Dr. Günther Bergmann zu TOP 2 "75 Jahre Europarat – 75 Jahre erfolgreicher Einsatz für Menschenrechte, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit"

24.04.2024

Herr Präsident! Meine Damen, meine Herren!

Wir feiern heute quasi eine Art Doppelgeburtstag, 75 Jahre Europarat und 30 Jahre KGRE, Kongress der Gemeinden und Regionen Europas innerhalb des Europarats, also doppelter Grund zur Freude.
Seit sieben Jahren habe ich das Vergnügen, Nordrhein-Westfalen im KGRE vertreten zu dürfen, und habe in dieser Zeit gelernt, dass die EU zwar dominant ist, aber der Europarat an vielen Stellen oftmals sogar noch wichtiger.
Dort sind 46 Länder mit über 700 Millionen Menschen auf unserem Kontinent vereint, und darunter sind dann auch viele, die nicht in der EU sind, zu denen wir trotzdem gute Kontakte haben müssen, auch jenseits der Regierungsebenen, nämlich gerade aus den Kommunen und den Regionen.
All das findet unter dem Dreiklang statt: Demokratie, Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit. Das sind die drei Elemente, die die Arbeit des Europarats und seiner Gremien, also der Parlamentarischen Versammlung und des KGRE, leiten und lenken. Er bietet uns allen die Chance, im Gespräch zu bleiben mit auch oftmals problematischen Partnerländern.
Ich darf daran erinnern, dass jetzt nicht nur die Partnerschaft zu Großbritannien einen erheblichen Teil der Tätigkeit des Europarats ausmacht, weil Großbritannien durch den Brexit nicht mehr in der EU ist, sondern dass wir dort auch Gespräche führen können zum Beispiel mit Vertretern aus der Türkei und der Ukraine, also aus Ländern, die für uns wichtig, aber nicht zur EU gehören.
Wir haben also Chancen, mit diesen Ländern weiterhin im Gespräch zu bleiben und auch unterhalb des Radars der jeweiligen Landes- oder Bundesregierungen über Themen zu sprechen, die unbequem sind. Denken Sie zum Beispiel an das Thema „Rechtsstaatlichkeit“ mit Blick auf Polen früher oder Ungarn, aber auch an das Thema „Demokratie“ mit Blick auf die Türkei. Das sind alles Themen, die wir im Europarat und in dem entsprechenden Kongress besprechen können, und das alles unter dem Radar, aber immer in Kooperation mit Berlin.
Wir machen das, was die NGOs eigentlich zum Beispiel in der Entwicklungspolitik auf Bundesebene in anderen Ländern schon lange machen. Wir übernehmen Verantwortung und tun auch mal Dinge, die vielleicht eine bundesstaatliche Regierung nicht tun könnte, mit all den positiven Auswirkungen, die das in der Arbeit hat.
Beim Kongress bringen wir zum Beispiel unsere Erfahrungen ein, die wir hier im gemeinsamen Kampf gegen Antisemitismus diskutiert haben. Wir haben aus Nordrhein-Westfalen heraus auch Initiativen in Bezug auf Demokratiebrücken in den Europarat eingebracht. Das alles sind Dinge, die – Frau Tichanovskaja hat das bei der letzten KGRE-Sitzung in Straßburg unterstrichen – zum Beispiel in der großen Diktatur von Lukaschenko eine wertvolle Unterstützung vor Ort für Oppositionelle leisten.
Wir sind auch diejenigen, die unsere Erfahrungen bei der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit einbringen können, etwas, was wir oft thematisieren. In Bezug auf die Regionalisierung haben wir in der letzten Sitzung mit dem entsprechenden Minister aus Rom diskutiert, wie die dort angedachte föderale Struktur aussehen könnte und welche Erfahrungen wir aus Nordrhein-Westfalen aus unserem deutschen Blickwinkel einbringen können. Das alles sind Dinge, die in konkrete Vorschläge münden.
Ich bin sehr stolz darauf, dass der Vorschlag aus Nordrhein-Westfalen im KGRE erarbeitet und aufgenommen wurde, die Regionalpartnerschaften mit der Ukraine zu stärken, der dann in die Vollversammlung weitergetragen wurde.
(Beifall von der CDU und Berivan Aymaz [GRÜNE])
Wir haben das mit Dnipropetrowsk gemacht, andere sind uns gefolgt. Inzwischen gibt es über Deutschland hinaus Interessen, genau solche Kooperationen und Regionalpartnerschaften zu stärken. Das ist etwas, was vor Ort ankommt und was die EU in dieser Form vielleicht nicht alleine leisten kann und wir als Europarat dann tun.
Wir als Deutsche können einen entscheidenden Beitrag dazu leisten, unsere Ideen einzubringen und unsere Erfahrungen einzustreuen. Wir sollten den anderen Leuten niemals sagen, wie sie etwas machen sollten, sondern den besseren Weg wählen und die Erfahrungen, die wir als überzeugte Föderalisten in unserer Region gesammelt haben, in den europäischen Prozess einbringen. Deswegen haben wir diesen Antrag gestellt, und ich bitte Sie, diesen Antrag zu unterstützen. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Meine Damen, meine Herren! Im Rahmen des klimaktischen Aufbaus am Schluss Europa – wunderbar.
Ich freue mich sehr, dass wir über dieses Thema sprechen können. Nächste Woche bin ich für NRW wieder beim Europarat, beim Kongress der Regionen. Dort stehen Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte immer ganz weit vorne. Deswegen ist es schön, dass wir darüber sprechen.
Ich finde den FDP-Antrag trotzdem komisch, weil er nicht nur vorne von 47 Ländern spricht – es sind nur noch 46, wie man eigentlich wissen sollte, weil Russland raus ist; deswegen stimmen die Zahlen nicht mehr –, sondern darin meines Erachtens auch ein starkes Zeichen fehlt, dass die EU respektive deren Einzelstaaten schon längst diese Charta, diese Konvention, unterstützen, also auch Deutschland. Alle EU-Staaten machen das. Es geht also nur darum, dass die EU als solche beitritt. Denn es gibt überhaupt keinen Zweifel, dass die EMRK wichtig ist und dass wir darin sein sollten. Das ist Deutschland bereits, und alle anderen EU-Staaten sind es auch.
Die Gefahr, von der Sie gerade selbst teilweise berichteten, dass es uneinheitliche oder sogar widersprechende Entscheidungen vom EuGH und vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte – der direkt neben dem Europarat in Straßburg wunderschön neu gebaut worden ist; wir erfreuen uns jedes Mal, wenn wir dort tagen, an der wunderbaren Architektur – gibt, ist sehr groß.
Die eigentlichen Probleme, die zu dieser Verzögerung geführt haben, kennen Sie. Es geht darum, wie die GASP, die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der Europäer, mit den Europaratsstaaten, die ja viel mehr sind als die Europäer, zusammenpasst. Das wissen Sie. Diese Schnittstelle ist ein großes Problem, weil sich Entscheidungen auf der EU-Seite und Entscheidungen auf der Europaratsseite vielleicht widersprechen und dann zu juristischen Problemen führen.
Das wird seit Langem diskutiert. Angesichts der langen Diskussionen und der vielen Einigungen, die auf diesem Weg bis jetzt – ansatzweise haben Sie es selbst beschrieben – erfolgt sind, der immer noch offenen Fragen ganz speziell bei der GASP und eines ausstehenden Urteils des EU-Gerichtshofs – es wird irgendwann in diesem Jahr erwartet; er orientiert sich nicht an den Europawahlen und an neuen Kommissionen, sondern macht seine Rechtsprechung – sollten wir heute in einem Landesparlament, das natürlich wichtig ist – ich betone in Straßburg immer, dass Nordrhein-Westfalen mit 18 Millionen Einwohnern die größte Region des Europarates ist; wir wären die Nr. 6 in Europa und als Volkswirtschaft die Nr. 17 weltweit, sind also sehr bedeutend –, doch die Kirche im Dorf lassen.
Niemand wartet darauf, dass Nordrhein-Westfalen jetzt ein solches Zeichen setzt. Ich finde es auch ein bisschen befremdlich in Anbetracht der Tatsache, dass das Ziel ja unbestritten ist und Sie natürlich auch wissen, dass es im März dieses Jahres schon wieder eine Teileinigung gegeben hat. Wir sind kurz davor, weil die Ad-hoc-Gruppe es geschafft hat, viele Dinge zu klären, dass die Beitrittsinstrumente klar definiert sind und umgesetzt werden können.
Wie würde deswegen der Landwirt aus Mecklenburg-Vorpommern sagen? Dann können wir es auch lassen. Eigentlich ist dieser Antrag also obsolet. Aber wir werden natürlich in guter demokratischer Tradition der Überweisung zustimmen. – Vielen Dank.