Claudia Schlottmann zu TOP 2 "Auf Schatzsuche in NRW: Unsere Schulen zu Schatzsucher-Schulen ausstatten"

11.04.2019

Sehr geehrter Herr Präsident,
sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Kolleginnen und Kollegen.

Das Thema Schule stellt nach wie vor für das Land Nordrhein-Westfalen eine besondere Herausforderung dar. Darüber ist sich auch die NRW Koalition bewusst und hat in dieser Legislaturperiode bereits einiges zur Unterstützung von Schulen, Lehrern, Schülern und Eltern mit auf den Weg gebracht.

Darunter fallen die Leitentscheidung zu G9 sowie die Stärkung der MINT-Fächer. Ebenso haben wir  Maßnahmen für die Gewinnung neuer Lehrkräfte auf den Weg gebracht, um Ihren Blindflug ohne belastbare Lehrkräftebedarfsprognose zu korrigieren und schaffen in den kommenden Jahren allein rund 6.000 zusätzliche Stellen zur erfolgreichen Umsetzung schulischer Inklusion im Bereich der Sek I. Ebenso haben wir das Projekt Talentschulen gestartet, auf das ich im Folgenden noch näher eingehen werde.
Doch das scheint der Opposition nicht zu reichen. Der Antrag zu Schatzsucher-Schulen umfasst sämtliche Wunschvorstellungen zum Thema Schule, welche nur mit unbegrenzten personellen wie finanziellen Ressourcen möglich wären. Damit verlangen Sie von der aktuellen Regierung, was Sie selbst unter rot-grün nicht geleistet haben. Zentrales Ziel ihrer Regierungszeit, die – wie nun Exministerin Löhrmannn eingesteht – auch wegen der verfehlten Bildungspolitik 2017 ein Ende fand, war die Schaffung von Bildungsgerechtigkeit. Hier sind Sie krachend gescheitert.
Sie wollten den Zusammenhang von sozio-ökonomischem Status der Eltern und Schulerfolg der Kinder auflösen und haben dieses Ziel verfehlt. Das bildet Ihr Antrag – man könnte sagen konsequenterweise – ab.
So heißt es bspw.: „In Nordrhein-Westfalen fehlt […] bislang eine gerechte und breit aufgestellte Talentförderung, um jungen Menschen aus bildungsfernen Familien wichtige Chancen und eine Perspektive zu öffnen.“ Sie hatten sieben Jahre Zeit, diese Talentförderung nach Ihren Vorstellungen zu schaffen.
Zwei Zahlen will ich zur Verdeutlichung des Zustandes, den wir im Jahr 2017 vorgefunden haben, nennen: Von 2011 bis 2016 ist die Zahl der Minderjährigen im Mindestsicherungsbezug kontinuierlich gestiegen, wie die Sozialberichterstattung des Landes NRW belegt.
Ebenso erhöht hat sich die Zahl derer, die das allgemein-bildende Schulsystem ohne mindestens einen Hauptschulabschluss verlassen.


Eine Erweiterung der Möglichkeiten des Sozialindexes, um Schulen in sozial schwierigen Stadtteilen besser zu unterstützen, ist eine Zielsetzung, zu der wir uns im Koalitionsvertrag bekannt haben. Bereits jetzt verteilt die Landesregierung doppelt so viele Stellen nach dem Sozialindex wie die Vorgängerregierung. Es gilt jetzt zu prüfen, wie der bisherige Kreissozialindex auf kleine Gliederungen heruntergebrochen werden kann.

Als positives Beispiel wird in Ihrem Antrag Hamburg angeführt, dort wurde das Modell bereits 1996 eingeführt. Darauf möchte ich im Folgenden näher eingehen.

Zum einen müssen wir uns darüber im Klaren sein, dass ein schulscharfer Sozialindex für einen Stadtstaat wie Hamburg deutlich leichter zu bewältigen ist, als für ein Flächenland mit dem Umfang und der Einwohnerzahl wie Nordrhein-Westfalen. Und auch dort ist das Modell nicht zwingend von Erfolg gekrönt.

So darf ich die Hamburger CDU-Abgeordnete der Bürgerschaft Birgit Stöver zitieren: „Auch die höheren Ressourcen und kleineren Klassen in Hamburg haben nicht dazu geführt, dass sich die Lage von Schulen in sozial schwachen Stadtteilen deutlich verbessert hätte. Lehrer bewerben sich ungern in Schulen der Kategorien 1-2, die Schulen haben Schwierigkeiten Stellen nachzubesetzen oder Fachlehrer zu bekommen.

Wenig Elternengagement, Kriminalität, große Heterogenität und Sprachschwierigkeiten durch einen hohen Anteil an Migranten sind weiterhin Hindernis für einen geregelten Unterricht, der zu mehr Chancengerechtigkeit oder mehr und höheren Abschlüssen führen sollte.“

Dieses Beispiel zeigt, dass ein schulscharfer Sozialindex ein sehr komplexes Thema ist, welches nicht direkt zur Lösung aller Probleme beiträgt.

Außerdem könnte ihr Antrag auch als ein Angriff auf die Lehrer Nordrhein-Westfalens gelesen werden. In Ihrer letzten Amtszeit haben Sie hektisch die Inklusion durchgedrückt und anschließend Lehrer sowie Schüler damit im Stich gelassen, was mittlerweile auch Ihre ehemalige Ministerin Frau Sylvia Löhrmann zugegeben hat. Nun behaupten Sie, Lehrer wären nicht in der Lage, verborgene Talente an ihren Schulen zu erkennen und zu fördern. Sie würden Kinder mit Migrationshintergrund abstempeln oder sogar stigmatisieren.
Ich möchte mich ganz klar von dieser Haltung der Opposition gegenüber den Lehrkräften in unserem Land distanzieren. Unsere Lehrer leisten unglaubliche Arbeit Tag für Tag, oftmals in extrem schwierigen Situationen und in stark überfüllten Klassenzimmern, um jedem Kind gerecht zu werden.
Was Ihren Wunsch nach mehr Talentscouts betrifft, ist die NRW-Koalition bereits einen Schritt weiter. Dieses Jahr haben wir 35 Talentschulen vorgestellt, welche unter 149 Bewerbungen ausgewählt wurden, weitere Schulen werden folgen. Diese hohe Bewerberzahl zeigt, dass die Schulen in unserem Land die Talentschulen als Chance sehen und wir damit auf dem richtigen Weg sind.

Alle ausgewählten Schulen werden mit finanziellen und personellen Ressourcen unterstützt und können zwischen zwei pädagogischen Konzepten auswählen, ein naturwissenschaftliches und ein sprachlich-kulturelles. Ziel bei den Talentschulen ist es, neue Unterrichtskonzepte zu entwickeln und soziale Nachteile beim Bildungserfolg zu überwinden.
Der Erfolg der Schülerinnen und Schüler soll unabhängig von ihrer sozialen Herkunft sein und die Einkommensverhältnisse der Eltern unberücksichtigt lassen. Denn auch wir als NRW-Koalition sind davon überzeugt, dass jedes Kind Talente hat.

Insgesamt werden 60 Schulen in Nordrhein-Westfalen gefördert. Dabei stellt das Schulministerium über 400 zusätzliche Lehrstellen zur Verfügung und stellt ein zusätzliches Fortbildungsbudget von 150.000 Euro.
In jeder Schule ist eine Stelle für Sozialarbeit vorgesehen, um die Schülerinnen und Schüler in ihrem Alltag zu unterstützen.

Ich denke, damit haben wir einen Anfang gemacht, um alle Schülerinnen und Schüler in unserem Land mitzunehmen und allen die Chance auf Bildung und Förderung zu ermöglichen. Es steht außer Frage, dass im Bereich Schule noch viel Arbeit vor uns liegt, aber wir sind uns dieser Verantwortung bewusst und nehmen diese Herausforderung gerne an.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.