Dr. Ralf Nolten zu TOP 2 „Schutz der Biodiversität in NRW – global denken und lokal handeln“

25.01.2023

Die Schöpfung ist ein Geschenk, dass wir noch nicht in Gänze ken-nen – und schon stückchenweise verlieren. Wir achten nicht genug auf unseren Konsum, unsere Mobilität und unseren Flächenbedarf. Das hat Konsequenzen: in den Ländern des Südens, mit denen wir über die Globalisierung stärker verbunden sind als jede Generation vor uns.

Während seitens des Bundes über finanzielle Anreize Flächenschutz betrieben wird, bleiben wir für den Erhalt der heimischen Tier- und Pflanzenwelt verantwortlich.

Unzufrieden mit der Umsetzung von FFH-, Vogelschutz- und Was-serrahmenrichtlinie treibt die EU in ihrer Biodiversitätsstrategie die Bemühungen voran, 90 % FFH-Gebietsfläche in einem „guten Zu-stand“,
25.000 km unverbaute Fließgewässer und
10 % der landwirtschaftlichen Flächen unter einem Nutzungsregime mit hoher Biodiversität zu erreichen.

Gerade auf der örtlichen Ebene, im Siedlungsbereich wie in der Feld-flur, auf den Wiesen und im Wald machen Kommunen, Landwirt-schaft, der Forst, Naturschutz- und Heimatverbände schon manches richtig gut.

Sie legen Blühstreifen an, pflegen extensive Grünflächen und lassen Saumbiotope entstehen, wo früher kurzgemähte Rasenflächen waren.
Die Fläche im Vertragsnaturschutz stieg in NRW in den letzten 7 Jahren von 25.000 auf 40.000 ha. Und doch reicht es noch nicht, um den Artenrückgang in allen Bereichen zu stoppen. Was können wir tun?

Unsere Naturschutzgesetzgebung kennt verschiedene Instrumente, mit denen die biologische Vielfalt gesichert werden soll: Verbote und Gebote bei Schutzgebietsausweisungen, die Eingriffsregelung, den Vertragsnaturschutz.
Seit Jahrzehnten sind sie nahezu unverändert im Einsatz, in NRW basierend auf flächendeckender Landschaftsplanung als konzeptio-nellem Rahmen.

Die Landschaftspläne legen auf örtlicher Ebene für die offenen Land-schaft die Naturschutzgebiete und andere schützenwerte Bereiche fest, beschreiben die konkreten Pflegemaßnahmen und geben Hin-weise, wo Hecken, Ackerraine und Blühstreifen angelegt und Bäume gepflanzt werden sollten. Vieles ist in der Umsetzung jedoch unko-ordiniert.

Ob Ausgleichsmaßnahmen, Vertragsnaturschutz, freiwillige Pflanz-aktionen – es fehlt oft an Bezug zum Landschaftsplan. Für seine Um-setzung gilt zudem, was die Biodiversitätsstrategie 2015 schon fest-stellte:
„Es ist insbesondere zur Beseitigung der Vollzugsdefizite eine sach-gerechte Personalausstattung in der Naturschutzverwaltung auf allen Ebenen erforderlich.“

Wir wissen nicht, wie es bei unseren kleinteiligen Schutzgebieten um die Natur vor unserer Haustüre wirklich bestellt ist,
ob wir unsere Naturschutzziele bereits erreicht haben oder wieviel Prozent der Fläche wir für den Biotopverbund wirklich benötigen.

Die ökologische Flächenstichprobe hat als Referenz ihre Berechti-gung. Für die konkrete Situation vor Ort sind die von der EU vorge-schlagenen Indizes – vom Schmetterlingsindex für das Grünland, den Feldvogel-Index für Ackerflächen sowie dem Set aus 6 Indikato-ren für Waldflächen – sowie der Indikator zur organischen Kohlen-stoff-Sequestrierung ein Aufschlag.

Wir wollen Kreis, Kommune, Landwirte, Naturschützer, Biostatio-nen, Landwirtschaftskammer und Stiftungen vor Ort an einen Tisch bringen, um gezielt diese Pläne umzusetzen.
Die Zusammenarbeit vor Ort ist uns wichtig. Wir wollen dabei neue Wege gehen, modellhaft neue Vertragsangebote ausprobieren, die er-folgsbasiert sind.

Erstmalig formuliert der Verordnungsentwurf zur Nature Restoration auch Vorgaben für die Städte: 5 % Grünflächen und eine Blattdach-bedeckung von 10 % in 2050.
Für die größeren Städte brauchen wir Grünordnungspläne, mithin Konzepte, wie Straßenbegleitgrün, Friedhöfe, Parks, Grünflächen, Fassaden- und Dachbegrünungen zu einem grünen Netzwerk werden.
Das hilft nicht nur gegen den Artenschwund, sondern auch gegen Staub- und Hitzebelastungen oder gegen Überschwemmungen bei Starkregen.

Fließgewässer vernetzen Biotopstrukturen. Es braucht eine strategi-sche Finanz- und Maßnahmenplanung auf Eben der Regierungsbe-zirke und des Landes, um die wichtigsten Maßnahmen zur Errei-chung der Durchgängigkeit in den nächsten Jahren über Flurbereini-gung, Flächenkauf und Ausgleichsmaßnahmen -  wie versprochen im 3. Bewirtschaftungsplan – umzusetzen.

Biodiversität fördern, heißt Lebensqualität gewinnen. Lassen Sie uns im Ausschuss über die besten Wege dorthin auf der Grundlage unse-res strategischen Ansatzes streiten.