Fortschritt durch Industrie 4.0 für NRW gestalten - Investitionen und Innovation für gute Arbeit fördern

16.03.2017
Robert Stein MdL

Anrede, der digitale Wandel bietet enorme Chancen für Wohlstand und Beschäftigung in unserem Land. Gerade die mittelständisch geprägte Industrie könnte vom digitalen Wandel enorm profitieren. Laut einer Studie des Branchenverbandes BITKOM und des Fraunhofer Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation ist ein zusätzliches jährliches Wirtschaftswachstum von 1,7 Prozentpunkten durch Industrie 4.0 möglich. Wachstum, dass Nordrhein-Westfalen dringend braucht. Seit 2010 wächst die Wirtschaft an Rhein und Ruhr unterdurchschnittlich. In den Jahren 2010 bis 2015 lag das Wirtschaftswachstum um 39% unter dem Bundesschnitt. Unter Schwarz-Gelb, 2005 bis 2010, dagegen knapp 14% darüber. Einen traurigen Höhepunkt haben wir 2015 erreicht: Während die Wirtschaft in Deutschland um 1,7% wuchs, verzeichnete die Wirtschaft in NRW Nullwachstum, Platz 16 von 16. Die Folgen des unterdurchschnittlichen Wachstums sind auf dem Arbeitsmarkt zu spüren. Nordrhein-Westfalen weißt die höchste Arbeitslosenquote aller westdeutschen Flächenländer auf. Seit dem Regierungswechsel 2010 ist die Arbeitslosigkeit in den übrigen Bundesländern fast dreimal so schnell gesunken wie in NRW. Bei einer Entwicklung nur im Schnitt der übrigen Länder wären heute 70.000 Menschen weniger in Nordrhein-Westfalen arbeitslos. Nordrhein-Westfalen braucht daher dringend eine Neuausrichtung der Wirtschaftspolitik, die Wohlstand und Arbeitsplätzen wieder Vorrang einräumt. Daher ist es wichtig, für den Wachstumstreiber Digitalisierung die richtigen politischen Weichenstellungen zu setzen. Wir haben dieses Thema in den vergangenen fünf Jahren mit weit mehr als 20 Anträgen zum Breitbandausbau, zu Industrie 4.0, zur digitalen Bildung oder zur StartUp-Förderung immer wieder zum Gegenstand der Debatte hier im Landtag gemacht. Deshalb freuen wir uns, dass zum Ende der Legislaturperiode auch SPD und Grüne endlich die Bedeutung des Themas erkennen und ihren ERSTEN eigenen Antrag zu Industrie 4.0 überhaupt zur Debatte stellen. Leider ist das aber schon das einzig Positive, was man über Ihren Antrag sagen kann. Statt sich ernsthaft mit den grundlegenden Rahmenbedingungen für einen gelingenden digitalen Wandel zu beschäftigen, setzen Sie auch beim Zukunftsthema Nr. 1 wieder einmal ihre ideologische Brille auf. „Gute Arbeit“ und „Kreislaufwirtschaft“ ist alles, was Ihnen zu Industrie 4.0 einfällt. Damit Sie mich nicht falsch verstehen: Beides wichtige Themen, aber bevor wir über „Gute Arbeit“ und „Kreislaufwirtschaft“ im Zusammenhang mit Digitalisierung debattieren, müssen wir erst einmal die Rahmenbedingungen dafür schaffen, dass unsere Wirtschaft den digitalen Wandel überhaupt erfolgreich bewältigen kann. Das heißt zu allererst: Wir brauchen eine gigabitfähige Infrastruktur. Jeder fünfte Haushalt im Land hat noch kein schnelles Internet. 9 von 10 Gewerbegebieten in unserem Land haben bislang noch keinen Anschluss an schnelles Internet. Und der Ausbau tritt nach wie vor auf der Stelle. Um Ihr selbstgestecktes Ziel einer flächendeckenden Versorgung mit mindestens 50 Mbit/s bis 2018 zu erreichen, müssten in den verbleibenden knapp 10 Monaten dieses Jahres mehr Haushalte ans schnelle Netz angeschlossen werden, als in den gesamten letzten fünf Jahren zusammen. Es ist heute schon absehbar, dass Sie das nicht schaffen. Der Grund liegt auf der Hand: Sie haben es in den vergangenen 7 Jahren Ihrer Regierungszeit versäumt, ausreichend Fördermittel zur Verfügung zu stellen. Jetzt träumen Sie vom flächendeckenden Glasfaserausbau bis 2026. Aktuell verfügen lediglich 7% aller Haushalte über einen Glasfaseranschluss. Ihrem Traum haben sie bisher noch keine überzeugende Ausbaustrategie folgen lassen, auch nicht in Ihrem heute zur Debatte stehenden Antrag. Ohne schlüssige Ausbaustrategie und ohne ausreichende Fördermittel wird NRW jedoch zum Verlierer des nächsten Strukturwandels. Ihrem Antrag fehlt zudem ein Konzept, wie wir den industriellen Mittelstand für den digitalen Wandel sensibilisieren. Im Sachverständigengespräch zu Ihrem Antrag ist noch einmal deutlich geworden, dass viele Unternehmen Digitalisierung immer noch als nächsten Schritt der Automation betrachten, als Hilfsmittel zur Effizienz- und Produktivitätssteigerung. Industrie 4.0 endet jedoch nicht am Werktor, sondern beginnt dort. Industrie und Mittelstand müssen sich deshalb Gedanken über die Veränderung ihrer Geschäftsmodelle durch den digitalen Wandel machen, damit Industrie 4.0 eine Erfolgsgeschichte wird. Und schließlich fehlt in Ihrem Antrag jede Aussage, welche fundamentalen Veränderungen in der Bildungspolitik erfolgen müssen, damit der digitale Wandel gelingt. Der Einsatz vernetzter, intelligenter Systeme im produzierenden Gewerbe erfordert entsprechend qualifizierte Mitarbeiter. Der Umgang mit digitalen Anwendungen muss daher Bestandteil vieler Berufsausbildungen in der Industrie werden. Deshalb müssen wir z.B. unsere Schulen und andere Bildungseinrichtungen mit modernen digitalen Technologien und Breitbandanschlüssen ausstatten. Außerdem muss durch eine bessere Vermittlung von digitalen Kompetenzen an Lehrerinnen und Lehrern sowie entsprechende konsequente Weiterbildungen, ein stärkerer Einsatz digitaler Lehr- und Lernmethoden an Schulen ermöglicht werden. Da Ihr Antrag die wesentlichen Rahmenbedingungen für einen erfolgreichen digitalen Wandel noch nicht einmal streift, müssen wir ihn leider ablehnen. Herzlichen Dank!

Es gilt das gesprochene Wort!