Diesel-Fahrverbote in NRW - Die Politik muss das wirtschaftliche Chaos abwenden

28.02.2018
Rede
Klaus Voussem MdL zur aktuellen Stunde

Herr Präsident,
meine Damen und Herren,

lassen Sie mich zu Anfang eines klar und deutlich feststellen: die Gesundheit der Bürger ein hohes Gut ist.

Es ist das höchste Gut, dem wir uns verpflichtet fühlen. Gleiches gilt für unser Klima. Auch hier fühlen wir uns in der Pflicht; das haben wir schon mehrfach betont.

Wir wissen also, worum es geht. Die Diskussionen um Luftbelastung durch Stickoxid beschäftigen uns ja schon seit geraumer Zeit.

Zum Hintergrund: Seit 2010 sind europaweit die Grenzwerte aus der EU-Luftqualitäts-Richtlinie einzuhalten (40 Mikrogramm NO₂ pro Kubikmeter Luft als Jahresmittelwert). Das Verwaltungsgericht in Düsseldorf hat am 13. September 2016 mit dem Urteil zur Klage der Deutschen Umwelthilfe gegen den Luftreinhalteplan Düsseldorf die Bezirksregierung Düsseldorf aufgefordert, den Luftreinhalteplan so fortzuschreiben, dass der Stickstoffdioxidgrenzwert schnellstmöglich eingehalten wird. Die Sprungrevision vor das Bundesverwaltungsgericht sollte zur Klärung beitragen, welche Rechtsgrundlagen hierfür bestehen.

Gestern nun kam es zum Urteilsspruch. Das Bundesverwaltungsgericht hat darin über die Frage entschieden, ob es eine Rechtsgrundlage gibt, die es erlaubt, für Fahrzeuge mit einer bestimmten Antriebstechnik ein Fahrverbot zu verhängen und bejaht. Damit hat das Gericht eine abstrakte Rechtsfrage beantwortet. Es hat nicht darüber geurteilt, ob Fahrverbote in den betroffenen Kommunen einzuführen sind. Die Luftreinhaltepläne werden zurzeit in vielen Städten und Kommunen überarbeitet. Die Prüfung und Entscheidung ob oder in wieweit Dieselfahrverbote die Luftqualität verbessern und dabei helfen die gesetzlichen Grenzwerte von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft einzuhalten, liegt bei den Bezirksregierungen. Ihnen obliegt es daher auch darüber zu entscheiden, ob Fahrverbote verhältnismäßig sind. Es muss also zwingend ein Kompromiss zwischen Gesundheitsschutz und Mobilitätsbewahrung gefunden werden. Hierfür steht den Behörden ein ganzer Mix an geeigneten Maßnahmen vergleichbar einem „Werkzeugkasten“ zur Verfügung. Dabei ist die Verhängung von Fahrverboten nur ein Instrument unter vielen und kann angesichts der Schärfe des Eingriffs nur ultima ratio sein.

Ziel der NRW-Koalition ist und bleibt Fahrverbote generell zu vermeiden. Auch der „blauen Plakette“ erteilen wir weiterhin eine Absage, denn diese regelt nur die Ausnahme von Fahrverboten, die wir ja vermeiden wollen. Denn: Fahrverbote beschränken nicht nur die individuelle Mobilität und das innerstädtische Wirtschaftsleben, sondern sie bedrohen Handwerk, Handel und Mittelstand in ihrer Existenz. Fahrverbote würden zur Unterbrechung von Wertschöpfungsketten führen und damit einen schweren volkswirtschaftlichen Schaden verursachen. Sie hätten auch nicht zuletzt gewaltige Auswirkungen auf die zahllosen Pendler in NRW, die sich – im Vertrauen auf die Industrie –Dieselfahrzeuge gekauft haben und auf ihrem Weg zur Arbeitsstätte darauf angewiesen sind.

Auch für die Arbeitgeber würde sich die Situation im Hinblick auf verfügbare Arbeitskräfte verschlechtern. Die öffentliche Versorgung, der Nahverkehr und Einsatzfahrzeuge wären ebenso beeinträchtigt. Kurz: Es würde einen erheblichen Eingriff in die Rechte von Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen bedeuten. Zudem tragen nicht allein nur Dieselabgase zur Überschreitung der Grenzwerte bei. Es gibt Hintergrundbelastungen in den Städten z.B. auch über andere Verkehrsträger und Industrieanlagen. Es macht also wenig Sinn diese Faktoren losgelöst voneinander zu betrachten. Vielmehr gilt es, die Stickoxid-Konzentrationen in der Luft weiter wirksam zu senken. Dafür sind eine ganze Reihe von Maßnahmen in den letzten Wochen und Monaten jenseits der Fahrerverbote aufgezeigt worden. Aus Sicht der Verkehrspolitik warne ich davor, mit einer allzu leichtfertigen Verhängung von Fahrverboten die sich neu bietenden Chancen einer nachhaltigen Stärkung des ÖPNV zu verpassen. Gefragt ist jetzt eine Unterstützung bei der Umsetzung der Maßnahmen durch die Bundesregierung, damit Anreize zur Modernisierung der Fuhrparks geschaffen werden.

Dazu kommt die Nachrüstung von Bussen im ÖPNV, die wir in Nordrhein-Westfalen bereits umsetzen. Von Seiten des Verkehrsministeriums NRW sowie der Verkehrsverbünde werden moderne, multimodale Mobilitätskonzepte entwickelt, die die Kombination von Bus, Bahn, Fahrrad und Pkw benutzerfreundlicher machen. Ein Schlüssel liegt auch in der Digitalisierung zur Entwicklung von Logistikkonzepten und intelligenten Ampelschaltungen. Nur schlagwortartig nenne ich an dieser Stelle die technologieoffene Förderung von emissionsarmen und emissionslosen Antriebsformen.

Meine Damen und Herren, wir sind davon überzeugt, dass der Werkzeugkasten breit mit Maßnahmen gefüllt ist, die es ermöglichen bis 2020 die Stickstoffdioxidgrenzwerte einzuhalten. Wir haben auch vollstes Zutrauen in unsere Landesverwaltung, dass im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten alles ausgeschöpft wird, um Diesel-Fahrverbote zu vermeiden. Unsere Verwaltung mit ihren sehr fähigen Mitarbeitern wird hier eine kreative Lösung finden. Gestern kam bereits die Meldung über den WDR, dass die Bezirksregierung Düsseldorf bis mindestens 2020 keine Fahrverbote für Dieselfahrzeuge verhängen will.

Mit diesem positiven Signal freuen wir uns auf die weitere Debatte!

Themen

Autoren