Dr. Jan Heinisch zu TOP 4 "Landesregierung lässt Kinder, Eltern, Träger und Kommunen beim OGS-Rechtsanspruch im Regen stehen"

20.03.2024

Herr Präsident,
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen!

Die Anträge lassen sich ja auch recht schnell auf wenige Worte reduzieren:

• Die FDP fordert ein formales Gesetz und die Beto-nierung von Standards. Ausgerechnet das von der FDP, die es doch besser wissen müsste: Bürokratie ist nun wirklich das Letzte, was uns beim Platzaus-bau helfen könnte!
• Und die SPD pflegt wie immer ihre Melodie der „Bil-dungskatastrophe“, und wir können ja gleich mitzäh-len, wie oft Kollege Ott den Begriff in seine Rede einbaut – in der großen Hoffnung, die Medien wür-den diesen Dreh am Ende mitmachen.

Die Zukunftskoalition sieht das anders: Wir reihen uns nicht ein bei Fatalisten, die mitunter sogar den Ganz-tagsanspruch wieder in Frage stellen, nicht bei den Zweiflern oder Nörglern. Für uns steht ebenso wie für Kommunen und Träger das Handeln an erster Stelle, damit wir beim Ausbau des Offenen Ganztags voran-kommen.

Da wir aber hier immer wieder nur in alte Oppositionsre-flexe verfallen, müssen wir wohl noch einmal grundsätz-lich werden. Insofern bin ich Ihnen sogar für die Anträge dankbar. Sie bieten noch einmal Raum, um die Unter-schiede zwischen Regierung und Opposition aufzuzei-gen:

Zunächst noch einmal vorab: Der Ausbau des Offenen Ganztags hat einen wichtigen Grund, weit über die Erfül-lung eines formalen Rechtsanspruchs hinaus. Wir wollen für Familien, für Eltern und Kinder Verlässlichkeit und Planbarkeit ihres Alltags ermöglichen. Und wir ergreifen damit zugleich die Chance, die der Offene Ganztag für mehr Bildungsgerechtigkeit bietet.

Es war also richtig, dass der Bund hier einen Rechtsan-spruch geschaffen hat. Und allen, die sich bei seiner Um-setzung einbringen, sind wir dafür dankbar: Kommunen, Träger, deren Partner, z.B. aus dem Sport, und auch den Eltern.

Aber wissen Sie, was wir all denen schulden? Und wenn ich von „wir“ spreche, meine ich damit nicht nur uns als Zukunftskoalition, sondern ausdrücklich auch die Opposi-tionsfraktionen von FDP und SPD! Wissen Sie also, was wir als Politik schulden?

Ehrlichkeit!

Und genau das erwarten Menschen von der Politik, gera-de auch in diesen Tagen. Und Kommunen und Träger, die investieren und Angebote aufbauen sollen, haben das genauso verdient.

Und zur Ehrlichkeit gehört als Allererstes, dass die nack-te Forderung nach einem Ausführungsgesetz hier im Land gar nichts löst. Wenn das so schön einfach wäre: Wir beschließen hier ein Gesetz, und der Rest bis zur Realisierung des Ganztagsanspruchs regelt sich dann einfach von selbst.

Unehrlich ist auch die Unterstellung, dass die fachlichen Grundlagen, die jetzt vorliegen, aus Sicht der Landesre-gierung und unserer Koalition ein Schlusspunkt wären und dass jetzt nichts mehr käme. Das steht ja schon in den fachlichen Grundlagen selbst schon so drin. Natür-lich wird es weitere Umsetzungsregeln geben. Die fachli-chen Grundlagen sind einer von mehreren Meilensteinen beim Ausbau des Offenen Ganztags. Nicht mehr, aber vor allem auch nicht weniger.

Wir haben mit den fachlichen Grundlagen Positionen markiert, die zeigen, was die Landesregierung beim Of-fenen Ganztag tun wird: Zum Beispiel, dass bestehende Angebote keine neuen Genehmigungen benötigen. Dass Personal, dass heute im offenen Ganztag arbeitet, die Sicherheit hat, dies auch weiter tun zu können. Wer hier neue Standards festsetzt, zeigt einer gigantischen Zahl von Mitarbeitenden im Offenen Ganztag die rote Karte – weil sie vielleicht nicht den geforderten Abschluss, dafür aber 20 Jahre Berufserfahrung im Offenen Ganztag ha-ben und hervorragende Arbeit leisten. Das wäre alles an-dere als verantwortungsvoll.

Und wir werden Kommunen und Trägern auch nicht die vorhandene Flexibilität bei den Raumfragen wegnehmen. Vorschriften für Räume haben wir in Deutschland nun wahrlich genug – viele sagen sogar, es seien schon viel zu viele Vorgaben – und wo diese Vorschriften womöglich in einem Einzelfall mal nicht eingehalten werden, müssen dem schlicht die örtlichen Bauaufsichtsbehörden nachge-hen.

Die fachlichen Grundlagen sind zudem ja auch nicht vom Himmel gefallen.

Die Zukunftskoalition und die beiden zuständigen Ministe-rinnen Dorothee Feller und Josefine Paul haben seit Amtsantritt systematisch einen Schritt nach dem anderen hin zum Ganztagsanspruchs gemacht und werden das auch weiterhin tun.

Ein Beirat aus Expertinnen und Experten hat intensiv be-raten und Empfehlungen für den Ganztagsausbau formu-liert, aus denen sich die fachlichen Grundlagen ableiten. Die Landesregierung steht im fortlaufenden Austausch mit den Kommunalen Spitzenverbänden, weil natürlich auch den Kommunen eine Schlüsselrolle zukommt. Die Kommunalen Spitzenverbände haben noch im Januar ein über 70-seitiges Rechtsgutachten in die Debatte einge-bracht, das sie im Februar noch einmal aktualisiert ha-ben.

Doch zunächst noch einmal zurück zum Thema Ehrlich-keit:

Die Städte und Gemeinden hier im Land, vertreten durch ihre kommunalen Spitzenverbände, sind ehrlich. Sie ha-ben ein Forderungspapier aufgestellt, aus dem ich mit Einverständnis des Präsidenten zitieren darf:

„Standardveränderungen können erst realisiert werden, wenn der Ausbau bedarfsdeckend gelungen ist. Daher schlagen wir vor, dass das Land sehr kurzfristig öffentlich erklärt, dass zunächst bis zum 31.07.2030 auf die Set-zung weiterer Standards verzichtet wird.“

Wollen Sie als Opposition dieser Forderung ernsthaft wi-dersprechen?

Wer die fachlichen Grundlagen der Landesregierung durchliest, findet darin auch Aussagen zu genau diesen Standards wieder. Denn bei ehrlicher Betrachtung weiß doch jeder, was für eine gigantische Herausforderung die Umsetzung des Rechtsanspruchs ab 2026 für alle bedeu-tet.

Insofern stehen wir fest an der Seite nicht nur der Kom-munen, sondern auch der Familien, die Verlässlichkeit beim Ausbau und Betrieb des Ganztags erwarten.

Und wenn Sie nun meinen, Sie könnten oder wollten das anders hinbekommen, dann legen sie doch mal Ihr aus-formuliertes Ausführungsgesetz vor. Gute Opposition muss nämlich nicht nur Fragen stellen, sondern sie kann auch ambitioniert Gesetzentwürfe einbringen.

Nennen Sie doch endlich mal konkret die Standards, die Sie für richtig halten. Das tun Sie natürlich nicht, und Sie wissen auch warum. Denn dann müssten Sie ja auch deutlich machen, wie Ihr weg hin zur Umsetzung des Rechtsanspruchs ist. Den gibt es nämlich gar nicht. Das alles ist vielleicht strategisch ein Schachzug, aber in der Sache bringt das eben erst recht nichts nach vorne. Und die Menschen im Land erwarten mehr von uns allen.

Wo wir gerade in der Realität angekommen sind: Der An-trag der FDP tut einmal mehr so, als wäre bis hierhin im Offenen Ganztag nichts passiert und als wäre das Sys-tem weder leistungsfähig noch gut.

Und das ist ja eigentlich schade bis tragisch, wenn die FDP so ihre eigene Mitwirkung an dem Thema selbst ne-giert. Immerhin: In Zeiten der schwarz-gelben Landesre-gierung wurden beginnend mit 2017 bis 2022 unter den FDP-Ministerin Joachim Stamp und Yvonne Gebauer je-des Jahr im Schnitt 37,6 Mio. Euro mehr für den offenen Ganztag ausgegeben, jedes Jahr im Schnitt 10.980 zu-sätzliche Plätze geschaffen. Jedes Jahr je 37,6 Mio Euro und knapp 11.000 Plätze mehr.

Doch jetzt regiert die schwarz-grüne Zukunftskoalition in Nordrhein-Westfalen. Und wir sind jetzt vom Tretroller aufs Rennrad umgestiegen: In den Jahren 2023 und 2024 gab es einen jährlichen Zuwachs nicht mehr von 37,6 Mio. Euro, sondern von je 69 Mio. Euro. Und es wurden nicht jährlich 11.000 zusätzliche Plätze geschaf-fen, sondern 34.000. Im Jahresverlauf wird es 430.500 Plätze geben, an 95% der Grundschulen hier in diesem Bundesland.

Wir werden den Offenen Ganztag auch weiterhin aus-bauen. Stück für Stück hin zum Ganztagsanspruch.

Herzlichen Dank!