstigend auf Missbrauch ausgewirkt haben – wie Schulen, Kirchen oder Sportvereine – haben sich in den vergangenen Jahren auf den Weg gemacht, um Vorfälle aus der Vergangenheit aufzuarbeiten.
Das ist eine riesige Herausforderung für viele Institutionen. Anderen fehlt teilweise das Problembewusstsein, manchmal auch der Wille transparent aufzuarbeiten und ganz sicher Standards, die Orientierung geben.
Mit der Einsetzung einer Landeskommission gehen wir einen zentralen Schritt. Sie wird diese notwendigen Standards zur Aufarbeitung sexualisierter Gewalt gegen Kinder und Jugendliche erarbeiten.
Standards geben Sicherheit. Einen Rahmen, Sie helfen den Handelnden geordnet vorzugehen, möglichst nichts zu übersehen und damit Verfahren qualitativ gut durchzuführen.
Gleichzeitig ermöglichen sie den Betroffenen eine transparente und nachvollziehbare Aufarbeitung. Sie schaffen eine Grundlage für einen offenen Umgang mit der eigenen Geschichte.
Nur so können wir das Vertrauen der Betroffenen zurückgewinnen und die Aufarbeitung zu einem nachhaltigen Prozess machen.
Ich habe viele Gespräche mit Betroffenen geführt und habe meist erlebt, dass die Menschen mir offen von den Taten berichtet haben.
Sie sind durch die Missbrauchserfahrungen besonders verletzlich und dürfen nicht erleben, dass sie erneut durch intransparente Verfahren ausgeschlossen werden.
Folglich ist es so wichtig, ihnen zuzuhören und sie auch immer wieder in Gremien miteinzubeziehen. Es ist genau richtig, dass sie einen festen Platz in der Kommission mit zwei Vertreterinnen oder Vertretern erhalten.
Das Ziel muss am Ende ein Prozess sein, der den Menschen und seine Rechte in den Mittelpunkt stellt – das bedeutet Schutz und Aufklärung gleichermaßen.
In der Kinderschutzkommission merken wir immer wieder, wie groß das Dunkelfeld ist. Viele Kinder und Jugendliche, die sexualisierte Gewalt erlebt haben, werden nie gesehen. Ihre Geschichten, die furchtbaren Erlebnisse, nie gehört.
Wir müssen sicherstellen, dass dieses Dunkelfeld ausgeleuchtet wird. Und müssen Strukturen schaffen, in denen auch ihre Geschichten Platz finden.
Deshalb soll die Kommission in enger Abstimmung mit uns in der Kinderschutzkommission Vorschläge für Dunkelfeldstudien erarbeiten, um das volle Ausmaß von sexualisierter Gewalt gegen Kinder und Jugendliche aufdecken zu können.
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
es ist unsere Pflicht, den Kinderschutz zu stärken und für Gerechtigkeit zu sorgen.
Daher ist es gut, dass wir gemeinsam die Grundlage dafür schaffen, dass Aufarbeitung nicht mehr vom Zufall oder der Entschlossenheit einzelner Institutionen abhängt, sondern überall dort geschieht, wo Unrecht durch Strukturen begünstigt wird.
Erlauben Sie mir noch einen Nachschub:
Den Ermittlungsbehörden in Duisburg ist ein großer Schlag gegen einen Ring Pädokrimineller gelungen. Eine der widerlichsten Hauptanlaufstellen der Szene im Internet wurde abgeschaltet.
Ein herzlicher Dank an alle Einsatzkräfte, die hingeschaut haben. Dieser Erfolg zeigt, unsere gemeinsamen Bemühungen tragen Früchte.
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