Heike Wermer zu TOP 1 „Islamistische Gefährder konsequent rückführen – Aussteiger- und Präventionsprogramme intensivieren“

12.11.2020

Sehr geehrter Herr Präsident,
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
meine Damen und Herren,
wir befinden uns auf einem schwierigen Weg hin zu einer Lösung, wie wir in Deutschland, wie wir in Nordrhein-Westfalen, mit islamistischen Gefährdern und Straftätern umgehen. Dabei herrscht Einigkeit darin, dass wir islamistische, terroristische Gefahren bekämpfen wollen.
Der Weg gleicht dabei aber einem Drahtseilakt. Denn Recht und Gesetz zeigen uns Politikern Grenzen auf. Rechtstaatlichkeit ist Wegweiser für unser Handeln – und das ist auch gut so. Der Rechtstaat gilt auch dort, wo jemand unsere offene Gesellschaft mit Füßen tritt.
Recht und Gesetz geben uns aber auch Möglichkeiten: diese Möglichkeiten müssen wir bis auf das Letzte ausschöpfen, wenn es darum geht, Feinde unserer Verfassung zu überwachen und sie auch aus unserem Land zu entfernen.
Wir sind es unserem Land, wir sind es unseren Bürgerinnen und Bürgern schuldig, sie vor islamistischem Terror und gewaltbereiten Salafisten zu schützen. Im Umkehrschluss müssen wir dafür Sorge tragen, dass all jene Gefährder ohne deutsche Staatsbürgerschaft deshalb unverzüglich Deutschland verlassen. Seit 2017 gehen wir als NRW-Koalition diese Thematik an.
Wir sind es unseren Bürgerinnen und Bürgern aber auch schuldig, ehrlich zu sein. Zu dieser Ehrlichkeit gehört auch – anders als es die AfD behauptet – zu sagen: Wir können nicht einfach alle Gefährder abschieben.
Es bleiben nämlich offene Fragen:
1) Wie verfahren wir mit Gefährdern mit doppelter Staatsbürgerschaft?
2) Was machen wir in Fällen der deutschen Staatsbürgerschaft?
Und ganz wichtig:
3) Wie können wir Sorge tragen, dass islamistische Radikalisierung hier gar nicht stattfindet?
Mit diesen Fragen beschäftigt sich unsere Landesregierung. Und ich bin dankbar, dass wir mit einem verschärften Polizeigesetz neue Möglichkeiten der Überwachung und der Kontrolle schaffen konnten. Das gilt auch für eine „Null-Toleranz-Strategie“ gegen religiöse Extremisten.
Dass diese Strategie richtig ist, bemerken neuerdings ebenfalls die Grünen auf Bundesebene. Das sollten sie vielleicht auch beherzigen, wenn sie sich wieder einmal gegen weitere Abschiebungen und die Anerkennung sicherer Herkunftsstaaten engagieren.
Genau so gilt das für die harte Hand bei der Ausweisung von ausländischen Gefährdern in ihre Herkunftsstaaten. Auch das ist lange verschlafen worden.
Deshalb ist es gut, dass Minister Stamp nicht müde wird abzuschieben, wo es möglich ist. Dasselbe gilt für die Arbeit der Zentralen Ausländerbehörden.
Wir müssen aber auch darauf schauen, was hinter den Gefährdern steckt:
Der extremistische Islamismus ist eine Ideologie, ein strukturelles Problem, das sich ausbreitet. Gewaltbereite Islamisten und Hassprediger streuen bewusst diese Ideologie. Empfänger sind Kinder, Jugendliche, junge Menschen. Darunter auch Deutsche, darunter sehr viele deutsche Muslime. Die Botschaften geben beeinflussbaren Menschen vermeintlich einfache Antworten – und radikalisieren sie. Dazu kommt das Internet: Der Attentäter von Wien hat sich im Internet radikalisiert, dort Anschluss gefunden und war Teil eines großen Netzwerks.
Es bedarf also einer Präventionsarbeit, die in alle gesellschaftlichen Bereiche eindringt. In die Schulen, in die Elternhäuser, in die Moscheegemeinden. Und das, bevor wir sie an den Islamismus verlieren.
Die Salafismus-Prävention „Wegweiser“ und das Aussteigerprogramm Islamismus – Minister Reul hat Anfang der Woche die aktuellen Zahlen bekanntgegeben – setzen auf viele wichtige Werkzeuge:
politische Bildung, Elternarbeit, Wertevermittlung, die Zusammenarbeit mit Experten. Wir müssen es schaffen, dass die eigene Gesinnung hinterfragt wird – bevor es zu spät ist. Dazu müssen wir das Problem an seiner Wurzel packen und Hassprediger hart verfolgen.
Gerade bei jungen Menschen ist es wichtig auf die Eltern, auf Freunde zuzugehen: sie zu informieren, zu helfen gegenzusteuern. Die Programme bieten Schulen Hilfe an, wie sie auf aufkommende islamistische Tendenzen reagieren müssen. Wichtig ist aber auch die Arbeit in den Justizvollzugsbehörden. Gefängnisse dürfen kein Herd der Radikalisierung sein. Und ganz wichtig: Hinter allen Türen muss bekannt sein, was dort passiert, was dort gepredigt wird.  Dazu müssen wir islamische Organisationen in die Pflicht nehmen.
Meine Damen und Herren,
nur eine doppelte Strategie nützt uns beim Kampf gegen den Islamismus:
1. Dort, wo Abschiebungen in die Herkunftstaaten möglich sind, müssen sie unverzüglich geschehen. Da, wo es in begründeten Fällen möglich ist, die doppelte Staatsbürgerschaft zu entziehen – beispielsweise bei IS-Heimkehrern – da muss auch das passieren.
2. Wir müssen mit den deutschen Gefährdern umgehen können, überwachen und den Ausstieg aus der Szene forcieren. Und wir müssen dafür Sorge tragen, dass sich niemand in Deutschland radikalisiert.
Islamisten pervertieren Religion, um Hass zu verbreiten. Das hat nichts mehr mit Religionsfreiheit zu tun. Wir dürfen uns nicht unterwandern lassen von Strukturen. Wir dürfen nicht dulden, dass es neben dem deutschen Rechtssystem eine religiöse Ordnung gibt, die unser Grundgesetz ablehnt. Das müssen wir uns klar auf die Fahne schreiben, ohne dass es zu einer Phrase wird.
Vielen Dank.

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