
Herr Präsident! Meine Damen, meine Herren!
Frau Seli-Zacharias, das, was Sie gerade vorgetragen haben, hat mit dem Thema, das Sie selber als AfD für heute beantragt haben, nichts zu tun gehabt.
Ich möchte gern mit einem Dank anfangen und einen Dank an die RIAS richten, die auch unterhalb der Strafbarkeitsgrenze in unserem Land sehr effektiv tätig ist. Und darum geht es in dieser Aktuellen Stunde: um die RIAS-Studie für das Jahr 2024. Die RIAS ergänzt Sylvia Löhrmann als die Beauftragte des Landes Nordrhein-Westfalen zur Bekämpfung des Antisemitismus in unserem Land – eine wichtige Arbeit, ein starkes Zeichen der Landesregierung, das fortgesetzt wird, für das wir sehr dankbar sind.
Solange Synagogen, jüdische Kindergärten, jüdische Schulen, jüdische Altenheime derart von der Polizei gesichert werden müssen, ist nichts normal in Deutschland. Ich würde Minister Reul, wenn er heute nicht verhindert wäre, bitten, unseren Dank an die Polizei weiterzugeben für deren Objektschutz, den sie in schwierigen Zeiten vor Synagogen, vor Altenheimen in unserem Bundesland leistet.
940 Taten, besonders seit dem 7. Oktober 2023 ansteigend, nach dem grausamen Angriff der Hamas auf die friedlich feiernden Jugendlichen und die Bewohner von mehreren Kibbuzim in Israel: Das ist eine erschütternde Zahl, die in dem Bericht heraussticht. Diese Steigerung um 40 % ist Alarmzeichen und Skandal zugleich.
Der unsäglichen Vermischung von neuem und altem Antisemitismus mit einem extrem zunehmenden Anti-Israelismus versucht die RIAS mit den Rubriken „antisemitisches Othering“, „antijudaistischer Antisemitismus“, „moderner Antisemitismus“, „Post-Schoa-Antisemitismus“ und „israelbezogener Antisemitismus“ eine gewisse Strukturierung zu geben. Um es gleich vorweg zu sagen: Für die CDU sind alle Formen des Antisemitismus völlig inakzeptabel und unerträglich.
Sie sind auch mit der ganzen Härte der zur Verfügung stehenden juristischen Mittel zu verfolgen.
Ebenfalls unverhandelbar ist für uns das Existenzrecht des Staates Israel, der einzigen Demokratie im Nahen Osten.
Auf Basis dieser beiden Säulen können wir sowohl innerhalb von Nordrhein-Westfalen mit jüdischen Verbänden als auch gegenüber der Regierung Israels in einen offenen, oft nicht einfachen Dialog selbst zu strittigen Themen wie sogar Gaza treten.
Beim Lesen der Begründung der Aktuellen Stunde durch die AfD schoss mir durch den Kopf: „Die Botschaft hör’ ich wohl, allein mir fehlt der Glaube.“
Dieser Restsprengsel des früheren deutschen Bildungsbürgertums in Form eines Zitates aus Goethes „Faust“ offenbart doch vieles. Dass dieses Thema von der AfD bespielt wird, ist völlig unglaubwürdig. Die AfD versucht wieder den Trick der vermeintlichen Beschlagnahme eines öffentlichkeitswirksamen Themas, das eigentlich der AfD nicht zusteht.
Man könnte es auch anders sagen: Das ist heute hier alles nur Show. Denn die AfD unterliegt einer Radikalisierungsdynamik und hat zum Beispiel in ihrem Wahlprogramm – bei aller gerade auch wieder zur Schau gestellten Betroffenheit – zur Bundestagswahl nicht einen einzigen Satz dazu gesagt, wie jüdisches Leben in Deutschland geschützt oder verbessert werden sollte. Das zeigt: Effekthascherei steht bei Ihnen wieder mal ganz oben auf der Liste und dient nur als Türöffner für erneut pauschales Ausländer-Bashing.
Dabei sollten Sie erst einmal vor der eigenen Türe kehren. Höckes Forderung nach einer erinnerungspolitischen Wende um 180 Grad, seine Verbalausfälle – Stichwort: „Denkmal der Schande“ – und die ungeheuerlichen Entgleisungen des Altvorderen Gauland – Stichworte sind hier „Vogelschiss der Geschichte“ oder „Wir werden sie jagen“ – zeigen, dass Sie nicht Problembeseitiger sein können; denn Sie sind inhärenter Problemteil.
Es kommt mir so vor, als würde die AfD hier wieder als politischer Pyromane auftreten, der als Wiederholungstäter die saubere politische Feuerwehr spielen will. Das werden wir Ihnen aber nicht durchgehen lassen.
Wir haben und werden nicht vergessen, dass Sie die Relativierung von Schoah und Judenhass etwa durch den ehemaligen Abgeordneten der AfD Wolfgang Gedeon über Jahre zuließen und dass AfD-Leute 2018 in Chemnitz bei der Nazi-Demo mitmachten, in deren Anschluss diese unsäglichen antisemitischen Vorfälle passierten.
Dass Sie gerade die Themen wie „Judentum in Deutschland“ und „Israel“ dafür instrumentalisieren wollen und wie immer eigentlich nur gegen Ausländer agitieren, ist unerträglich. Vom Thema „Antisemitismus“ zum pauschalisierten Ausländer-Bashing! Oder anders ausgedrückt: Bei der Sensibilität der Themen „Israel“ und „Juden in unserem Land“ genau diese Punkte als Mittel zum Zweck zu missbrauchen, eröffnet Abgründe; ich kann es nicht anders formulieren.
Das Schlimme ist: Wieder einmal wird durch Ihr heuchlerisches Kapern eines Themas die richtige Behandlung der Themen, die dahinter stehen, im Grunde genommen verhindert.
Ich hätte mir übrigens gewünscht, dass Sie nicht nur den wichtigen Jahresbericht der RIAS, sondern auch die RIAS-Studie „Rechtsextremismus und Antisemitismus“ vom letzten Dezember angeschaut hätten.
Das dortige Kapitel „Die Alternative für Deutschland und Antisemitismus“ – Seite 60 bis 91 – hätte Sie vermutlich davon abgehalten, diese Aktuelle Stunde zu beantragen; denn Sie wären inhaltlich Thema gewesen. – Alles Weitere später.
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