Jochen Ritter zu TOP 11 "Wohnen als soziale Daseinsvorsorge - sicher und bezahlbar für alle"

08.03.2023

Sehr geehrter Herr Präsident,
sehr geehrte Damen und Herren,

„Wohnst Du noch oder lebst Du schon?“Mit diesem Slogan warb vor einigen Jahren ein bekannter skandinavi-
scher Möbelhersteller für seine Produkte.
Wohnen war für ihn mehr als ein Dach über dem Kopf. Das sehen wir ähnlich und verbinden damit weitere Attri-
bute wie bezahlbar und sicher.
Der größte Hebel, den wir dafür in der Hand haben, ist die öffentliche Wohnraumförderung. Und damit bekommen wir
einiges bewegt. Selbst unter den widrigsten Bedingungen, sprich Pandemie und Krieg, ist es in 2022 gelungen, na-
hezu eine Milliarde Euro an den Mann, an die Frau zu bringen, die damit Wohnraum schaffen –das zweitbeste Er-
gebnis „ever“.
Wer wie die SPD vor diesem Hintergrund nach einem weiteren Akteur am Wohnungsmarkt in Gestalt einer Landes-
gesellschaft ruft, schießt weit übers Ziel hinaus, zumal sie mit ähnlichen Schwierigkeiten zu kämpfen hätte wie die
bisherigen Teilnehmer auch: Fachkräftemangel, Baukostensteigerungen, Zinsanstieg. Dieses tote Pferd brauchen
Sie nicht länger zu reiten.
Maßlosigkeit haben jedenfalls die kommunalen Spitzenverbände Ihnen, Herr Kollege Watermeier, am vergangenen
Donnerstag auch mit Blick in die Zukunft attestiert, als es um Ihre Forderung nach höheren Zielen hinsichtlich der
Anzahl mietpreisgebundener Wohnungen ging.
Zitat: „Kein konstruktiver Beitrag zur Bewältigung der "wohnungspolitischen Herausforderungen.“„Mehr Realismus wagen!“hat „Die Welt“der Bundesregie-
rung nach deren Klausur auf Schloss Meseberg in Anlehnung an das bekannte Zitat von Willy Brandt anempfohlen.
Bundesbauministerin Geywitz hat sich mittlerweile ehrlich gemacht und von ihrem ursprünglichen Ziel, 400.000 neue
Wohnungen pro Jahr zu bauen, verabschiedet.
Sie tun sich in NRW nicht nur schwer damit, sie tun sich und uns allen auch keinen Gefallen: denn indem Sie die
Latte unrealistisch hoch legen, produzieren Sie nichts als Enttäuschung. Insofern schließe ich mich dem in besagter
Stellungnahme sicher nicht von ungefähr fettgedrucktem Expertenrat an: Lassen Sie´s endlich!
Die 45.000 mietpreisgebundenen Einheiten, die wir uns bis zum Ende der Legislaturperiode vorgenommen haben,
sind alles andere als unambitioniert, haben uns die Sachverständigen bescheinigt, und im Übrigen den Blick auf
den Beginn der Wertschöpfungskette gelenkt, die zum Wohnen führt, nämlich den Grunderwerb.
Zwecks Weitung dieses Flaschenhalses hat das MHKBD unlängst drei weitere Instrumente zur Verfügung gestellt. 
Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen der SPD-Fraktion, zäumen das Pferd von hinten auf und wollen, wenn alles
fertig ist, den Mietpreis von der sonstigen Preisentwicklung abkoppeln und einfrieren, kurzum: ein Moratorium.
„Morituri te salutant“, höre ich schon die Akteure am Wohnungsmarkt vor meinem geistigen Auge rufen, würden sie
unter diesen Bedingungen in die „Arena“geschickt, um das Angebot bedarfsgerecht zu verbreitern.Denn würde denjenigen, die in dem aktuellen Umfeld über-
haupt noch bereit sind zu investieren, verunmöglicht, ihre Kostensteigerungen bei der Errichtung und beim Betrieb
von Immobilien zumindest in Teilen weiterzugeben, dann gingen die Vorhaben entweder den Bach herunter oder die
Bauwilligen woanders hin.
Die für diesen Zweck untaugliche, nämlich unvollständige und undifferenzierte Internetrecherche des Mietenmoni- 
tors, deren Ergebnis Sie unlängst als Begründung zu diesem Vorschlag geliefert haben, trägt einen solchen tiefgrei-
fenden Eingriff jedenfalls nicht.
Wir wollen das Mietrecht auf wissenschaftlicher Basis in den Blick nehmen.
Die Kompetenz auf diesem Feld liegt im Wesentlichen beim Bund. Unsere Spielräume sind eng. Deshalb gilt es
sorgfältig damit umzugehen. Hier geht Gründlichkeit vor Schnelligkeit.
Zur Ausgangsfrage: Wohnst Du noch o. lebst Du schon?
Wir wollen beides im Sinne von lebenswertem Wohnen für Mieterinnen und Mieter wie auch für Eigentümerinnen und
Eigentümer unter einen Hut bringen.
Wir wollen NRW im Dialog mit den relevanten Stakeholdern noch attraktiver machen für Investitionen in die unter-
schiedlichen Segmente des Wohnungsmarktes, damit er sich entspannt.
Wir wollen die Verhältnisse im Wissen um die Notwendigkeiten und mit Sinn für das Machbare systematisch und
strukturiert ändern.
Über breite Unterstützung für diese Ziele und diese Herangehensweise würde ich mich freuen.