
Sehr geehrter Herr Landtagspräsident,
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen!
4 Cent – diese Zahl möchte ich hier an den Anfang dieser aktuellen Stunde stellen, weil sie sich doch so sehr in unser aller Gedächtnis, das Gedächtnis von Wirtschaftsvertretern und Gewerkschaften, in das Gedächtnis der Wählerinnen und Wähler bei der letzten Bundestagswahl eingebrannt hat. Das war das sehr konkrete Versprechen von Kanzlerkandidat Olaf Scholz für einen Industriestrompreis in Deutschland.
Alles so nachzulesen in der SPD-Parteizeitung „Vorwärts“ unter dem 22. Juni 2021, von Olaf Scholz ausgesprochen als, so „Vorwärts“, „klares Angebot“ an die Industrie, auf dem Jahrestreffen des BDI (Bundesverbandes der Deutschen Industrie) in Berlin. Da hat Kanzlerkandidat Olaf Scholz übrigens auch betont, wie ich mit Erlaubnis des Präsidenten zitieren darf: „Darum braucht es eine neue Art der politischen Führung.“ Was er darunter versteht, sehen wir ja jetzt. Vielleicht war es doch mehr Drohung als Versprechen.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
Nordrhein-Westfalen ist der Motor der deutschen Wirtschaft! Hier wird ein Bruttoinlandsprodukt von 793, 8 Milliarden Euro (2022) erwirtschaftet, das höchste Bruttoinlandsprodukt aller deutschen Bundesländer, mit einem Anteil von 1/5 des gesamtdeutschen BIPs. Und das kommt nicht von ungefähr: Eine ganz besonderen Rolle dabei spielt natürlich unser historisch starker Industriesektor.
Wir haben nach wie vor eine komplette industrielle Wertschöpfungskette, die sich durch einen einzigartigen Mix von spezialisierten kleinen und mittelständischen Unternehmen hin zu großen Konzernen kennzeichnet. Ob die Chemieindustrie, der Maschinenbau, Metallerzeugung und -bearbeitung, die Nahrungsmittelindustrie oder auch die Elektrotechnik, um nur einige zu nennen. Sie alle haben unseren Standort im Herzen von Europa erkannt und das – meine Damen und Herren – muss auch zukünftig so bleiben.
Die Landesregierung und die Zukunftskoalition aus CDU und Grünen tun alles, um diesen einmaligen Wert für unseren Wohlstand zu erhalten und weiterzuentwickeln. Wir fördern zum Beispiel mit bis zu 700 Millionen Euro den Weg hin zu grünem Stahl aus dem Ruhrgebiet, weil er die Basis für die Wirtschaft in unserem Land bildet. Ein neuer Reviervertrag begleitet den Wandel im Rheinischen Revier von der Braunkohleregion in die Zukunft. Und wir treiben den Ausbau erneuerbarer Energien massiv voran und liegen damit aktuell bundesweit an der Spitze. Wir wollen nicht erst 2032, wie es der Bund von uns fordert, klar haben, wo hier im großen Stil Windenergieanlagen gebaut werden dürfen; die Zukunftskoalition löst das schon bis 2025 ein.
Aber warum?
Wir tun das, nicht nur weil wir die Frage des Morgen sehen. Sondern auch weil wir wissen, wie wichtig in einer Zeit der Umbrüche Klarheit und Verlässlichkeit sind. Die Zukunftskoalition ist ein Partner unserer Wirtschaft, die wir auf ihrem Weg durch eine tiefgreifende Veränderung begleiten und unterstützen.
Unser Industriestandort muss sich aber nicht nur vor sich selbst beweisen, sondern auch international. Und das mehr denn je. Eine kluge Kanzlerin hat einmal formuliert, dass wir in Deutschland mit Blick auf den internationalen Wettbewerb so viel besser sein müssen, wie wir teurer sind. Und eine maßgebliche Frage des „teurer“ ist heutzutage: Energie.
Die USA haben mit ihrem „Inflation Reduction Act“ nicht nur eine weltweite Einkaufstour nach Schlüsselbranchen und Start-ups gestartet. Jedem Menschen auf diesem Globus ist klar, dass eine US-Regierung gleich welcher politischer Ausrichtung immer alles dafür tun wird, dass Energiepreise stabil bleiben – mitunter mit Maßnahmen wie Fracking oder verstärkter Ölförderung im Golf von Mexiko, die wir so nicht in Gänze tragen würden. Aber man weiß, woran man ist. Auf Deutschland und seine Herausforderungen übersetzt könnte eine mögliche Antwort heißen: Ein verlässlicher Industriestrompreis.
Und das dachte man ja auch vergangene Woche, als man den deutschen Kanzler hier nach Nordrhein-Westfalen einlud, zu Unternehmer NRW in die Rheinterrassen. Anders als vor der Wahl beim BDI gingen alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer allerdings maximal desillusioniert aus dem Saal. Eine deutlichere und klarere Absage an den Standort Deutschland und Nordrhein-Westfalen und seine führenden Köpfe, die da versammelt waren, konnte es nicht geben. Einen schlechteren und mehr Schaden verursachenden Moment und einen schlechteren Rahmen hätte Olalf Scholz nicht finden können. Nordrhein-Westfalens Wirtschaft war Zeuge, wie man Zusagen lapidar einkassiert.
Mit vagen Durchhalteparolen für ein besseres Morgen macht man keine Wirtschaftspolitik, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen!
Denn Investitionen werden immer in eine Erwartung hinein getätigt. Nirgends sonst braucht es so sehr Planbarkeit und Verlässlichkeit wie bei der Frage, wie und wo und wann man sein Geld irgendwo anlegt. Und das hat ja nicht nur etwas mit Unternehmen zu tun. Die Gewerkschaften, allen voran die IGBCE und IG Metall fordern aus ebenso gutem Grund den Industriestrompreis.
Ich hätte nicht gedacht, dass man deswegen sogar eines Tages mal froh ist über die reflexhaften Streitigkeiten in der Ampelkoalition und in der SPD. Erinnern Sie sich? Es gab vor ziemlich genau einem Jahr den großen Streit um die so genannte „Gasumlage“. Gaskunden, also derzeit quasi die gesamte deutsche Bevölkerung, sollten einen Aufschlag bezahlen, um Konzerne wie Uniper damit zu stützen.
Olaf Scholz war hier ganz an der Seite der Gasumlage, während sich sein Kabinett mal wieder selbst öffentlich zerlegte. Noch am Donnerstag, den 22.09. ließ er sich in der Presse mit der Aussage zitieren, dass die Gasumlage kommen werde und dass seine Minister Habeck und Lindner in der Sache beide die gleiche Meinung hätten. Alle anderen Menschen in Deutschland hatten zu diesem Zeitpunkt eine andere Realitätswahrnehmung. Dann stieg er in einen Jet auf Auslandsreise und überließ seiner Parteivorsitzenden Saskia Esken das Feld. Die erklärte dann am Sonntag, wie ich mit Erlaubnis zitieren darf: „Ich bin der festen Überzeugung, dass wir diese Woche zum Ende der Gasumlage kommen.“ Und genauso kam es.
Insofern: Ich habe die große Erwartung in unsere Kolleginnen und Kollegen der SPD-Fraktion, dass sie einmal mehr innerparteilich ihren Kanzler zu Fall bringen und ihn auf den richtigen Weg zurückführen. Erste Ansätze sind ja in der Bundestagsfraktion erkennbar und wurden dankenswerterweise auch von SPD-Kollegen hier im Saal schon versprochen. Auch Saskia Esken hat sich zwischenzeitlich dafür ausgesprochen. Ein Anfang scheint gemacht. Wenn die deutsche Industrie und die Gewerkschaften schon nicht auf das Wort des Kanzlers vertrauen können, dann besteht doch wenigstens Hoffnung, dass man auch seine Regierung nicht so ernst nehmen darf, wie man es bei einer Regierung tun müsste.
Oder um mit den Worten des SPD-Vorsitzenden Klingbeil zu sprechen, der ja selbst, so sagt er, „fassungslos“ über den Dauerstreit seiner Regierungskoalition ist: Die Aufgabe der Regierung sei es, in der aktuellen Situation Sicherheit, Orientierung und Stabilität zu geben.
Dazu ist man nun einmal mehr aufgerufen in Sinne des Industriestandorts Nordrhein-Westfalen. Und zurück bleibt ein Kanzler, auf dessen Aussagen sich keiner mehr verlässt: Weder vor den Wahlen noch nach den Wahlen, noch innerhalb der eigenen Partei.
Doch davon lässt sich die Zukunftskoalition nicht beirren. Wir handeln weiter für den Industriestandort Nordrhein-Westfalen!
Empfehlen Sie uns!