Dr. Ralf Nolten zu TOP 1 „Auch der Kreis Kleve ist raus: Wie geht es weiter nach der vorerst ge-scheiterten Nationalparksuche?“

19.12.2024

Zum Aufhänger der Aktuellen Stunde könnte man es aus Oppositionssicht kurz machen:
Prestigeprojekt Nationalpark gescheitert,
regierungstragende Parteien vor Ort über Kreuz,
Plakative Aussagen, Aufmerksamkeit erheischt – Ziel er-reicht. Fertig.

Ich bin der antragstellenden Fraktion sehr dankbar, dass sie unseren Auftrag anders formuliert hat. Dankbar für die Fra-ge, wie es nach der vorerst gescheiterten Nationalparksuche weitergeht, weitergehen kann. Denn eins ist klar: Klima-wandel und Artenschwund warten nicht auf uns.

Wie sind die Voraussetzungen?
Wir haben in NRW 3.365 Naturschutzgebiete mit 304.224 ha Fläche. Das sind 8,9 % der Landesfläche. Mehr noch als Brandenburg.

Niedersachsen hat in absoluten Zahlen nur 2/3, Bayern gar nur die Hälfe der Fläche.
Der Flächenanteil liegt dort bei unter 3 %.

Und wir können kein Wattenmeer mit 200.000, keine alpi-nen Hochgebirgsbereiche wie Karwendel oder Allgäuer Hochalpen mit 20.000 ha in Ansatz bringen.

Wir haben in NRW zwar auch einige Schutzgebiete größer 1.000 ha. Aber in der Tendenz ist die Durchschnittsgröße bei uns geringer als in anderen Flächenbundesländern.
Das ist auch nicht verwunderlich: Wir haben nicht die 8 % Siedlungs- und Verkehrsfläche von Mecklenburg-Vorpommern, sondern 23 %. NRW ist ein dichtbesiedeltes Bundesland mit einem dichten Straßen- und Schienennetz.

Der Zerschneidungsgrad ist der Anteil der unzerschnittenen verkehrsarmen Räume über 100 km² Größe. Der Anteil die-ser Räume liegt in Bayern bei etwas über 20 % und damit im Bundesschnitt. Mecklenburg-Vorpommern und Bran-denburg liegen bei über 50 %. NRW hat 7 solcher Flächen mit einem Anteil von 3,1 % an der Landesfläche.

Warum sage ich das?
Weil jetzt schon die ersten Stimmen lautstark mehr große  Wildnisgebiete fordern. Wildnisentwicklungsgebiete gemäß § 40 des Landesnaturschutzgesetzes können zur dauerhaften Erhaltung und Entwicklung naturnaher alt- und totholzrei-cher Waldflächen ausgewiesen werden. Dann ist jegliche Holznutzung untersagt. Es geht auch hier um Qualität, nicht um Quantität.

In der Eifel gibt es Buchenwälder, die werden seit Jahr-zehnten mittels Einzelbaumentnahme bewirtschaftet. Wa-rum sollen sie eine geringere Biodiversität aufzeigen?

Was bringt uns eigentlich die Orientierung an Umfängen, an Kategorisierung? Nicht falsch verstehen:

Kommt man zum Schluss, Nationalpark passt nicht ganz zu uns, aber wir könnten ein Biosphärenreservat angehen,
die vorhandenen Naturschutzgebiete weiterentwickeln,
den Biotopverbund stärken oder die Erlebbarkeit erhöhen – alles in Ordnung, wenn die Menschen mitgenommen wer-den.

Denn sobald wir in die flächenhafte Abgrenzung eintreten bei der Darstellung
- der Gebiete zum Schutz der Natur im LEP
- der Bereiche zum Schutz der Natur in den Regionalplänen oder
- die Naturschutzgebiete und geschützten Landschaftsbe-standteilen resp. Naturdenkmale in den Landschaftsplänen der Kreise und kreisfreien Städte, erwarten uns Diskussio-nen.

Und es sind schwierige Abwägungen, in denen viele Fragen aufgeworfen werden können, die einer Beantwortung vor Ort bedürfen. Fragen zu
- Abgrenzungskriterien,
- der Größe,
- den vorhandenen und zukünftig erlaubten Nutzungen,
-  der land- und forstwirtschaftlichen Nutzung in an-grenzenden Bereichen,
- zu Tourismus und Erholungsnutzung,
- zur verkehrsmäßigen Erschließung.

Diskussionen gibt es auch innerhalb des Naturschutzes z. B. zu einer Präferenz eines weiteren großen oder mehrerer kleinerer Schutzgebiete,
mit oder ohne Pufferzonen oder
mehr auf Entwicklung oder stärker auf Erhalt ausgerichtet.

Antworten auf die vielen Fragen geben die Landschaftsplä-ne.

Für den planerischen Außenbereich gibt es die Verpflich-tung der Kreise und kreisfreien Städte zur flächendecken-den Landschaftsplanung. Mit ihr bestehet für weite Teile des Landes die konzeptionellen Grundlagen insbesondere für den Natur- und Artenschutz auf der lokalen Ebene.

Schutzgebietskategorien sind flächenscharf bestimmt,
Maßnahmenkonzepte für die Pflege und Entwicklung ein-zelner Naturschutzgebiete bestehen größtenteils,
die zur Biotopvernetzung und zur Entwicklung der Land-schaften erforderlichen Anreicherungen mit Gehölz- und Rainstrukturen sind zumindest quantitativ bestimmt.

Vor Ort sind die Biologischen Stationen mit ihren fundier-ten Gebietskenntnissen, ihrer naturwissenschaftlichen Fach-kompetenz und dem engen Kontakt zu den übrigen ehren- und hauptamtlichen Naturschützern, zu Grundeigentümern und -bewirtschaftern sowie zur Bevölkerung ein zentraler Akteur.

Vertragsnaturschutz, Agrarumweltmaßnahmen und auch die Förderrichtlinie Naturschutz (FöNa) haben neben den ande-ren Instrumenten des Landesnaturschutzgesetzes wie auch durch das Programm „Lebendige Gewässer“ zur Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) bis hin zu Initiativen im Rahmen der LEADER-Förderung in der Umsetzung durchaus schon Gutes erreicht. Aktuell liegt der Gesamtan-teil des „High Nature Value Farmland“ in NRW bei 12,9 % (Zielwert 15 %) bei zuletzt deutlich zunehmenden Ver-tragsnaturschutzflächen.

Die Landwirtschaft ist stärker dabei zu unterstützen, ihre Flächen naturnah zu bewirtschaften und auf ihren Flächen der Artenvielfalt Raum zu geben. Wenn uns die nächste GAP-Reform mehr Freiheiten gibt, dann sollten wir endlich innovative Lösungen wie die ergebnisorientierte Honorie-rung und kollektive Agarumweltkonzepte nach niederländi-schem Vorbild unter Einbindung der relevanten örtlichen Strukturen in Anwendung bringen.

Wir sollten aufgrund der Struktur unserer Naturschutzgebie-te stärker die Zukunft des Natur- und Artenschutzes ganz konkret vor Ort angehen. Fokussieren wir uns auf die Um-setzung der Landschaftspläne.

Die Natur ist kein Geschenk, sondern ein Auftrag. Ein Auf-trag an uns alle.