Der deutschen Nationalhymne gebührt eine gesetzliche Normierung in der historisch überlieferten Form

21.03.2018
Rede
Dr. Marcus Optendrenk MdL zu TOP 6

Anrede,

Als Heinrich Hofmann von Fallersleben am 4. September 1841 auf der damals britischen Insel Helgoland von seinem Hamburger Verleger Julius Campe das erste Exemplar seines Liedes der Deutschen überreicht bekam, da hat er sich kaum vorstellen können, dass dieses Lied einmal Gegenstand einer politischen Kontroverse werden könnte. Der Text brachte damals die Sehnsucht nach einer Überwindung von Fürstenstaaten und Kleinstaaterei im zersplitterten deutschen Reich zum Ausdruck.

Er beschreibt den damaligen deutschen Sprachraum vom Herzogtum Limburg an der Maas bis hin zum österreichischen Südtirol. Und er formuliert die Sehnsucht nach einem Nationalstaat liberaler Prägung. „Einigkeit und Recht und Freiheit“. Die Melodie ist bekanntlich noch älter. Sie stammt aus dem 1797 uraufgeführten Kaiserquartett von Joseph Haydn. Erstmals aufgeführt worden ist das Lied übrigens an einem 3. Oktober, einem für die deutsche Geschichte glücklichen Tag, des Jahres 1841 in Hamburg. Zur Nationalhymne ist dieses Lied erst 1922 geworden, auf Vorschlag des damaligen Reichskanzlers Friedrich Ebert. Damals waren es alle drei Strophen, die als Hymne gesungen wurden. In der Zeit des Nationalsozialismus wurde nur die erste Strophe gesungen, gefolgt vom Horst-Wessel-Lied. Die dritte Strophe, in der es um Recht und Freiheit geht, spielte im Dritten Reich keine Rolle. Wie denn auch? Gerade darum ging es ja auch in der politischen Wirklichkeit nicht. 1952 wurde die dritte Strophe offiziell zur deutschen Nationalhymne, durch einen offiziellen Schriftwechsel zwischen Bundeskanzler Adenauer und Bundespräsident Heuss. 1991 bestätigte Bundespräsident von Weizsäcker diese Nationalhymne durch ein vergleichbares Schreiben an den damaligen Bundeskanzler Kohl.

Nationalhymnen haben in der Regel eine ganz eigene Geschichte. Einen Teil habe ich hier am Beispiel unserer Nationalhymne dargestellt. Sie haben auch einen eigenen Bezug zu dem Staatswesen, zu dessen Repräsentation sie gespielt werden. Vielfach sind sie militärisch geprägt, wie etwa die Marseillaise. Unsere Hymne ist – vor allem in durch den Text der dritten Strophe – ein Zeugnis des Grundverständnisses unseres freiheitlichen, demokratischen Rechtsstaates. Und das, obwohl der Text bereits 1841 verfasst worden ist. Die ebenso absurde wie überflüssige Idee, den Text dieser Hymne zu verändern, die Idee, die vor einigen Wochen hohe Wellen schlug, ist ein Zeichen für mangelndes Verständnis für die Verbindung von Tradition und Gegenwart, die im Lied der Deutschen zum Ausdruck kommt.

Wer einen grundlegenden Identifikationstext eines Staates der Mode von Begriffen unterwerfen will, der hat im Kern nicht verstanden, worum es geht: um die Aussage des Textes, dass wir nach innen wie nach außen eine freiheitliche, demokratische Rechtsordnung sein wollen. Der oder die hat im Kern nicht verstanden, dass ein historischer Text seine eigene Zeitprägung hat und klugerweise auch behält. Was sollte denn eine Niederländerin singen, wenn in der im 16. Jahrhundert entstandenen Nationalhymne die Übersetzung der ersten Zeile lautet: „Ich bin Wilhelmus von deutschem Blut.“ Sie ist weder Wilhelm, noch männlich, noch fühlt sie sich heute als Deutsche. Und trotzdem ist es bis heute die Nationalhymne des Königreichs der Niederlande. In unserer Verfassung, dem Grundgesetz, sind staatliche Einheit, Rechtstaatlichkeit und Freiheit im Kern als unsere Verfassungsprinzipien, also gemeinsam mit den Grundrechten als die grundlegende Werteordnung niedergelegt. Verbindlich für alle staatlichen Organe, gültig für Bund und Land. Um das auf Dauer zu sichern, braucht es keine Verankerung des Liedtextes von Hoffmann von Fallersleben in unserer Verfassung. Ein solches Vorgehen ist nicht nur völlig unüblich. Es wäre auch angesichts der Funktion einer Nationalhymne völlig überzogen. Unsere Nationalhymne ist nicht unsere Verfassung, sie ersetzt sie auch nicht. Vielleicht kann man es so sagen: sie gibt unseren Verfassungsprinzipien eine Melodie. Um dem Anliegen unserer Nationalhymne, der dritten Strophe des Liedes der Deutschen, jeden Tag zu entsprechen, ist es am sinnvollsten, dass wir uns alle in Deutschland immer wieder auf das besinnen und danach handeln, was die Kernaussage ist: „Einigkeit und Recht und Freiheit sind des Glückes Unterpfand“.