Dr. Ralf Nolten zu TOP 4 „Für Natur, Tiere, Umwelt und Mensch – Ökolandbau in NRW weiter fördern und stärken“

10.07.2019

Vor 25 Jahren ermittelte eine vom Land geförderte empirische Studie zur Akzeptanz von Extensivierungsprogrammen bei 20 % der befragten Landwirte eine Bereitschaft zur Umstellung auf den Ökolandbau. In der BSE-Krise leitet die damalige NRW-Landwirtschaftsministerin Bärbel Höhn ihrer auf Bundesebene frisch ins Amt gekommenen Ministerkollegin Renate Künast die Studie zu. Seither steht die Zielmarke 20 % im Raum, wird bis hin zur aktuellen „Zukunftsstrategie ökologischer Landbau“ vorgetragen.

Bis heute sind die realisierten Werte trotz Steigerungsquoten von teilweise über 10 % pro Jahr noch deutlich unter der politisch gesetzten Zielmarke. Wie groß ist das Potential unter den Landwirten wirklich? Und: Ist es wirklich wichtig, dies zu wissen?

Während der BSE-Krise gab es einen Vorstoß aus dem Ökolandbau, die mit der Agenda 2000 ausgebauten Direktzahlungen nur auf die Biobetriebe zu vereinen. Sie allein könnten systembedingt eine umweltgerechte Landwirtschaft garantieren. Dem widersprachen in ihrer Erklärung bundesweit über 50 Professoren der Agrarökonomie:

Der Ökolandbau sei zweifelslos eine umweltfreundliche Form der Landbewirtschaftung. Auch die konventionelle Landwirtschaft sei aber in der Lage, bei entsprechender Förderung gezielt Umweltleistungen zu erbringen, oft kostengünstiger als der ökologische Landbau. Die Umweltpolitik solle vergleichbare Umweltleistungen gleich fördern, unabhängig vom Bewirtschaftungssystem.

Die einseitige Förderausrichtung unterblieb – zum Glück: denn der Nitrofen-Skandal mit belastetem Bio-Futtergetreide nur ein Jahr später hätte ihr die Fördergrundlage entzogen. Es blieb über die Jahre hinweg die besondere Förderung des Ökolandbaus. Dabei zahlt hier der Bürger für die Umweltleistungen zweimal: als Käufer über den höheren Produktpreis und als Steuerzahler über die staatliche Förderung. Und doch ist die höhere Förderung bis heute gerechtfertigt: die mittlere Artenzahl bei den Ackerwildkräutern ist bei den ökologisch wirtschaftenden Betrieben deutlich höher als bei den konventionell wirtschaftenden. Die politische Forderung nach Beibehaltung der Ökoförderung ist also richtig. Über die Höhe und Ausgestaltung kann diskutiert werden.

In den vergangenen zwei Jahrzehnten hat sich viel getan: in der Praxis sind ökologische und konventionelle Landwirtschaft gleichermaßen akzeptiert. Das Thema „Ökologischer Landbau“ ist mittlerweile im Rahmenlehrplan der landwirtschaftlichen Ausbildung, die zweijährige Fachschule für Ökologischen Landbau in Kleve hat ihren Zulauf, an den Hochschulen ist die Agrarökologie etabliert bis hin zum Studiengang „Naturschutz und Landschaftsökologie“ an der Landwirtschaftlichen Fakultät der Universität Bonn.

Seit 25 Jahren gibt es das Projekt „Leitbetriebe Ökologischer Landbau in NRW“,
das Wiesengut in Hennef als Lehr- und Forschungsstation für Organischen Landbau,
den ökologischen Versuchs- und Demonstrationsbetrieb der Landwirtschaftskammer für Milchvieh auf Haus Riswick und einen für die Schweinehaltung auf Haus Düsse.
Das Gartenbauzentrum in Auweiler hat langjährige Erfahrung zum ökologischen Gartenbau. Auf Bundesebene geht das Thünen-Institut nicht nur in seinem Trenthorster Institut für Ökologischen Landbau vielen Forschungsfragen nach.

Ein Mehr an Forschungsförderung? Mehr Koordination bundesländerübergreifend etwa über die Deutsche Agrarforschungsallianz mag sinnvoll sein. Aber auf Landesebene? Über den Forschungsschwerpunkt „Umweltverträgliche und standortgerechte Landwirtschaft“ USL sind im letzten Jahrzehnt kaum noch spezifische Projekte seitens des Ministeriums eingefordert worden. Das einstige Institut für Organischen Landbau ist seit 2 Jahren als Abteilung Agrarökologie und Organischen Landbau in das INRES, das Institut für Nutzpflanzenwissenschaften und Ressourcenschutz, integriert. Dies ist Ausdruck einer anderen Sicht auf den Ökolandbau, welche sich zunehmend durchzusetzen scheint:

Der Kieler Wissenschaftler Taube spricht von einer „Werkstattfunktion“ des Ökolandbaus – nicht nur mit Blick auf ökologische, sondern auch auf gesellschaftspolitische und soziale Aspekte der Landwirtschaft. So können Anstöße gegeben werden in einer Zeit, in der über integrierte Anbaustrategien und mittels Precision Farming die Umweltbilanzen des konventionellen Landbaus erkennbar besser werden, zum Teil sogar gleichziehen, wie die Ergebnisse aus dem Netzwerk von Pilotbetrieben beider Bewirtschaftungssysteme zeigen.

Nicht nur die Zahl der landwirtschaftlichen Biobetriebe stieg in 2018 um 2.300, sondern auch die Zahl der Verarbeitungsbetriebe (um 476) und der Handelsunternehmen (um 207). Die Kette scheint zunehmend stabil, der Ökolandbau in der Mitte der Gesellschaft angekommen. In dem Prozess hat sich auch das Selbstverständnis landwirtschaftlicher Betriebsleiter verändert, wie OPPERMANN schon 2001 herausgearbeitet hat: wir haben eine stärkere Ausrichtung auf ökonomische Leistungsparameter bis hin zu Fällen der Rückumstellung. Solange aber das durchschnittliche Einkommen der Öko-Testbetriebe deutlich über dem Einkommen der konventionellen Vergleichsbetriebe liegt, kann ein weiterer Anstieg erwartet werden.

Bei einem Gewinnbeitrag der Öko-Prämie von etwa einem Drittel zeigt sich aber auch: der Markt bleibt schwierig. Das Angebot internationaler Ware macht sich bemerkbar: so sind Spezialisierung, Größenwachstum auch für Biobetriebe Entwicklungsstrategien.

Wie bei den konventionellen, so machen sich auch bei den Ökobetrieben zunehmend die einzelbetrieblichen Varianzen bemerkbar. Eine verstärkte Beratung zur Betriebsoptimierung scheint sinnvoll, nicht zuletzt mit Blick auf die Treibhausgasemissionen. Ideologische Forderungen, wie sich noch im Antrag finden, gehören hingegen in die Mottenkiste.