Christina Schulze Föcking zu TOP 8 „Missbrauchskomplex Lügde“ - Opfer und deren Familien brauchen dringend Hilfe – Soforthilfefonds bilden, Ombudsperson einsetzen, gesetzliche Regelungen anpassen, wenn erforderlich."

08.12.2022

Sehr geehrter Herr Präsident,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

„Es zerstört das ganze Leben. Ich sehe das bei mir“

So fasst es ein Mädchen zusammen.

Sie ist in Lügde durch die Hölle gegangen. Eine Hölle, die wir nicht ansatzweise nachempfinden können. Geschweige denn verstehen, was die erlebte sexualisierte Gewalt für das ganze restliche Leben dieses Kindes bedeutet.

Die Geschichte des Mädchens ist kein Einzelfall.

Allein im Zusammenhang mit den Tätern von Lügde wissen wir von so vielen Kindern, die schwerstens vergewaltigt worden sind.

Die traurige Wahrheit ist: Sexualisierte Gewalt gegen Kinder passiert jeden Tag.

Eine zerstörte Kinderseele Stück für Stück irgendwie wieder zusammen zu kitten, das gelingt nie ganz. Die brutalen Taten hinterlassen Narben.

Das unfassbare menschliche Leid der Kinder werden wir nie wieder gutmachen können. Die Taten lassen sich kaum in Worte fassen.

Wir werden diese Brutalität nie mit Entschädigungen aufwiegen können.

Dennoch ist es unglaublich wichtig, dass die Betroffenen die Entschädigungsleistungen schnellstmöglich erhalten.

Denn die Leistungen geben Halt, sie unterstützen finanziell und garantieren eine umfassende therapeutische Hilfe.

Der Weg bis zur Entschädigung ist lang. Ja, zu lang.

Es gibt hohe Hürden für die Entschädigung. Die Verfahren und der rechtliche Rahmen des Opferentschädigungsgesetzes verhindern oft schnelle Entscheidungen.

Das ist wahr und hier müssen wir ansetzen.

Ein wichtiger erster Schritt war es im Bund das Entschädigungsrecht zunächst überhaupt für Betroffene sexualisierter Gewalt zu öffnen.

Gleichzeitig wurde im Entschädigungsrecht die Beweislast auf den Schultern der Betroffenen gemindert.

Ein Fallmanagement soll den Betroffenen helfen die Leistungen zu beantragen und auch die Renten wurden deutlich aufgestockt.

Die Landesregierung setzt gemeinsam mit den anderen Bundesländern diese und weitere Verbesserungen zum 01. Januar 2024 um.

Trotzdem decken die verbesserten Rechte nicht alle Fälle in der vollen Härte ab.

Aus diesem Grund haben wir hier in Nordrhein-Westfalen die Stiftung Opferschutz eingerichtet. Sie wird zukünftig für Betroffene von Katastrophen und Gewalttaten da sein.

Morgen konstituiert sie sich das erste Mal.

Bis 2027 haben wir sie mit 16 Millionen Euro ausgestattet, um all jenen zu helfen, die nicht durch das Opferentschädigungsgesetz Hilfe bekommen können.

Dadurch sorgen wir dafür, dass kein Betroffener alleine bleibt.
Im Untersuchungsausschuss und der Kinderschutzkommission nehmen wir seit 2019 die Prozesse und Verfahren im Kinderschutz genau in den Blick.

Wir haben schon sehr viel auf den Weg gebracht – ich nenne hier allen voran das Kinderschutzgesetz.

Aber selbstverständlich hört die Arbeit in diesem Bereich niemals auf. Wir sind im Gespräch mit Betroffenen, Vereinen, Verbänden, Experten und packen gemeinsam an.

Mit diesem Entschließungsantrag beauftragen wir die Landesregierung noch einmal einen besonderen Blick auf die Verfahren der Opferentschädigung zu werfen und Verbesserungen zu erwirken, wo es nötig ist.

Es ist wichtig, dass die Entschädigungsanträge bis zum Ende des ersten Quartals 2023 – also in knapp 4 Monaten – abschließend bearbeitet sind.

Wir schulden es den Kindern und Jugendlichen, dass man hier besser und schneller wird.

Die Stiftung und dazu der absehbare Zeitraum – das hilft und daher brauchen wir keinen Sonderfonds mit erneuter Bürokratie.  

Eins ist mir wichtig: Wir haben, wenn es um den Kinderschutz ging, in der letzten Wahlperiode Hand in Hand gearbeitet.

Das gilt für alle demokratischen Fraktionen. Die Geschlossenheit bei diesem Thema ist eine große Errungenschaft dieses Hauses.

Die Gesprächskanäle zwischen uns sind immer offen und werden es für uns bleiben, denn der Schutz unserer Kinder und Jugendlichen ist wichtiger als jeder parteipolitische Winkelzug.

Umso mehr hat es uns überrascht, dass dieser Antrag ohne vorherigen Hinweis eingebracht wurde.
Das können sie besser – das können wir gemeinsam besser.

Deshalb lade ich sie herzlich ein wieder zurück ins Team zu kommen und sich gemeinsam mit uns für das Thema und die Betroffenen einzusetzen.

Ich werde nicht müde werden zu betonen:
Wir werden nie wieder wegschauen.
Wir werden auch weiterhin mit ganzer Kraft für unsere Kinder kämpfen.

Das sollten wir alle gemeinsam tun.