Dr. Ralf Nolten zu TOP 14 „Und ewig droht der Erschließungsbeitrag? – Erschließungsbeiträge zeitlich begrenzen!“

27.08.2020

Sehr geehrter Herr Präsident,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

formal gehören zur endgültigen Herstellung einer Erschließungsanlage neben der bautechnischen Fertigstellung die Widmung der Straße, die Gültigkeit der Beitragssatzung und die Umsetzung des beschlossenen Bauprogramms.

In einer unserer Großstädte wurde 1963 bis 1966 eine Straße gebaut. 1988 wurden die Baumaßnahmen fertiggestellt über zwei Blumenrabatte im Einmündungsbereich zur Hauptstraße. 2017 kündigte die Stadt die Zustellung eines Beitragsbescheids binnen Monatsfrist an.

„Eine Aufforderung zur Kostenübernahme nach so langer Zeit durch juristische Tricks erscheint willkürlich“, wehrte sich eine Petentin.

Nachvollziehbar.
 
Eine frühere Erhebung der Erschließungsbeiträge sei nicht möglich gewesen, da die bautechnische Fertigstellung entsprechend der beschlossenen Ausbauplanung noch nicht erfolgt sei, so die Stadt im Petitionsverfahren. Der Gehweg sei in einzelnen Bereichen 40 cm schmaler als ursprünglich geplant. Die Anpassung der Ausbauplanung an die Gegebenheiten werde erst jetzt durch Beschluss der Bezirksvertretung vorgenommen.

Wenn seit der Entstehung der abzugeltenden Vorteilslage Jahrzehnte verstrichen sind, hat das sehr wenig mit Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit zu tun.

Erwartbar wird das Bundesverfassungsgericht im derzeit laufenden Verfahren entscheiden, dass die Landesgesetzgeber im Rahmen ihrer Gesetzgebungskompetenz eine Verjährungsregelung einzuführen haben.

Aber welche Frist nehmen wir: 10, 20 oder 30 Jahre? Welchen Ausgangspunkt für die Fristsetzung? Den Eintritt der Vorteilslage, die Fertigstellung der Erschließungsstraße oder deren Baubeginn? Oder wie in Bayern beide mit unterschiedlichen Fristen?

Haben die Kommunen die zeitliche Gestaltung in der Hand? Wie lange dauern Enteignungsverfahren für erforderliche und abrechnungsfähige Grundstücke? Wie lange Mängelbeseitigungsverfahren? Muss ich Vorausleistungsbescheide bei Verfristung der Maßnahme aufheben und die vereinnahmte Leistung zurückzahlen? Wer übernimmt den Schaden?

Was mache ich mit „unfertigen Altanlagen“: in meiner Kommune gibt es Erschließungsstraßen, die 40 Jahre alt sind. Die tatsächliche Bebauung der Grundstücke erfolgt schleppend, da sie von Ortsansässigen für Kinder und Enkelkinder vorgehalten werden. Ein rascher Vollausbau zöge einen für die Lebensdauer der Anlage nicht zuträglichen Flickenteppich nach sich. Auch sind die Bauherren und -damen oftmals froh, wenn die Zahlung der Erschließungsbeiträge erst mit zeitlicher Verzögerung erfolgen muss.

Auf den Listen zur Abschaffung der Straßenausbaubeiträge haben bei uns viele unterschrieben, die hoffen, an den Kosten für diese Erschließungsmaßnahmen vorbeizukommen. Zahlt dann Derjenige, der beim Vorhaben – und Erschließungsplan dem Investor, seinen Erschließungsbeitrag sofort bezahlen muss, später als Steuerzahler für diese Anwohner mit? Ist das gerecht Mietern gegenüber?

Was mache ich mit den Fällen, wo Anwohner die Erschließungsstraße bezahlt  und mit der Verwaltung eine spätere Fertigstellung vereinbart haben?

Hohen individuellen Belastungen können wir mit dem geänderten KAG über Ratenzahlung und Stundung begegnen. Es bleibt auch in Ihrem Antrag ein wesentlicher Punkt offen:

„Hätte nicht schon vor Jahrzehnten einmal auf weitere Kosten hingewiesen werden müssen, die bei Veräußerungen von Immobilien hätten berücksichtigt werden können?“, frug ein Petent.

Natürlich kann ich auf die in der Örtlichkeit erkennbaren höher liegenden Grundstückseinfahrten und provisorischen Wassereinläufen verweisen. Ich kann auf die „Anliegerbescheinigung“ beim Bauamt, auf die in der Praxis nur zum Teil vorhandenen und im Ratsinformationssystem hinterlegten Beobachtungslisten abheben und sagen: Eigenverantwortung.

Aber weder müssen Notare auf noch ausstehende Erschließungsbeiträge hinweisen, noch  BORIS.NRW. Welche Kommune schreibt alle 5 Jahre die Grundstückseigentümer an? Wie weist sie auf den Umstand zukünftiger Beitragserhebungen hin?

Über solche Dinge, über best practice sollten wir diskutieren, solange das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes noch aussteht. Eine Verjährungsregelung werden wir dann beschließen. Vielleicht auch eine der bayrischen Regelung sehr nahekommende. Für heute lehnen wir ab.