Dr. Günther Bergmann zu TOP 1 "Gewalt ist kein Mittel der politischen Auseinandersetzung"

15.05.2024

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen, meine Herren,

ich habe ein bisschen ein Déjà-Vu. Ich erinnere mich, ich bin ja schon ein paar Monde älter als die Vorrednerin - ich erinnere mich noch, aus der Stadt Kalkar kommend, an die Anti-Atomkraft-Diskussionen und -Debatten und -Demonstrationen, und ich bin Ohren- und Augenzeuge bei diesen Demonstrationen gewesen, wo die Klarheit was ist Gewalt und was ist Demonstration nicht gegeben war. Und es hat lange gedauert − sehr lange − bis es politischer Konsens war, dass Gewalt − egal ob von extrem rechts oder extrem links − nicht in die politische Auseinandersetzung gehört. Es hat lange gedauert, bis das politischer Konsens war.
Und das habe ich, zuhause in meiner Heimat, hautnah bei mehreren Demonstrationen erleben müssen. Und nun bricht das wieder irgendwie auf. Was ist nur in unserer Gesellschaft geschehen, was ist da falsch gelaufen, dass – wie schon gerade gesagt – Feuerwehrleute, Rettungssanitäter, Leute, die sich für uns alle einsetzen, Polizisten − und eben wir Politiker − angegriffen werden, obwohl wir uns doch für die Gemeinschaft einsetzen?
Trifft da falsch verstandene Toleranz auf bewusst missinterpretierte Meinungsfreiheit?
Gefragt ist ein Diskurs der Worte – und damit sind wir beim Thema.
Wir durchleben eine Zeit der Verrohung – erst Worte, dann Taten. Meine Damen und Herren, Sie wissen ich bin Christdemokrat, ich glaube nicht an die Wiederholung von Geschichte − das ist sozialistische Geschichtsschreibung − aber ich erkenne schon Parallelen zu den 20er und 30er Jahren. Damals lautete der Trilog: Worte – Bücher – Menschen. Heute heißt es: Worte – Medien – Menschen. Für mich steht dabei außer Frage: Die AfD hat großen Anteil an dieser Verrohung.

Und wenn Sie es schon nicht den demokratischen Parteien hier glauben, glauben Sie es doch wenigstens den Gründern, die Sie alle rausgeschmissen haben im Laufe der Jahre - Hans-Olaf Henkel, einer der Gründer der AfD, sagte: „Vernünftige und Anständige haben die Partei verlassen.“ Bernd Lucke, Ex-Vorsitzender: „Diese Partei ist übernommen worden.“
Von der AfD wurde die Büchse der Pandora geöffnet, die sie jetzt nicht mehr zu kriegt und vermutlich auch gar nicht zu kriegen will. Und vor diesem Hintergrund ist das Wehklagen wegen natürlich völlig inakzeptabler Gewalt gegen irgendjemanden (ist alles völlig inakzeptabel, vor allem gegenüber Ehrenamtlichen) nicht sehr glaubwürdig. Sondern wieder nur ein zum Scheitern verurteilter Versuch der „Selbstvermärtyrerung“. Das Wort gibt es im Deutschen gar nicht, aber Sie wissen trotzdem, was ich meine.
Gaulands „Vogelschiss der Geschichte“ und Höckes „Denkmal der Schande“ – denk mal! – verrückten bewusst Grenzen und öffneten Schleusen. Teile davon haben wir eben in der Rede der AfD wieder anhören müssen.
Hier im Landtag hören wir von der AfD ganz oft das Wort „Altparteien“ wie im Hofbräukeller der 20er und 30er Jahre, und da müssen wir uns vor versammelter Mannschaft sogar das Wort „Feindsender“ à la Goebbels wieder anhören. Sie schrecken vor nichts zurück! Und das alles in einem frei gewählten Landesparlament in unserer parlamentarischen Demokratie – unglaublich!
Meine Damen und Herren, das bewusste Überschreiten von Grenzen holt Sie von der AfD nun ein. Und wir müssen alle darunter leiden. Mit leiden.
Erst ignorieren Sie alle gesellschaftlichen Realitäten in unserem Land und leben geistig im Vorgestern. Und dann wundern Sie sich, dass es Menschen gibt, die es nicht nur bei Worten belassen wollten, angestachelt auch von Ihnen.
Viel zu lange, viel zu lange ist es Ihnen gelungen, ein Blendwerk in Ihrer medialen Blase aufzubauen. Und jetzt stehen sogar Landesverrat und Korrumpierung durch Putin und China im Raum. Das ist ja eigentlich nicht neu. Das alles ist ja eigentlich nicht neu. Nein. Denn schließlich waren AfDler – und da unterscheide ich mich in der Analyse von Herrn und Ott und von Frau Brems − beide unterschreibe ich komplett. Nur das ist keine Sache, die in den letzten Wochen angefangen hat oder den letzten Jahren, nein. Schon 2018, das ist sechs Jahre her, waren AfDler aus diesem Hause schon beim Putin-Freund Assad in Syrien und dann auf der völkerrechtswidrig annektierten Krim! 2022 fuhr sogar einer von Ihnen in die Ostukraine. Das ist schon eine bemerkenswerte Nähe und Geschmacklosigkeit zugleich.
Das war fast, aber nur fast, vergessen, bis die Details um den AfD-Spitzenkandidaten zur Europawahl rauskamen. Der damals reisende Abgeordnete, der große Außenpolitik als kleiner Landespolitiker machen wollte, wurde vermutlich nur zur Show damals aus der Fraktion rausgeworfen, um ihn kurz danach wieder aufzunehmen. Vor diesem Hintergrund, meine Damen und Herren, möchte ich doch mir die Frage hier nicht verkneifen: Wurde der Abgeordnete, der ja auch Schatzmeister der hiesigen AfD ist, nur wieder aufgenommen, weil er etwa zu viel über etwaige russische oder chinesische Finanzquellen der AfD wusste? Im Rahmen des Do ut Des hat er darauf verzichtet, dies in die Öffentlichkeit zu bringen.
Sie sind jedenfalls völlig unglaubwürdig, wenn Sie hier den äußerst bedauerlichen Wandel in der Gesellschaft beklagen. Sie sind einer der Auslöser dieses Wandels zum Schlechten!
Meine Damen und Herren, um das zu unterlegen, möchte ich Ihnen Beispiel geben, das nicht aus den letzten Wochen stammt. Ich möchte eine E-Mail zitieren, die mich am 29.04.2021 erreichte, nachdem ich mich aktiv in die Diskussion hier einbrachte: „Moin, sag mal, bist du der korrupte Politiker, der andauernd dazwischen ruft, wenn ein AfD-Politiker im Landtag spricht? Bist du so ungebildet oder bist du ein korrupter Lobbyist? Auf jeden Fall sehr schön, den Namen zu wissen. Du Hänger hast aber vergessen, dass du dich mit deiner miesen Politik auch vor mir zu verantworten hast. Ich freue mich schon auf dich.“
Dieses Zitat, diese E-Mail, zeigt, auf welchem Niveau wir angekommen sind. Diese Bedrohungen, die Sie hier nur für sich in Anspruch nehmen, sind von Ihren Leuten uns gegenüber ständig und schon seit Langem gemacht worden.
Danke.

Themen