
Sehr geehrter Herr Präsident (Frau Präsidentin)
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
bevor ich ins Detail gehe möchte ich ein paar Worte zum fragwürdigen Verhalten der antragsstellenden Fraktion in der aktuellen Corona-Krise loswerden. Ein Verhalten, dass auch in diesem Antrag wieder deutlich wird.
Ich finde es schon sehr beschämend, wie unverantwortlich Sie mit dieser größten gesundheitspolitischen Herausforderung seit dem 2. Weltkrieg umgehen. Sie tun auch in diesem Antrag wieder so, als wäre Corona generell halb so wild, nicht mehr als eine Grippe und alle Maßnahmen bei weitem überzogen. Weltweit sind - stand Montag, 25. Mai – über 345.000 Menschen an diesem Virus gestorben; 8. 283 Menschen allein in Deutschland. Dessen muss man sich doch mal bewusst werden. Für Sie gibt es aber immer nur schwarz und weiß.
Gut oder böse.
Ganz oder gar nicht.
Stellvertretend dafür möchte ich kurz das Verhalten Ihrer Fraktionsvorsitzenden im Bundestag anführen: Am 12. März fordert Frau Weidel bei Twitter, dass Deutschland doch endlich auch das öffentliche Leben sofort und umfassend einzustellen habe. Anderthalb Monate später am 30. April heißt es dann: Die Wirtschaft ist sofort hochzufahren und die Gastronomie noch vor dem Wochenende zu öffnen. Von der Widersprüchlichkeit ganz zu schweigen ist hier nichts von einem maßvollen und verantwortungsvollen Umgang mit dem Virus zu sehen. Wie gesagt: Für Sie gibt es nur ganz oder gar nicht.
Verantwortungsvolle Politik wägt aber ab, betrachtet Umstände ganzheitlich und bezieht auch mögliche Konsequenzen in die Entscheidung mit ein. Das gilt für die Wirtschaft genau so wie für den Bereich Familie, Kinder, Jugend. Gerade Sie Herr Seifen, als ehemaliger Schulleiter, müssten doch wissen, was eine sofortige Schulöffnung ohne jegliche Vorsichtsmaßnahmen für Lehrer und Schüler bedeuten würde. Mit Verantwortungsbewusstsein hat das absolut gar nichts zu tun.
Auch in Ihrem Antrag sind solche Widersprüche, falsche Behauptungen und Polemiken wieder zu finden. Erstens ist es schon bemerkenswert, dass ausgerechnet die AfD hier die Situation von Kindern in den eigenen Familien verteufeln will.
Sie, die sonst immer am lautesten rufen, wenn es darum geht den Verbleib der Kindern in den eigenen Familien heiligzusprechen, sprechen jetzt von Geiselhaft und Angstpsychosen. Mein Sohn, 14 Jahre, 9. Klasse ist einer dieser Schüler, die sie in Ihrem Antrag als Geisel beschreiben. Ich kann Ihnen versichern, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass mein Sohn weder in Geiselhaft lebt, noch von irgendwelchen Psychosen betroffen ist.
Dann heißt es in Ihrem Antrag, dass eine allgemeine Maskenpflicht für Schüler und Lehrer gelte. Sie behaupten hier wieder einfach Dinge, die gar nicht stimmen. Ich meine dafür ist Ihre Fraktion ja bekannt, aber ein bisschen Recherche und Sachkunde hätte ich auch Ihnen noch zugetraut. In der 15. Schulmail vom 18. April steht eindeutig:
„Eine Maskenpflicht ist nur dann erforderlich, wenn die gebotene Abstandswahrung nicht eingehalten werden kann.“
Vergangene Woche hat der Schulleiter der Schule meines Sohnes die Unterrichtsorganisation bis zu den Sommerferien bekanntgegeben. Auch darin ist nichts von einer allgemeinen Maskenpflicht zu lesen. Wie auch? Es gibt sie ja nicht! Ich begreife bis heute nicht, wie Sie sich mit einer solchen Unsachlichkeit in Ihrer Arbeit zufrieden geben können. Mir jedenfalls wäre das peinlich.
Und ja, über Öffnung zu sprechen und zu diskutieren ist wichtig. Aber das passiert ja auch! Sie sind ebenfalls im Schulausschuss und wissen das! Dazu braucht es Ihren Antrag nicht. Die Landesregierung, die Schulministerin, der Staatssekretär und die Fraktionen sind mit Schulträgern, Schulleitern, Lehrerinnen und Lehrern, Eltern, Müttern, Schülerinnen und Schülern dauerhaft im engen Austausch und besprechen was nötig und was möglich ist. Ab Juni gibt es eine Neuregelung zum Einsatz von Lehrkräften, die ehemals als Risikogruppe galten. Sie sehen also, es wird gemacht was möglich und nötig ist! Zu schließen ist immer einfach. Etwas aber verantwortungsbewusst und schrittweise wieder zu öffnen hingegen viel, viel schwieriger.
Ich persönlich wünsche mir innerlich auch, dass mit einem Fingerschnips alles vorbei wäre. Aber der verantwortungsbewusste Umgang mit der Realität ist eben nicht so einfach wie wir uns wünschen und schon gar nicht so einfach, wie Sie es in Ihrem Antrag darstellen. Es geht nur schrittweise und behutsam zurück zur Normalität.
Ihren Antrag lehnen wir daher ab.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
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