Ganztag für die Zukunft fit machen - OGS-Gipfel einberufen

22.03.2018
Rede
Claudia Schlottmann zu TOP 4

Sehr geehrter Herr Präsident,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
meine Damen und Herren

In der Tat, die Situation an den Offenen Ganztagsschulen im Land ist schwierig. Der öffentliche Druck ist so groß, dass Sofortmaßnahmen dringend notwendig scheinen. So heißt es in einer Pressemitteilung der GEW unter dem Titel „Offener Ganztag: Standards statt Flickenteppich“, ich zitiere mit Erlaubnis des Präsidenten: „Die Einführung von verbindlichen Standards für mehr pädagogische Qualität ist […] eine Frage der Bildungsgerechtigkeit. Die freiwillige Nachmittagsbetreuung soll laut Erlass ein hochwertiges und umfassendes Bildungs- und Erziehungsangebot liefern, für individuelle Förderung und Chancengleichheit sorgen. Eingelöst hat die Politik dieses Versprechen […] bisher nicht.“ Der VBE ergänzt, dass „die reale Situation an den Grundschulen deutlich schlechter ist, als die Landesregierung es uns durch ihre Schönfärberei glauben machen will.“ Jetzt kommt aber der Punkt: Schade nur, dass beide Pressemitteilungen vom 27. September 2016 stammen und damit bereits ein vorweggenommenes Fazit Ihrer Politik im Schulbereich waren, für die Sie am 14. Mai 2017 die Quittung erhalten haben! Und jetzt wollen Sie uns, liebe Kollegen von der SPD, weiß machen, wir müssten nur aufgrund der Ankündigung im Koalitionsvertrag des Bundes „schnellstmöglich einen Ganztagsgipfel mit allen beteiligen Akteuren“ einberufen?

In dieser Legislaturperiode fand ja bereits eine mit Sicherheit gut gemeinte Abendveranstaltung der SPD zum Thema „Zukunft des Ganztags - Wichtiger Baustein für gute Bildung“ statt. Der geladene Referent, Bildungsforscher Prof. Dr. Klaus-Jürgen Tillmann, stellte seine Studie „Empfehlungen für einen guten Ganztag“ vor. Einen echten praktischen Mehrwert für unser OGS-System vor Ort habe ich nach den Reaktionen von einem Großteil der anwesenden Gäste dabei jedoch leider nicht erkennen können. Die Studie nimmt bundesweit gerade einmal zehn Schulen mit unterschiedlichsten Ganztagskonzepten und -systemen in den Blick, darunter keine einzige Schule mit offenem Ganztag in NRW. Aus einer solchen Studie globale Forderungen für den Ganztagesschulbereich in Deutschland und NRW abzuleiten, ist aus wissenschaftlicher Sicht mehr als fragwürdig. Denn was an Vorschlägen geäußert wurde, ist lediglich ein Ansammlung des Wünschbaren – ohne konkrete und vor allem umsetzbare Handlungsempfehlungen anzuschließen.

In der anschließenden offenen Fragerunde wurden Sie dann von nahezu allen Gästen aus der Bildungsbranche direkt oder indirekt für die verfehlte Politik der letzten sieben Jahre kritisiert. Die vor dem Plenarsaal aufgestellten Diskussionswände wurden vorsichtshalber entgegen der Programmankündigung „intern ausgewertet“. Ihr eigener kleiner Ganztagsgipfel war also ein kompletter Reinfall.

Nicht das wir uns falsch verstehen: Wir haben uns im Koalitionsvertrag dazu bekannt, dass wir mit Beteiligung des Bundes langfristig den Rechtsanspruch auf einen OGS-Platz ermöglichen wollen. Dazu stehen wir selbstverständlich auch, denn wir halten es für richtig und freuen uns, dass die neue Regierung in Berlin uns in diesem Anliegen unterstützen möchte. Dennoch wollen wir einen Schritt nach dem anderen und dabei sorgfältig vorgehen. Wir halten nichts von öffentlichkeitswirksamen Scheingipfeln und leerer Symbolpolitik. Das entspricht nämlich nicht unserem Verständnis von guter Politik. An dieser Stelle möchte ich einmal Revue passieren lassen, was die NRW-Koalition im Bereich des Offenen Ganztags in der Zeit seit letztem Sommer auf den Weg gebracht hat, ganz so, wie die NRW-Koalition es im Koalitionsvertrag festgelegt hat und wir es den Wählerinnen und Wählern versprochen habe.

Zunächst war es uns ein großes Anliegen, dass endlich Klarheit und Rechtssicherheit für Eltern sowie für Schulen, Kommunen und Träger bezüglich der Abholzeiten herrscht. Dies haben wir durch die Ausschärfung des Erlasses erreicht. Die Ergänzung des Ganztagserlasses vom 16.02.2018 sorgt für Rechtssicherheit, indem die wesentlichen Fallgruppen, für die eine Freistellung vom OGS- Besuch ermöglicht werden soll, ausdrücklich genannt werden. Von nun an ist es Eltern rechtssicher möglich, ihre Kinder aufgrund von regelmäßigen außerschulischen Bildungsangeboten, etwa in Sportvereinen oder Musikschulen, ehrenamtlichen Tätigkeiten in beispielsweise Kirchen oder Jugendvereinigungen, Therapien oder rein familiären Ereignissen vom Ganztagsunterricht zu befreien. Des Weiteren haben wir auch die Finanzierung verbessert: Die Fördersätze steigen in diesem Jahr zum 01.08. statt um zusätzliche drei Prozent um zusätzliche drei Prozent, also insgesamt um sechs Prozent. Das heißt ganz konkret, dass beispielsweise der Grundfreibetrag pro Schuljahr und Kind von 766 Euro auf 812 Euro steigt. Die Haushaltsmittel erhöhen sich um 26,7 Millionen Euro auf fast eine halbe Milliarde Euro und wir haben bereits 8.000 neue Plätze geschaffen. Damit gibt es für 2018/19 315.500 Plätz im offenen Ganztag Die Vorgängerregierung hat letztlich einen unkontrollierten Aufwuchs der Ganztagsplätze gefördert, ohne jedoch Regelungen zur Steigerung Qualität, Verlässlichkeit und der Flexibilität voranzubringen. Um es deutlich zu sagen: das Motto war: alles kann, nichts muss. Genau dieses Feedback gab es auch bei der SPD-Veranstaltung im Januar.

Neben den bereits genannten letztlich unbrauchbaren Aussagen von Prof. Tillmann gab es dort letztlich nur die Plattitüde zu hören, dass wir uns doch alle einen besseren Ganztag wünschen. Wie wahr, aber Gestaltungswille sieht anders aus. Sie hatten sieben Jahre Zeit, diesen besseren Ganztag zu formen. Ernsthaft versucht, haben Sie es nicht! Den entstandenen Wildwuchs wird die NRW Koalition in einem strukturierten Prozess aufarbeiten und Klarheit im Sinne aller Beteiligten schaffen. Hierzu werden selbstverständlich bereits Gespräche mit den relevanten Akteuren geführt. Meine Damen und Herren, sie sehen also, wir sind auf dem richtigen Weg. Die Ministerin verfolgt ein klares Konzept und die ersten wichtigen Schritte sind gemacht. z.B. durch Gespräche mit zentralen an der OGS beteiligten Akteuren. ZIEL IST IN Zusammenarbeit mit Experten und Betroffenen jetzt die Erarbeitung von Eckpunkten für die Standards. Natürlich werden wir uns in Zukunft intensiv mit dem Rechtsanspruch auf einen OGS-Platz beschäftigen. Und natürlich werden wir auch in diesem Rahmen, wie übrigens in allen Politikfeldern, alle beteiligten Akteure mitnehmen. Denn natürlich ist ein solches Projekt nur im Zusammenspiel zwischen Bund, Land, Kommunen und Trägern vor Ort zu stemmen. Dazu brauchen wir jedoch keinen öffentlichkeitswirksamen und letztlich vermutlich erfolglosen Ganztagsgipfel nach dem Vorbild der Schulgipfel der letzten Legislatur.

Ich freue mich auf einen intensiven Austausch mit Ihnen im Ausschuss, die CDU Fraktion stimmt der Überweisung zu.