Jörg Blöming zu Top 11„Stärkungspakt Individualverkehr – Motorisierten Individualverkehr schützen und bedarfsgerecht fördern“

28.05.2020

Sehr geehrte Frau Präsidentin / sehr geehrter Herr Präsident,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
beim Lesen dieses Antrags erlebte ich ein Déjà-vu.
Ich hatte das Gefühl, diese fadenscheinige Argumentation schon einmal gehört zu haben.
Und tatsächlich:
Erst vor einem halben Jahr hat die AfD zum gleichen Thema einen ähnlichen Antrag gestellt.
Man könnte meinen, hier gehen so langsam die Ideen aus.
Denn neben reichlich Polemik, bietet dieser Antrag nichts wirklich Konstruktives.
Natürlich ist und bleibt der Individualverkehr ein wesentlicher Bestandteil des Verkehrslebens.
Der Individualverkehr besteht aber nicht nur aus PKWs, die durch fossile Brennstoffe betrieben werden.

Alternativ betriebene Fahrzeuge, zum Beispiel elektrisch oder durch Wasserstoff, gehören genauso dazu.
Außerdem sind hier Zweiräder ebenso, wie „Sharing-Angebote“ zu nennen.
Die NRW-Koalition stellt den Menschen frei, wie sie ihrem Mobilitätsbedürfnis nachkommen.
Das war vor Corona so und es wird auch weiterhin so bleiben. Die besonders stark beanspruchten Berufszweige
in der Corona-Krise, erhalten dabei unsere größtmögliche Unterstützung.
Für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Akutkliniken hat das Verkehrsministerium beispielsweise das Sonderprogramm „Klinikpersonal bleibt mobil“ aufgelegt.
Hierbei werden dem medizinischen Personal kostenlos Mietfahrzeuge für die Fahrt zur Arbeit gestellt.
Die Idee war so gut, dass der Bund sie direkt übernommen hat.

Das Land hat den öffentlichen Personennahverkehr, in Absprache mit den Verkehrsverbünden und unter Einhaltung der Hygienebestimmungen,
zeitnah wieder hochgefahren.
Die Menschen haben sich zu Fuß, mit dem Fahrrad, dem Pkw, dem Bus, der Bahn, oder wie auch immer sie es wollten fortbewegt.
Ein Verbot eines Verkehrsmittels hat es nicht gegeben.
Ich verweise hierzu noch einmal auf all‘ unsere Anträge der letzten drei Jahre. Die Verkehrspolitik der NRW-Koalition steht unter der Prämisse der Ideologiefreiheit,
der Nutzerorientierung und der Technologieoffenheit.
Keinem Bürger soll vorgeschrieben werden, wie, wann und vor allem womit er seinen Weg zurücklegt.

Über die individuellen Mobilitätspräferenzen entscheidet allein der jeweilige Nutzer.
Eine staatlich vorgegebene Bewertungshierarchie lehnen wir ab.
Unterschiedliche Verkehrsträger sollen nicht gegeneinander ausgespielt werden. Vielmehr sollen sie ihre jeweiligen Stärken kombinieren.
Wir setzen auf Nutzungsanreize und einen konsequenten Einsatz intelligenter Verkehrsleitsysteme.
Die verschiedenen Verkehrsträger müssen zukünftig so vernetzt werden, dass jede Nutzerin und jeder Nutzer zwischen vielen Alternativen wählen kann.
Das schließt eine einseitige Bevorzugung oder Benachteiligung einzelner Verkehrsträger aus.
Während der vorliegende Antrag den Individualverkehr einseitig fokussiert, verfolgen wir von der Nordrhein-Westfalen-Koalition eine bedarfsgerechte Verkehrspolitik mit Maß und Mitte.
„Anreize statt Verbote“ ist unsere Strategie.

Das macht eine moderne und lebensnahe Mobilität aus.
Außerdem ist das gut für unser Klima. Diesbezüglich möchte ich auf einen Punkt besonders eingehen:
Trotz des Corona-bedingt geringeren Verkehrs, wurden an bestimmten Messstationen erhöhte Stickoxid-Belastungen gemessen.
Daher müssen wir in Zukunft noch intensiver an sinnvollen Gesamtlösungen arbeiten.
Fahrverbote können also nicht die alleinige Lösung sein.
Insgesamt aber gingen die Stickoxid-Werte in Nordrhein-Westfalen zurück!
Dies zeigen die Messwerte des Landesamts für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz.
Die Stickoxid-Belastung in vielen Städten NRWs verringerte sich im Zeitraum vom 16. März bis 14. April 2020 im Vergleich zum Vorjahr um etwa 20 Prozent.

Losgelöst von möglichen Corona-Effekten, müssen die Maßnahmen zur Luftreinhaltung daher weiter ambitioniert fortgesetzt werden.
Das hat auch unsere Umweltministerin Ursula Heinen-Esser bekräftigt.
Meine Damen und Herren,
ich komme zu den im Antrag aufgeführten Forderungen:
Erstens:
Der Verkehrsfluss in den Kommunen wird größtenteils nicht durch Landesmaßnahmen geregelt.
Das „Arbeitsprogramm zum Masterplan zur Umsetzung des Bedarfsplans“ für die Bundesfernstraßen orientiert sich an klaren Kriterien.
Es wurde als neues Planungs- und Steuerungsinstrument von der Nordrhein-Westfalen-Koalition eingeführt;
es wird jährlich aktualisiert.
Projekte können nur neu aufgenommen werden, wenn die vorherigen abgearbeitet sind.
Die Untertunnelung der B1 in Dortmund hat der Bund im Bundesverkehrswegeplan bis 2030 nicht priorisiert.
Vorrang hat daher,  wie vom Bund vorgegeben, die Beseitigung von Engstellen im Autobahnnetz.
Zweitens: Die Kompetenzen zum Thema „Feinstaub- und Umweltplaketten“ liegen beim Umweltbundesamt.
Drittens:
Für die Ermittlung des „Park und Ride“ Bedarfes einer Kommune sind in erster Linie die Verkehrsverbünde zuständig.
Hier gibt es bereits konkrete Projekte,
zum Beispiel des Verkehrsverbundes Rhein-Ruhr,
zur Schaffung einer entsprechenden Datengrundlage.
Damit Pendler direkt erkennen können,
ob noch freie Stellplätze für Ihr Auto verfügbar sind,
sollen die Park und Ride-Anlagen mit technischen Systemen ausgerüstet werden.

Kommunen, die Fördermittel nach dem „Gesetz über den öffentlichen Personennahverkehr“ erhalten, müssen diese Messsysteme auf der gesamten Anlage installieren. Außerdem können Kommunen auch bestehende Park und Ride-Anlagen mit diesen Systemen ausstatten und hierfür entsprechende Fördermittel beantragen.
Viertens: Zum Thema „bessere Abstimmung zwischen motorisiertem Individualverkehr und Radverkehr“ verweise ich auf den Bericht in unserer letzten Verkehrsausschusssitzung:
Zuständig für die Radwegebenutzung in Nordrhein-Westfalen sind die örtlichen Straßenverkehrsbehörden.
Diese treffen ihre Entscheidungen stets in enger Abstimmung mit dem Straßenbaulastträger,
der Polizei und unter Berücksichtigung der besonderen örtlichen und verkehrlichen Gegebenheiten.

Das bedeutet, dass in Nordrhein-Westfalen allein
die örtlich zuständigen Straßenverkehrsbehörden
über die Anordnung und auch Aufhebung der Radwegebenutzungspflicht entscheiden.
Das Ministerium für Verkehr ist hingegen nicht ermächtigt, straßenverkehrsrechtliche Maßnahmen,
wie z. B. die Aufhebung der Radwegebenutzungspflicht,
im Einzelfall anzuordnen.
Es bleibt abschließend Folgendes festzustellen:
Sie holen hier erneut einen alten Antrag aus der
AfD-Mottenkiste.
Mögliche Ansätze verlieren sich in der einseitigen
Fokussierung auf den motorisierten Individualverkehr.
Die bewusste Vermischung und Vereinfachung von Kompetenzen zwischen Bund, Land und Kommunen unterstreichen den populistischen Grundton,
der sich zwischen den Zeilen deutlich erkennen lässt.

Die NRW-Koalition hingegen unterstützt den ganzeinheitlichen Ansatz der Landesregierung
und spielt nicht verschiedene Verkehrsträger gegeneinander aus.
Eine gewinnbringende Verkehrspolitik ist technologieoffen, nutzerorientiert und ideologiefrei.
Diese Prämisse verfolgen wir als Nordrhein-Westfalen-Koalition.
Hiervon ist in dem Antrag nichts zu finden.
Er weist keine neuen konstruktiven Vorschläge auf.
Der Überweisung stimmen wir natürlich zu.

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