
Ein wichtiges und zugleich hochemotionales Thema bringt die FDP hier zu später Stunde auf. In unserer Gesellschaft sind Ekel und Abscheu vor Ratten sehr weit verbreitet.
Insofern ist eine gesellschaftliche Diskussion erwartbar, wenn durch die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin auf strengere Regeln für den Verkauf und die Anwendung von Rodentiziden gepocht wird. So soll zukünftig die dauerhafte, vorbeugende Auslegung von Rattengiftködern verboten werden.
Wer Nahrungsketten von der Ratte bis zum großen Beutegreifer betrachtet,
wer sich die Gefahren bewusst macht, die von nicht sachgerecht ausgelegten Giftködern nicht nur für
Haustiere und Kleinkinder ausgehen,
wer sich die Strukturformeln von Cumarinen mit ihren Benzolringen anschaut,
der weiß:
Rattengift ist giftig, schwer abbaubar und reichert sich in den Organismen an.
Der versteht die Forderung, dass vor dem Rodentizid- einsatz bauliche Maßnahmen ergriffen, Hygienevorkeh-rungen getroffen und/oder bessere Lagerbedingungen geschaffen werden sollten.
Der versteht die Forderung: Nicht mehr frei verkäuflich, sondern Abgabe nur an Personen mit Sachkunde-nachweis und Beratungspflicht. Hoffentlich hält sich der Online-Handel daran…
Die Befassung im Ausschuss lohnt also – auch ohne meine Teilnahme.
Dies ist heute meine Abschiedsrede vor dem Hohen Haus. Ein gutes „Ratten“-Wortspiel zu finden hat mich erfolglos geplagt.
Als Freund des Theaters möchte ich mich daher Gerhard Hauptmanns bedienen.
In seiner Tragikomödie „Die Ratten“ lässt er den
das überkommene wilhelminische Zeitalter repräsentie-renden ehemaligen Theaterdirektor Hassenreuter
zu einem seiner Schauspielschüler über die Verände-rungen in der Gesellschaft sagen:
„Sie sind ein Symptom. Also nehmen Sie sich nicht et-wa wichtig! – Sie sind eine Ratte!
Aber diese Ratten fangen auf dem Gebiet der Politik – Rattenplage! – unser herrliches neues geeinigtes Deut-sches Reich zu unterminieren an.
Sie betrügen uns um den Lohn unserer Mühe,
und im Garten der deutschen Kunst – Rattenplage! – fressen sie die Wurzeln des Baumes des Idealismus ab: sie wollen die Krone durchaus in den Dreck reißen. –
In den Staub, in den Staub, in den Staub mit euch.
Das naturalistische Theater hatte das Ziel, soziale Missstände aufzudecken, in dem das Leben der einfa-chen Leute möglichst in alltagsgerechter Sprache und detailgetreuen Bühnenarrangements präzise abgebildet wird. Es stellte realitätsnah den Einzelnen mit seinem Raum-Zeit-Bezug in den Mittelpunkt.
Für einen CDA‘ler wie mich ist das Grundprinzip der Personalität neben der Subsidiarität und der Solidarität Ausgangspolitik meiner politischen Arbeit. Ich habe im Landtag trotz meiner aufmunternden Arbeit im Agrar- und Umweltausschuss nichts so erfüllend empfunden wie die Arbeit im Petitionsausschuss.
Petitionsverwaltung und Abgeordnete, gegenseitig wertschätzend, fraktionsübergreifend als Anwalt der Bürgerinnen und Bürger unterwegs - das ist Rückgrat und Stärke unseres Systems.
Bleiben wir – in welcher Funktion auch immer - nahe an den Problemen des Einzelnen. Verlieren wir ihn auch beim raschen gesellschaftlichen Wandel nie aus den Augen. Er bleibt sonst womöglich ganz auf der Strecke.
Bei allem Enthusiasmus für das Neue: auch bei Hauptmann’s „Ratten“ sind zum Schluss das Dienst-mädchen und die Poliersfrau tot: Nicht die Etablierten, die Arrangierten.
Bleiben wir sensibel für Veränderungen in unseren Wahlkreisen, formulieren wir nicht Kleine oder Große Anfragen und Anträge um ihrer selbst oder der eigenen Reputation willen, sondern aus der stark empfundenen Notwendigkeit zur Änderung bestimmter Verhältnisse. Dann aber sollten Abgeordnete gemeinsam darauf ach-ten, dass Ministerialbürokratie nicht in der Lage ist, be-schlossene Haushaltsanträge oder einstimmig be-schlossene Anträge durch Aussitzen und Verweis auf Diskontinuität ins Leere laufen zu lassen.
Die muntere Diskussion, klar und deutlich in der An-sprache, liebe Kolleginnen und Kollegen, war mir Anlie-gen und oft Freude. Ich danke Ihnen allen.
Herr Präsident, es war mir eine Ehre.
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