
Sehr geehrte Frau Landtagspräsidentin/sehr geehrter Herr Landtagspräsident, liebe Kolleginnen und Kollegen,
„Ob die Bahn ebenerdig ist, sieht man oft erst, wenn die Bahn ankommt,“
wird ein Betroffener in einem aktuellen Bericht von Westpol zitiert.
Menschen die
vor kaputten Aufzügen stehen, in Züge einsteigen wollen, die nur eine barrierefreie Tür haben.
Menschen, die
vor dem Eintreffen des Zuges nicht wissen, ob die Bahnsteigkante eben zum Zugwaggon ist.
Menschen, die
nicht erkennen können, ob vor der Reise überhaupt noch ausreichend Platz für sie im Zug oder Bus ist, weil die Auslastungsinformationen des Busses in keiner App angezeigt werden.
Menschen, die
per Telefon Mängel anmelden müssen, wenn sie schon vor dem Hindernis stehen.
Betroffene mit Behinderungen und Mobilitätseinschränkungen müssen allein durch die noch oft fehlende Infrastruktur deutlich mehr Zeit für ihre Reisen einplanen.
Selbstbestimmung sieht anders aus.
Das ist der Grund, warum es für uns als Koalition so wichtig ist, die Barrierefreiheit im ÖPNV in NRW zu verbessern.
Seit Anfang 2022 sollten alle Bus- und Bahnhaltestellen in Deutschland barrierefrei sein. Die Realität sieht aber leider anders aus:
Knapp zwei von drei Bus- und Bahnhaltestellen im Verkehrsverbund Rhein-Ruhr sind nicht barrierefrei. Das meldet der VRR. Demnach liegt die Barrierefreiheit im Verkehrsverbund bei durchschnittlich etwa 36 Prozent.
Weniger als 20 Prozent der Bus- und Bahnhaltestellen sind hier für Menschen mit Mobilitätseinschränkung geeignet. Es fehlen zum Beispiel erhöhte Bordsteine an Bushaltestellen und Aufzüge an S-Bahnhaltestellen.
Dabei ist der Bedarf groß:
Denn jeder zehnte Mensch in NRW lebt mit einer Behinderung.
Barrierefreiheit zielt aber nicht nur auf Menschen mit körperlichen Beeinträchtigungen, sondern auch auf diejenigen mit kognitiven oder Sinnes-Beeinträchtigungen.
Wer glaubt, Barrierefreiheit heißt, dass nur Rollstuhl- oder Rollator-Fahrende betroffen sind, der fehlt deutlich.
Barrierefreiheit betrifft auch Menschen mit schwerem Gepäck oder Kinderwagen, aber auch Radfahrern. Es betrifft uns also ALLE.
Wir wollen und müssen Mobilität für ALLE gewährleisten und inkludieren damit auch eine barrierefreie Mobilität-Teilhabe für ALLE.
In der vergangenen Legislaturperiode wurde das Problem bereits erkannt und vieles getan, um Barrierefreiheit im ÖPNV weiter auszubauen und den gesetzten Ansprüchen gerecht zu werden.
Darauf bauen wir auf und geben dem Thema einen neuen Blickwinkel.
Wie soll das konkret aussehen?
Wir wollen
1. Die Menschen stärker einbinden, weil es wichtig ist, dass wir den Betroffenen eine Stimme geben und ihre Bedürfnisse erkennen.
Wir wollen Vorhandenes weiter stärken und ausbauen.
Wir werden
2. eine App für barrierefreie Informationen in NRW bereitstellen. Dabei ist es gut, dass wir nicht bei null anfangen müssen.
Barrierefreiheit bedeutet aber nicht nur stufenlose Einstiege oder Aufzüge bis auf die Gleisplattformen. Es müssen nicht nur die auf den ersten Blick sichtbaren Barrieren verschwinden.
Barrierefreiheit muss aus verschiedenen Richtungen gedacht werden. Analog und digital. Hier ist bereits viel Gutes entstanden, auf dem wir aufbauen können.
Diese Angebote müssen wir aber – zur Vereinfachung und Transparenz – bündeln:
Es gibt verschiedene Apps und Initiativen in Nordrhein-Westfalen, die sich bereits heute mit Barrierefreiheit im ÖPNV professionell auseinandersetzten und entsprechende Angebote liefern.
Mit der neuen App schaffen wir keine grundsätzliche Neuerung, aber eine Verbesserung, indem wir alle Angebote zentrieren und eine Übersicht bzw. Handhabung vereinfachen. Sämtliche Informationen müssen zum Zeitpunkt der Reise verfügbar und gut verständlich abrufbar sein.
Wir wollen nicht doppelt entwickeln, sondern auf dem, was heute schon da ist, aufbauen. Daraus nehmen wir das Beste und führen es zusammen.
Das bedeutet in der Konsequenz aber auch, dass mit der App nicht Schluss ist, sondern es bedeutet im Zweifel auch, dass man zur Verbesserung der Datenqualität die Infrastruktur in den Bussen anpassen muss.
Ein Vorbild ist hier der ehemalige Soester Bus-Guide, der Menschen mit Sehbehinderungen die Möglichkeit gibt, den Einsteige- und Haltewunsch per App anzugeben oder das Vorlesen der nächsten Haltestellen.
Aber auch Informationen über funktionierende oder defekte Aufzüge oder, wie zuvor genannt, die Ausstattung des jeweiligen Zuges oder Busses, sollen künftig in einer App zentral bereitgestellt werden – und das NRW-weit.
Wer dann noch direkt ein Ticket buchen will, soll auch das können und da sind wir in NRW mit eezy.nrw und der einheitlichen mobil.nrw App schon weit vorne dabei.
Wir wollen doppelte Entwicklungen vermeiden und setzen daher auf funktionierende und vorhandene Infrastruktur.
Wir müssen
3. Prozesse beschleunigen.
Die heutige Einzelförderung des barrierefreien Umbaus von Haltestellen ist zu zeitintensiv.
Unser Ziel muss eine gebündelte Projektförderung bei den jeweiligen ÖPNV-Verkehrsverbünden sein. Durch den geringeren bürokratischen Aufwand kann schneller geplant und umgesetzt werden.
Es ist unser festes Ziel die „Grundsatzvereinbarung zur Herstellung der Barrierefreiheit an allen SPNV-Stationen in NRW“ zügig und flächendeckend weiter umzusetzen.
Nur so erreichen wir unser Zwischenziel, bis 2030 90 Prozent der täglichen SPNV-Fahrgäste in NRW einen ebenerdigen Ein- und Ausstieg ermöglichen zu können.
Dafür brauchen wir einen Umsetzungsplan der Infrastrukturbetreiber, der auch verbindlich gewährleistet werden muss.
Die Anstrengungen des Landes allein reichen aber nicht:
Der Bund ist hier ebenfalls gefordert, die Verantwortlichen für die Barrierefreiheit an Stationen stärker in die Pflicht zu nehmen – dies gilt besonders für die ständige Erreichbarkeit der Mobilitätservicezentrale der DB AG. Genauso wie dem ständigen Einsatz von Hubliften an allen Fernverkehrs-Bahnhöfen in Nordrhein-Westfalen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und fordert das Zusammenwirken aller Ebenen.
Dieser Antrag ist ein nächster Schritt in die richtige Richtung.
Es muss endlich Schluss sein mit dem bestehenden Flickenteppich.
Jeder muss und wird seinen Teil beitragen. Das erwarten die Menschen in NRW von uns und daher stellen wir diesen Antrag.
Wir wollen Menschen mit Mobilitätseinschränkungen einen selbstbestimmten Alltag ermöglichen, in ganz NRW.
Und genau DESHALB werden wir die Probleme ins Auge nehmen und benennen,
wir werden uns diesen Herausforderungen stellen und
sie zügig - Schritt für Schritt - angehen und abarbeiten.
Mit neuer Perspektive werden wir die Erfahrungen und Bedürfnisse der Menschen einbinden und bedarfsgerecht agieren.
Wir entwickeln eine neue APP und
bauen dabei auf bestehende Strukturen auf.
Das braucht Zeit,
aber wie eine bekannte amerikanische Sängerin und Schauspielerin einmal sagte
„Realität ist das, worüber man hinauswächst.“
Dieser Antrag ist ein weiterer Schritt zum barrierefreien ÖPNV, und er wird nicht der letzte sein.
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit!
Empfehlen Sie uns!