Dr. Günther Bergmann zu TOP 1 Aktuelle Stunde "Hochwasserschutz Fehlanzeige! Was unternimmt die Landesregierung, um Bevölkerung und Infrastruktur zu schützen"

12.06.2024

Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Ich bin über die beiden Redebeiträge der Sozialdemokraten schon ein wenig überrascht.
Mir kommt es vor, als hätten Sie diese 22 Jahre, in denen Sie seit 1990 in der Regierungsverantwortung waren, völlig verdrängt.
Warum ich 1990 nehme, wird auch Herr Wolf verstehen. Das hat etwas damit zu tun, dass in dieser Zeit viel passiert, aber auch nicht passiert ist. Deshalb sollten wir an der einen oder anderen Stelle mit gegenseitigen Schuldzuweisungen etwas vorsichtig sein.
Wenn man dann nicht mehr weiter weiß, wird man persönlich. Herr Vogt, was Sie gegenüber Herrn Krischer teilweise gesagt haben, ist unterirdisch. Im Gegensatz zu Ihnen bin ich mit Herrn Krischer schon am Deich gewesen,
und ich bin Augenzeuge geworden – wenn ich das so intim sagen darf, Herr Krischer –, wie er versucht hat, zu baggern, und ein großes Loch im Deichvorland bei der Eröffnung eines Deichbauabschnitts produziert hat. Untätigkeit ist also genau das Falsche, was Sie da vorwerfen.
Frau Kahle-Hausmann, teilweise habe ich auch den Eindruck, dass Sie nicht genau wissen, wie die Finanzierung eines solchen Projekts überhaupt stattfindet, aber darauf möchte ich gerne eingehen.
Ich bin der FDP sehr dankbar dass sie das Thema aufgreift, weil es natürlich wichtig ist. Es wird allerdings deutlich, wie schnell Sie ins Schlingern kommen. In Ihrer Antragsbegründung steht etwas von Deichen und Dämmen. Dämme und Deiche werden auch von der hier nur noch rudimentär vorhandenen Fraktion gleichgesetzt. Das sind aber zwei unterschiedliche Paar Schuhe, die im technischen Hochwasserschutz eine ganz große Rolle spielen.
Sie fragen den Schutz der Bevölkerung und der Infrastruktur an. Franz Josef Strauß hätte damals gesagt, dass die falsche Frage gestellt sei. Denn die Frage müsste eigentlich lauten: Wie kann man die schon feststehenden Maßnahmen endlich beschleunigen? Das wäre die richtige Frage für die Begründung einer Aktuellen Stunde gewesen.
Als Rheinanlieger geht es mir natürlich um den technischen Hochwasserschutz. Ich komme aus dem Kreis Kleve. Bei uns wird der Rhein bis zu 2,2 km breit, und bei Hochwasser fließen 16.000 m³ pro Sekunde durch. Charlotte Quik aus dem Kreis Wesel könnte das bestätigen.
Selbst die beste Landesregierung – unterstellt die jetzige – kann nicht vorhersehen, wo das nächste Starkregenereignis stattfinden wird. Demgegenüber wissen wir alle um die Gefahr, die vom Rhein jedes Jahr mindestens einmal, wenn nicht sogar zweimal ausgeht. Deswegen beschäftige ich mich damit in dieser Rede.
Direkt am Anfang möchte ich mit der Behauptung aufräumen, die die FDP aufstellt, dass es an konkreten Maßnahmen und Masterplänen fehle, denn das ist schlichtweg falsch. Wir haben nicht nur Masterpläne mit konkreten Umsetzungsplänen beim Hochwasserschutz, sondern wir haben natürlich auch Maßnahmen, die es nicht erst seit 2014 gibt.
Nach den Hochwässern in den Jahren 1993 und 1995, an die sich vielleicht nicht mehr so viele erinnern, gab es schon einmal einen Plan.
Bei mir in der Heimat haben damals erste Evakuierungen stattgefunden, Tiere und Menschen mussten weg, weil das Wasser so hoch stand, und die Deiche zu brechen drohten.
Die damalige Umweltministerin hat daraufhin eine genaue Marschrichtung festgelegt: Bis 2015 sollte alles passieren. Die SPD-geführte Landesregierung hat dann gemerkt, dass sie es nicht schafft, das umzusetzen, und einen neuen Plan auf die Schiene gesetzt, nach dem bis 2025 alles umgesetzt werden sollte. Auch diesen Plan werden wir nicht einhalten.
Wir haben aber schon viel länger eine Richtlinie, nämlich den Generalplan Niederrhein. Diesen gibt es seit 1990. Das ist 34 Jahre her. Deswegen sollte man mit dem Fingerzeigen immer vorsichtig sein; überlegen Sie mal, wo Sie und wo wir damals saßen. In dem Generalplan sind die Handlungsbedarfe nachgewiesen worden. Obendrauf kam noch das von meiner Kollegin Bianca Winkelmann schon Erwähnte, nämlich die Pläne für das Hochwasserrisikomanagement.
Kommen wir zu den Problemen beim Abruf der Mittel. Sie wissen ganz genau, woran das liegt. Das ist keine neue Entwicklung. Der klassische Abruf der Mittel hat seit dem Jahr 2000 ein einziges Mal – nämlich, soweit ich weiß, im Jahr 2002 – 100 % Ansatz und Abruf erfahren.
Warum ist das so? Das ist doch logisch. Der Finanzminister stellt Mittel in den Haushalt ein; Maßnahmen fangen an.
Oder sie fangen eben nicht an, weil zum Beispiel ein neues Hochwasser den Baubeginn verzögert oder Planfeststellungsverfahren nicht beendet worden sind – was sehr bedauerlich ist; darauf komme ich gleich noch. Dann wird das natürlich im nächsten Jahr fortgeschrieben. Diese Mittel werden im jeweiligen Jahr nicht abgerufen, sodass wir teilweise nur 65 % Abruf hatten. Wir hatten aber auch schon Jahre mit 106 % oder 107 % Abruf, was durch den Übertrag auf das nächste Jahr kam.
Daraus hier ein so großes Problem zu machen, ist nicht ganz in Ordnung.
Ich nenne ein ganz aktuelles Beispiel, an dem das sehr schön fühlbar wird.
In Düsseldorf-Himmelgeist, nicht weit von hier, ist ein Bescheid beklagt worden. Die Maßnahme sollte starten. Nach dem Beklagen des Bescheids sagte das Gericht, es müsse noch ein Punkt geplant werden. Die Konsequenz? Bei allen anderen Planfeststellungsverfahren wurde der Anker geworfen, alle mussten neu angedacht werden, alle haben sich verzögert. Der vorbereitete Mittelabfluss konnte nicht stattfinden, weil es eine richterliche Vorgabe gab, etwas zu ändern. Eine Katastrophe für die Leute vor Ort!
Ich bin Christdemokrat und finde Subsidiarität deswegen immer klasse. Die Deichverbände, die vor Ort die Kompetenz, das Wissen und die Ortskenntnis haben, haben eine wunderbare Art der Zusammenarbeit. Das habe ich 1993, 1995 erlebt, als grenzüberschreitend mit den Niederländern in den beiden Deichringen 48 und 46 Oberlieger Unterlieger schützten; das wird ja ganz bewusst gemacht.
Ihnen wurde auf einmal gesagt: Nehmt all eure Pläne wieder und macht. – Die Konsequenz ist, dass in den nächsten Monaten nichts passieren wird.
Am Beispiel des größten Deichverbands in Nordrhein-Westfalen habe ich die Zahlen einmal rausgesucht. Der Deichverband Bislich-Landesgrenze – Bislich gehört zu Wesel; wo die Landesgrenze ist, wissen Sie, nämlich hinter Emmerich – ist der größte Deichverband. Er hat 45,6 km Hochwasserschutzlinie, in sieben Bezirke aufgeteilt. Dieser Deichverband hatte teilweise seit 1998 laufende Verfahren; neuerdings gibt es noch welche, die seit 2007 dort liegen – um die Zeiträume mal darzustellen –, weil es immer wieder neue Vorgaben und neue Richtlinien gibt.
1,2 km sind immer noch erst in Planvorbereitung. 9,1 Kilometer sind jetzt endlich beantragt und planfestgestellt. 35 km sind gebaut. Zu sagen, es passiere nichts, ist schlichtweg falsch.
Darüber, welche Optimierungsmöglichkeiten wir haben, können wir gleich in einem zweiten Schritt sprechen. – Danke.